Shadow Warrior

(Artikel)
Rian Voß, 07. Oktober 2013

Shadow Warrior

Wer möchte etwas Wang?

Okay, ich geb's zu: Der Witz funktioniert im Deutschen einfach nicht. In der jenseits-atlantischen Version des Britischen steht "Wang" umgangssprachlich für "Penis", ist gleichzeitig aber auch ein beliebter chinesischer Nachname. In Zentraleuropa denkt man beim W-Wort vielleicht höchstens noch an Wan Tan und bekommt Hunger auf blätterteigumhüllte Fleischspeisen. Diese Lokalisierungsschwäche ist aber auch schon gleich einer der letzten Fehler, die Flying Hog Studios' Shadow Warrior sich erlaubt, denn der Rest ist eine Achterbahnfahrt voller Action und Gelächter... und das Duke Nukem Forever, auf das wir immer gewartet haben.

Lo Wang ist ein Arsch, der für seinen Auftraggeber ohne mit der Wimper zu zucken tötet, und nun den Job hat, einem Mann ein sehr wertvolles Schwert abzuhandeln. Oder es mit Gewalt zu nehmen, falls er das Tauschangebot nicht so prickelnd finden sollte. Damit gehört Wang nicht gerade zu den heldenhaftesten Protagonisten in der Geschichte der Videospiele, dennoch kann man sich nicht ganz verkneifen ihn ein bisschen zu mögen, wenn er im Auto sitzend anfängt zum Transformer-Cartoonfilm-Titellied "The Touch" lautstark mitzusingen. Auch kleine Einblicke in sein Privatsphäre später machen den Mann mit dem starken asiatischen Akzent sympathischer: Als Filmgeek entlarvt rasiert er sich vor der Entscheidungsschlacht den Kopf kahl und als Comicbuchnerd hat er im Wangcave unter seiner Villa an jeder Wand eine eingerahmte Sammlerausgabe sowie einen eigens für Notsituationen angefertigten Superheldenanzug.

2013-09-29_00008You got the power!

Der Anzug ist dabei gar nicht so unpassend: Nachdem der Deal mit dem Schwert selbstverständlich schiefgelaufen ist, stellt sich schnell heraus, dass der Einfluss von Dämonen im Spiel ist und eine merkwürdige Gestalt namens Hoji verleiht Wang übernatürliche Kräfte.
Ab diesem Zeitpunkt kann Wang nicht nur mit seinem Katana aus der Egoperspektive zielgenau Köpfe und andere Gliedmaße abhacken und ansonsten seine Pistole schwingen, sondern er verfügt auch über besondere Fähigkeiten. So kann man mit der Zeit coole Manöver, wie einen Rundumschlag, mehrere Schockwellen oder einen projizierten Schild freischalten.

Natürlich muss man all das neue Spielzeug erst mal an Gegnerhorden ausprobieren! Feindtypen kommen in einigen Geschmacksrichtungen, allerdings fehlt es mit nur acht normalen Gegnertypen auf lange Sicht ein wenig an Abwechslung. Von diesem Mangel merkt man aber erst mal eine ganze Weile nichts, denn dafür hat man viel zu viel - VIEL ZU VIEL - Spaß, das Kanonenfutter in mundgerechte Happen zu schneiden. Kämpfe beginnt man häufig mit einer Auswahl an Schusswaffen, dann wechselt man in den Nahkampf über, slasht sich die Seele aus dem Leib, benutzt nach Belieben Superkräfte, und schließlich heilt und entfernt man sich aus dem Kampf, falls es einmal brenzlich wird, nur um danach direkt wieder einzutauchen. Das Prinzip wiederholt sich zwar durch die Bank weg, aber es wird niemals wirklich langweilig in einem Pulk von Feinden zu stehen, nur um dann mit dem Schwert eine Pirouette zu drehen und ausnahmslos alle Gegner im Nahkampfradius fachgerecht zu enthaupten.
Die Benutzung von den sieben Spezialbewegungen ist dabei denkbar einfach: Zweimal eine Richtungstaste und dann eine von zwei Angriffstasten drücken, schon befördert man alle Feinde im Umkreis in die Luft oder säbelt einem Typen in zehn Meter Entfernung die Rübe von den Schultern. Während das System sehr intuitiv ist, ist doch leider manchmal die Ausführung etwas holprig: gerade in Paniksituationen drückt man eine Taste aus Versehen einmal doppelt oder umgekehrt. Ich weiß nicht, wie oft ich mich schon heilen wollte, nur um stattdessen einen schweren Angriff auszuführen.

2013-09-29_00023Das Motto des Spiels.

Das Bemerkenswerteste an Lo Wangs Fähigkeiten ist wohl, dass es weder eine Manaleiste hauszuhalten gilt, noch gibt es einen Cooldown. Man kann Fähigkeiten so oft benutzen, wie man will. Was soll einen also davon abhalten, die stärksten Angriffe bis in alle Ewigkeiten zu spammen? Drei Antworten: 1. Viele Angriffe muss man aufladen, um sie auf voller Kraft entfesseln zu können. 2. Es ist langweilig 3. Gegner werden wütend. Je mehr Spezialattacken Lo Wang benutzt, desto eher verfallen Gegner in Raserei, lassen sich von Superattacken nicht mehr sonderlich beeindrucken, stecken mehr ein und teilen auch mehr aus. Eine ganze Truppe zorniger Feinde ist kein Spaß, da packt man auch mal ganz gerne den billigen Standardschlag aus.

