Etrian Odyssey IV

(Artikel)
Haris Odobašic, 18. September 2013

Etrian Odyssey IV

Dungeon-Crawler-Debüt auf dem 3DS

War der einstige Hardcore-Brocken zum Waschlappen-Spiel verkommen? Für einige Stunden musste ich mich beim neuesten Etrian Odyssey mit dieser Frage ernsthaft auseinandersetzen. Der erste Dungeon war vom Herausforderungslevel ein Witz, Grinden nur bedingt nötig, die Gegner ohne taktischen Anspruch. Die Befürchtung bewahrheitete sich dann aber zum Glück doch nicht, denn als das Spiel sich öffnet und einem die Chance gibt, auf eigene Faust zu erkunden, ist auch der altgewohnte Herausforderungslevel erreicht: Etrian Odyssey IV mag vielleicht einsteigerfreundlicher sein als irgendein Teil der Reihe zuvor, aber vom Prädikat "einfach" ist es noch immer meilenweit entfernt.

Wie gewohnt ist die Story minimal: im weiter Ferne lauert der mystische Baum Ygdrassil und die lokale Autoritätsperson such Abenteurer, die sich auf eine Expedition dahin begeben. Ihr könnt dazu natürlich nicht Nein sagen und wagt euch in das Abenteuer. Genauso spärlich, wie die Story ist, können auch Dialoge nicht überzeugen. Die wenigen Interaktionen mit Händlern oder Questgebern sind nicht gerade hochwertig geschrieben mit dem negativen Highlight einer Schmiedin, die spricht, wie als wenn sie aus dem tiefsten Süden der USA stammen würde, was einfach gar nicht ins restliche Spiel passen will. Da aber ein sehr geringer Fokus auf diesen Aspekten liegt, lässt sich das verschmerzen.

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Insbesondere weil das Dungeon-Crawling-Fundament grundsolide ist. Zu Anfang müsst ihr eine Party von Grund auf erstellen, wobei die anfangs sieben, später zehn Charakterklassen zum größten Teil den üblichen Stereotypen wie Krieger, Zauberer oder Heiler entsprechen. Habt ihr eine Gruppe tapferer Abenteuer zusammengestellt, führt ihr sie durch einige mehrstöckige Labyrinthe sowie dutzende separater, kleiner Dungeons, die euch genug Abwechslung und Spielzeit bieten, alleine schon, weil diese voller geheimer Pfade, Nebenmissionen und besonders harter Gegner, den FOEs, stecken. Ihr spielt dabei in der Ich-Ansicht und geht von Feld zu Feld. Die Ansicht wird auch in den rundenbasierten Kämpfen beibehalten, ihr seht also, bis auf ein paar Effekte, nie eure Charaktere agieren, habt dafür aber die Monster direkt im Blick. Zwischendrin habt ihr außerdem die Möglichkeit auf einem Luftschiff durch die Welt zu segeln, welches euch ermöglicht versteckte Dungeons zu finden oder auf Schatzsuche zu gehen.

Dabei ist quasi auch ein Lernprozess für den Spieler vorgesehen, denn es ist sehr gut möglich, dass eure erste Partykonfiguration irgendwann an ihre Grenzen stößt: dann heißt es, neue Charaktere mit anderen Klassen erstellen und herumexperimentieren. Und gerade, wenn man denkt, nach gut 10 bis 20 Stunden seine optimale Party gefunden zu haben, schaltet das Spiel die Möglichkeit der Subclasses frei, die es euch beispielsweise ermöglicht eurem Krieger, im Spiel Landsknecht genannt, noch ein bisschen Magie beizubringen, in dem ihr ihn zu einem halben Zauberer macht. Im Resultat dürft ihr also die gesamte Balance eurer Party überdenken!

Und glaubt mir, eine gute und ausgeglichene Party ist euer oberstes Ziel, denn gerade die FOEs sind echt harte Brocken. Jeder Gegner erfordert seine eigene Strategie und selbst wenn man stark überlevelt ist, besteht noch immer die Chance, dass ihr ohne Vorbereitung kläglich scheitert. Allerdings gilt auch der umgekehrte Fall: wer die Schwächen der Feinde studiert und seine Charaktere dementsprechend zusammenstellt, wird auch gegen einen eigentlich übermächtigen Feind bestehen können. Bei Etrian Odyssey IV werden die Kämpfe nicht durch rundenlanges Drücken auf den Angriff-Kopf entschieden, sondern primär im Kopf des Spielers.

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Interessant sind auch die vielen kleinen Subsysteme, die dem gesamten noch etwas Würze verleihen. So kann man in den Dungeons einerseits an bestimmten Punkten Ressourcen sammeln, andererseits lassen besiegte Monster gerne spezielle Items fallen. Beides kann bei der Schmiedin verkauft werden, was euch erst mal direkt etwas Geld einbringt. Ein netter Nebeneffekt ist aber, dass diese Verkäufe auch neue Ausrüstungsgegenstände freischalten, die eben aus diesen Materialien gefertigt werden. So lohnt es sich wirklich, Monster-Drops hinterher zu jagen, denn gerade wenn ihr neue Waffen kaufen oder Gegenstände verbessern wollt, kommt es nicht nur auf das Geld an, sondern auch darauf, dass ihr der Schmiedin genug der benötigten Items vorher verkauft habt, damit sie diese als Rohstoff verwenden kann.

Eines der Kernfeatures hat es natürlich auch auf den 3DS geschafft: das Zeichnen von Karten. Die Kartenfunktion im Spiel zeichnet nämlich nur euren beschrittenen Pfad nach, Wände oder auch wichtige Objektem, wie Punkte zum Ressourcensammeln, müsst ihr manuell eintragen. Könnte vielleicht Spieler frustrieren, die den Rundum-Komfort aktueller Spiele gewohnt sind, aber ohne Frage macht dieses Feature einen Großteil des Charmes der Etrian-Odyssey-Reihe aus. Hat man das Stockwerk eines Dungeons komplett kartografiert, macht sich durchaus Stolz beim Spieler breit, da man wirklich sagen kann, es selbst geschafft zu haben, statt, wie in anderen Spielen, einfach bei einem Händler eine Karte gekauft zu haben.

Es ist das erste Mal, dass man ein Etrian Odyssey auch Neulingen empfehlen kann. Ein neuer Schwierigkeitsgrad und ein etwas einsteigerfreundlicher Spielstart machen die Reihe nun für jeden RPG-Fan zugänglich. Gleichzeitig haben die Entwickler es aber geschafft, ihrem Hardcore-Anspruch gerecht zu bleiben und den vielleicht bisher besten Teil der Reihe zu produzieren. Langzeitspielspaß ist garantiert, während man alle alten Stärken voll beibehalten hat und nur im Detail Verfeinerungen zu finden sind. Anspruchsvolle 3DS-Rollenspieler ohne Versagensängsten sollten zuschlagen, insbesondere auch, weil das 3DS-Debüt der erste Etrian-Odyssey-Titel seit dem ersten Teil ist, der es auf den hiesigen Kontinent geschafft hat. Wer weiß, wann man sonst wieder die Gelegenheit haben wird, diese spezielle RPG-Serie zu genießen? Haris

Etrian Odyssey IV: Legends of the Titan

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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RELEASE
30. August 2013
PLATTFORM
Nintendo 3DS
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