AVGN Adventures

(Artikel)
Torsten Ingendoh, 20. Oktober 2013

AVGN Adventures

He's gonna take you back to the past

Was wäre unsere Gamingkultur nur ohne den Angry Video Game Nerd. James Rolfes Schandmaul, das von schlechten Spielen gequält wird, ist und bleibt eine der bekanntesten Gestalten des Internets. Da ist es eigentlich nur fair, dass er sein eigenen Spiel bekommt. Nun, dank Freakzone Games ist das jetzt Realität. Dann will ich doch mal schauen, ob der Nerd es besser kann als LJN.

Angry Video Game Nerd Adventures ist ein klassisches 8-bit-Jump-and-Run. In insgesamt neun Level (zehn, wenn man das Tutorial mitrechnet) testet einen das Spiel, ob man NES-Hard gewachsen ist. Und ob man ein treuer Fan ist, denn am laufenden Band gibt es Anspielungen auf Nerd-Episoden. Das fängt schon im Intro an, in dem der Nerd und seine Freunde ins Videospiel gezogen werden. Ganz wie im Intro zu Cheetahmen. Im Tutorial erklärt dann Naggy, das Glühwürmchen, wie das Spiel funktioniert, sehr zur Missgunst des Nerds. Immerhin ist das Tutorial kurz und relativ leicht.

2013-10-16_00001Schlechte Spiele wollen auch gespielt werden

Dann fängt auch gleich das echte Spiel an. Wie in Mega Man steht man nun vor Wahl zwischen acht verschiedener Level, alle mit solch blumigen Namen wie "Assholevania", "Blizzard of Balls" und "Thy farts consumeth". Jedes Level parodiert dabei etwas anderes, von Castlevania über bunte Kinderspiele bis hin zu den Atari-2600-Porno-Spielen. Fans kommen hier ganz auf ihre Kosten. Ich habe mich dezent amüsiert, als ein Level doch glatt mit dem Lavahai verseuchten Todesraum aus der Super-Pitfall-Episode anfing. Sind alle acht regulären Level geschafft, darf man sich ans finale Level heranwagen. Das ist noch mal 'ne ganze Ecke härter als die anderen Level. Wer das schafft, kann mit Recht stolz auf sich sein.

Der Nerd hüpft sich mit Zapper bewaffnet durch die Level. Steuern lässt er sich dabei mit Tastatur, was nicht so zu empfehlen ist, oder per Gamepad. Standardmäßig wird das 360-Pad unterstützt. Funktioniert sehr gut, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass man den Nerd auch mit dem Analogstick steuern kann und nicht nur mit dem D-Pad. Alternativ werden natürlich auch Pads von anderen Herstellern unterstützt. Sehr gut gefällt mir die Möglichkeit, durch Halten eines der Triggers den Nerd zum Stehen zu bringen - wie etwa bei Contra. Der Zapper kann nämlich in acht Richtungen Schießen und durch dieses Feature muss man für diagonale Schüsse nicht zwangsläufig laufen. Da AVGN Adventures vom Spieler Präzision verlangt, ist es gut zu wissen, dass die Steuerung sehr gut funktioniert. Wenn man was falsch macht, lag es definitiv nicht an ihr.

2013-10-16_00004Der Schreibfehler ist selbstverständlich Absicht

Wem der Zapper nicht ausreicht, für den gibt es bis zu vier verschiedene Powerups. Das erste ist mehr ein Scherzitem: Man bekommt 25 Steine, die der Nerd in einem Bogen über die Gegner wirft. Lustigerweise gibt es ein paar Stellen, an denen dieses Item gar nicht mal so unnütz ist. Nützlicher ist da schon der Game Glitch Gremlin. Damit kann man zweimal den grünen Unhold herbeirufen, um Gegner an Ort und Stelle festzuglitchen - sehr nützlich auch bei Passagen mit beweglichen Gefahren. Schweres Geschütz bietet Super Mega Mecha Death Christ. Mit seinem ikonischen "FUCKERS!"-Ausruf metzelt der mal eben alle Gegner auf dem Bildschirm nieder. Last but not least findet der Nerd auch ab und zu ein Superscope, was den Schaden seiner normalen Attacke erheblich erhöht. Leider verliert man diesen, sobald man selbst Schaden nimmt.

Falls euch der Nerd immer noch zu langweilig ist, verzagt nicht, es gibt drei weitere Charaktere freizuschalten. In einem der Level befindet sich die Couch vom Nerd und hinter der Couch die skelettierten Überreste von Kyle Justin, dem Guitar Guy. Kyle kann zwar nicht so hoch springen wie der Nerd, dafür etwas schneller laufen und seine Schüsse gehen durch Wände hindurch. Das braucht man auch, um Motherfucker Mike zu finden. Mike kann höher springen als der Nerd, hat aber nur ein Laserschwert als Angriff. Damit kann er allerdings bestimmte Blöcke vernichten und zusätzlich unsichtbare Blöcke sehen. Und nur damit kann man den letzten Charakter freischalten: Bullshit-Man. Sein Angriff: Bullshit werfen. Seine Besonderheit ist ein Doppelsprung durch einen Furz in der Luft. Mit allen drei Bonusfiguren kann man fleißig alle Geheimnisse des Spiels aufspüren.

