Lilly Looking Through

(Artikel)
Kristin Riedelsberger, 01. November 2013

Lilly Looking Through

Hübsch verpackte Spielenttäuschung

Gerade eben habe ich mir noch mal meinen Preview-Artikel zu Lilly Looking Through zu Gemüte geführt. Hach Mensch, was hab ich da geschwärmt! Ich habe es euch angekündigt als das vielleicht augenschmausigste Adventure dieses Jahres, und das ist es auch, ganz ohne Zweifel. Der crowdgefundete Adventure-Erstling aus dem Hause Geeta Games wartet mit wunderschönen, handgemalten, funkelnden Tropfsteinhöhlen, finsteren Waldlichtungen, gleißenden Eislandschaften und vor allem mit einer Protagonistin auf, die an Niedlichkeit kaum zu überbieten ist. Schließlich ist sie ein kleines, putziges Kleinkind mit entsprechenden motorischen Defiziten – es ist ja so niedlich, wenn die kleine Lilly sich auf die Nase legt! Und dann hat sie auch noch riesengroße Kulleraugen, die sogar noch um einiges größer werden, wenn sie sich ihre mysteriöse Schweißerbrille auf die Nase setzt. Süüüß! Nicht zu vergessen, dass Klein-Lilly alles tut, was in ihren Möglichkeiten liegt, um ihren noch kleineren Spielgefährten Row zu retten, der sich durch ein Missgeschick in einen roten Schal verwickelt hat und von einer Windböe davon getragen wird. Einfach goldig, diese Opferbereitschaft! Insofern gibt es zunächst einmal ein deutliches "CHECK!" für die von mir lobgehudelte Hübschität.

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Was aber meine ganzen anderen Hoffnungen angeht, ist Lilly Looking Through für mich eine herbe Enttäuschung. Das liegt zum einen daran, dass ich schnell feststellen musste, dass die zehnminütige Demo, durch die ich mich im März genüsslich hindurchgeklickt habe, bereits 1/5 (!) des gesamten Spieles ausmacht. Damit unterbietet der malerische Appetithappen selbst so manch kostenloses Flash-Game auf Kongregate; der Publisher Headup Games verlangt trotzdem rund 20 Euro für ein rekordverdächtig kurzes Spielvergnügen von 1 bis 1 ½ Stunden. Da muss man schon eine ganze Weile auf die liebevollen Locations starren, um das Geld wieder raus zu haben.

Hinzu kommt, dass die Rätsel, von denen ich mir besonders viel versprochen habe, eher seicht und random daher kommen. In jedem der 10 Kapitel tauchen irgendwo Schalter oder Glöckchen auf, die in bestimmten Reihenfolgen bedient werden müssen, um Mechanismen in Gang zu setzen oder bestimmte Farben zu mischen. Leider macht auch Lillys Fähigkeit, mit der Schweißerbrille in die Vergangenheit reisen zu können, um dort die ferne Zukunft gewinnbringend manipulieren zu können, das Spielgeschehen nicht sehr viel spannender, da es meist sowohl in der gegenwärtigen als auch in der vergangenen Welt nicht viel zu tun gibt. Meistens finden sich so zwischen zwei bis vier Hot-Spots, die man sich durch das integrierte "Hilfesystem“ auch noch anzeigen lassen kann.

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Insgesamt empfand ich die Rätsel eher als Beschäftigungstherapie, besonders wenn ich mit Lilly ein Läuten, ein Schalterdrücken oder ein Am-Rad-Drehen öfter als ein Mal vollführen musste. Es gibt nämlich keine Überspringenfunktion, dafür aber umso mehr Rätsel, die schon von Anfang an darauf ausgelegt sind, sehr oft ein und dieselbe Tätigkeit zu wiederholen. Ich habe mich schon nach der Hälfte des Spiels mit Zwischensequenzen übersättigt gefühlt.

Und wenn man so mehr oder weniger munter vor sich hinrätselt – die Musik ist zwar hübsch, aber nach einer gewissen Zeit doch eher von der einschläfernden Sorte – kann man sich sogar über die ach so hübschen Hintergründe ärgern, denn manchmal ist einfach nicht ersichtlich, ob sich etwas im Vordergrund oder im Hintergrund befindet. Perspektivisch gesehen gibt es dann also doch den einen oder anderen Flaw.

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Tja, und dann gibt es noch das Ende, und das ist – neben Deponia 3 – wohl das enttäuschendste überhaupt. Also, es ist halt irgendwie keins. Das Spiel hört einfach auf, abrupt, ohne ein Wort der Aufklärung, und viel zu früh. Ich könnte jetzt bestimmt eine philosophische These anstellen, was das alles zu bedeuten hatte, auch mit der Schweißerbrille und so, es steckt bestimmt voll der tiefgängige Sinn dahinter. Irgendwo. Aber ehrlich gesagt bin ich viel zu enttäuscht von Lilly Looking Through, als dass ich jetzt noch Lust hätte, meinen wertvollen Gehirnschmalz an dieses, ja, hübschere Wimmelbild-Spiel zu verschwenden… Kristin

Lilly Looking Through

(Ranking)
C
RANK
Gut gemeint. C-Spiele haben ihre strahlenden Momente, aber in entscheidenden Situationen wird großes Potential verschenkt. Über keine anderen Spiele kann man sich so sehr ärgern.

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RELEASE
31. Oktober 2013
PLATTFORM
Mac
Plattform
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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