Oder greift zur Knarre. Cooles Schwertkämpfen hindert Shadow Warrior nicht daran, alle paar Level mit einer neuen Schusswaffe aufzuwarten, die man mit sinnvollen und deftigen Erweiterungen upgraden kann. So holt man sich für die mächtigste Aufpolierung der SMG einfach eine weitere zum Akimbo-Schießen dazu, die Armbrust lässt sich auf vierfachen Schaden aufziehen, der Raketenwerfer bekommt ein Zielsuchsystem und der doppelläufigen Shotgun spendiert man einfach noch mal zwei Läufe dazu. Das klingt und fühlt sich besser an als ein schnödes "Doppelter Schaden" und es wummt gleich viel mehr, wenn man nun zwei mal zwei Rohre gleichzeitig leerknallt. Auch können diese Waffen eine neue Taktik für bisher schwierige Begegnungen liefern - so hatte ich eine ganze Weile Probleme mit fliegenden Dämonen, die mich feige aus der Entfernung beballerten und die ich mit meinen bisherigen Waffen nur einzeln wegpflücken konnte. Als ich aber den Flammenwerfer fand, waren die Viecher schneller vom Himmel geholt als Jack Skellington unter Artilleriefeuer.

2013-10-01_00029Und ich fragte mich, wem die Axt gehört.

Abseits der Kämpfe gibt es aber noch mehr, denn die oft wunderschönen Level, insbesondere die prächtigen und recht weitläufigen Außenareale, laden zum Erkunden ein und beherbergen neben Munition, Geld für Waffenupgrades und dem ein oder anderen Glückskeks mit weisen Sprüchen auch viele Secrets, die gefunden werden wollen. Ich habe jeweils fast eine Stunde in jedem der 17 Kapitel verbracht und trotzdem habe ich bei Weitem nicht alles gefunden, was die Entwickler so vor mir verborgen haben. Die Schnitzeljagd macht aber auch süchtig, denn im guten Stil der 90er sind gefundene Secrets oft mehr wert als nur ein bisschen Ausrüstung oder ein Achievement. Das wird vor allem an dem Zeitpunkt klar, wenn man durch eine geheime Tür tritt und plötzlich im 90-Grad-Winkel-Nirvana voller Matschtexturen des ursprünglichen Shadow Warrior landet. Wie ein Sprung in eine verlorene Zeit.

Trotz all der vielen positiven Worte hat das Spiel leider ein blödes Manko: in der Mitte knickt alles ein. Der Wang wird schlaff, könnte man sagen. Tolle Szenerien werden durch enge Gänge und Gebäudekomplexe ersetzt (wobei ich zugeben muss, dass die Half-Life-Parodie ziemlich gut war), Wang und Hoji reden kaum noch miteinander, die Glückskekssprüche klingen immer mehr nach 9gag-Plagiaten, bizarre Situationen tauchen kaum noch auf und auch die immer gleiche Kampfroutine ermüdet langsam. Nach dem Maschinengewehrgewitter aus Lachern und neugierigem Ausprobieren, was das Kampfsystem so leisten kann, bietet gerade Letzteres nicht mehr viel Neues, sondern kleinschrittige Upgrades liefern nur fast unmerkliche Änderungen. Man wird stärker, ja, aber man bekommt nicht viel davon mit. Und so hackt man sich weiter, bis man im Endgame ankommt.
Und was für ein schönes Endgame es ist. Normalerweise würde ich ja bei so einem Spiel sagen: Pffff, Story. Aber bemerkenswerterweise ist die Geschichte recht zweideutig, Bösewichte und Helden in ihren Fraktionen nicht ganz so klar aufgeteilt, wie man denken mag, und gerade die letzten paar Spielminuten machen ordentlich was her und versöhnen einen über den etwas einsumpfenden Vorlauf hinweg.

2013-09-29_00040Wie damals.

Wer nach Abschluss des Spiels dann immer noch nicht genug hat, kann sich an zwei weitere Spielmodi wagen: Den Ex-Mode, der einen das Spiel mit allen bisherigen Charakterentwicklungen und Waffen wieder von vorne anfangen lässt, so dass man endlich ordentlich auf Highscorejagd gehen kann, und der Heroic-Mode für die ganz harten Kerle. Gerade die eindrucksvollen Bosskämpfe gegen die größten und bösesten Motherfucker sind da besonders fordernd.

Shadow Warrior ist in vielerlei Hinsicht das Duke Nukem Forever, das wir nie bekommen haben: Es ist witzig, zeitgemäß, hat trotzdem viele echte Mechaniken der 90er-Jahre-Shooter - ganz vorne die frenetische Secretsuche -, sieht gut aus und ist nicht nur für nostalgische Machos über 30 gedacht. Eine uneingeschränkte Empfehlung für jeden Shooterfreund, der sich nicht zu schade ist, mit seinen Feinden auf Tuchfühlung zu gehen. Rian

Shadow Warrior (2013)

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

Kommentare

jschneider
Gast
15. Februar 2015 um 19:22 Uhr (#1)
danke für die tolle seite und viel erfolg
www.sehrvielgeldverdienen.wordpress.com
Gast
20. April 2024 um 00:38 Uhr
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