2013-10-16_00006I shit all over it with me glitches

Was wäre ein 8-bit-Spiel ohne Bosskämpfe? Darum lauert auch am Ende jedes Levels ein Endgegner. Natürlich allesamt irgendwelche Anspielungen auf Nerd-Folgen. Future Fuckballs 2010 kommt mit dem grünen "Where did you learn to fly?"-Gesicht aus Cybermorph daher, in Blizzard of Balls wird der Nerd noch einmal von den drei Weihnachtsgeistern heimgesucht. Mein absoluter Favourit ist der Boss von Beat it and Eat it, dem Atari 2600 Porno level. Ratet einfach mal, wer das ist. In jedem Kampf geht es darum das Angriffsmuster zu studieren, um zu wissen, wie man, ohne getroffen zu werden, Schläge austeilen kann. Hier hätte ich mir etwas mehr Kreativität gewünscht. Viele Bossgegner fahren einfach eine liegende 8 auf dem Bildschirm ab.

AVGN Adventures ist schwer. Sehr Schwer. Von Anfang an hat man drei Schwierigkeitsgrade zur Auswahl: "Easy", "Normal", "Old School". Easy ist dabei sehr gnädig mit sechs Trefferpunkten und unendlich Leben. Selbst Anfänger dürften es so auch irgendwann bis ins letzte Level schaffen. Normal ist der Weg, den ich wählte. drei Trefferpunkte und nur 30 Leben. Sind diese verbraucht, heißt es Game Over und man wird zur Levelauswahl zurückgeschickt. Old School setzt da noch einen drauf: drei Trefferpunkte, 15 Leben und nur fünf Continues. Zusätzlich darf man nicht abspeichern und die Checkpoints in den Level sind unsichtbar. Leider zu schwer für mich. Für die ganz Hartgesottenen gibt es noch drei weitere Schwierigkeitsgrade freizuschalten: "Hard as Balls", "Impossible" und "YOLO". Da man in Hard as Balls nur noch einen Trefferpunkt hat, kann ich mir nur zu gut vorstellen, wie sadistisch schwer "YOLO" sein muss. Bisher finde ich auch keinen Hinweis darauf, dass jemand diesen Modus überhaupt freigeschaltet hat.

2013-10-16_00005Bei jedem Ableben lässt der Nerd einen zufallsgenerierten Spruch von sich

Doch was macht AVGN Adventures so verflucht schwer? Die Antwort ist ziemlich einfach und ehrlich gesagt mein größter Kritikpunkt an dem ganzen Spiel: Billige Tode. Was meine ich damit? Nun, jedes Level ist übersäht mit Totenkopfblöcken. Was passiert, wenn man so einen berührt? Richtig, man stirbt, egal wie viel Energie man noch hat. Und das treibt einen in den Wahnsinn an so manchen Stellen, das ist echt nicht mehr heilig. Oft bewegen sich diese Blöcke auch noch oder verschwinden kurzfristig, sodass man genau timen muss, wann man springt und/oder rennt. Das geht so weit, dass teilweise die Gegner das geringste Problem darstellen. Auch das könnte man ja vielleicht noch verkraften, aber dann besitzt das Spiel auch noch die Frechheit diese Blöcke so zu platzieren, dass man beim ersten Versuch zwangsweise in sie hinein rennt. Das passiert so oft, dass ich bei meinem zweiten Durchlauf die meisten dieser Fallen schon wieder vergessen hatte.

Ein weiterer kleiner Kritikpunkt sind die Cameos, die man im ganzen Spiel verteilt findet. Diese sind zum größten Teil einfach nur willkürlich. Pat the NES Punk kann ich ja noch verstehen, ebenso Craig Skistimas und Chad James von Screwattack, schließlich agieren die als Publisher. Aber was zum Henker hat Angry Joe da drin zu suchen? Oder Brentalfloss? Oder Keith Apicary? Oder Jim Fucking Sterling? Die haben doch mal gar nichts mit dem Nerd zu tun... okay, Angry Joe vielleicht durch die Crossover-Filme mit That Guy With The Glasses, aber Jim Sterling? Ich versteh' es nicht. Sie wirken einfach deplaziert und scheinen nur dort zu sein, weil sie mit Screwattack zu tun haben, wie der Nerd eben auch. Halte es dennoch für merkwürdig, Egoraptor zu finden.

2013-10-16_00012Thank god for this cameo?

AVGN Adventures hinterlässt mich mit sehr gemischten Gefühlen. Ich liebe den Nerd und ich liebe Retro-Games. Beides zusammen sollte eigentlich ein Rundumsorglos-Paket für mich bilden. Das Resultat ist zwar kein schlechtes Spiel, verschenkt aber dennoch eine Menge Potential. Die Totenkopfblöcke sind der größte Fauxpas, den sich das Spiel erlaubt. Todeszonen wild über die Level zu verstreuen wirkt einfach nur wie eine billige Art den Schwierigkeitsgrad künstlich in die Höhe zu treiben. Oft genug kratzt das Spiel an der Schwelle zu "unfair", überschreitet diese zum Glück nur selten. Hinzu kommt noch, dass viele der Level bis auf ihren Look keine eigene Identität besitzen. Dafür fühlt es sich doch sehr gut an, dieses Spiel zu schaffen, besonders auf den höheren Schwierigkeitsgraden. Fans des Nerds, die diese Herausforderung nicht scheuen, können ruhig zugreifen. Wer den Nerd nicht kennt oder nicht mag, sollte sich jedoch zweimal überlegen, 15€ dafür hinzublättern.

AVGN Adventures

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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RELEASE
20. September 2013
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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