Papers, Please

(Artikel)
Joshua Peters, 17. September 2013

Papers, Please

Neulich an der arstotzkaschen Grenze

Papers, Please mag auf den ersten Blick nicht nach so viel aussehen. Es ist irgendwie pixelig, in trostlosen Farben gehalten und man vergleicht Zahlen sowie Bilder miteinander. Klingt nach einem einfachen Flash-Game. Prinzipiell ist es das auch. Trotzdem hat es das Spiel schon gleich auf meine Liste für GotY-Anwärter geschafft.

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In Papers, Please ist man ein Grenzbeamter. Man hockt Tag für Tag in seinem Grenzhäuschen und setzt einen von zwei Stempeln auf die Reisepässe der Menschen, die von Kolechia aus nach Arstotzka wollen: DENIED oder APPROVED. Klingt nach keiner besonders spannenden Arbeit? Man hat sie sich auch nicht ausgesucht. Die Arbeits-Lotterie hat diesen Posten für einen abgeworfen. Also zog man mit seiner Frau, seinem Sohn, seinem Onkel und seiner Schwiegermutter in eine Klasse-8-Wohnung, die einem von der Regierung zur Verfügung gestellt wurde. Was nicht heißt, dass man keine Miete zahlen muss.
Der Grenzposten ist aber auch noch nicht so lange offen. Er wird quasi ziemlich genau mit dem ersten Arbeitstag eröffnet. Arstotzka und Kolechia haben nämlich sechs Jahre lang einen Krieg miteinander geführt. Da dieser aber nun beigelegt wurde, kann man ja auch so langsam die Grenzen öffnen. Ganz langsam. Und jetzt steht man hier und entscheidet über Schicksale. Mal mehr und mal weniger stark. Am ersten Tag darf man nur Leute mit arstotzkaschen Pass durchlassen. Es versteht sich von selbst, dass das die Leutchen anderer Nationalitäten, die schon um die neun Stunden in der Schlange gewartet haben, um endlich mal wieder die Verwandtschaft besuchen zu können, nicht so erfreut. Am zweiten Tag werden die Auflagen allerdings schon verstärkt. Jeder darf rein, der einen gültigen Pass hat. Aber dabei bleibt es natürlich nicht. Jeden Tag, den man sein Grenzhäuschen betritt, warten neue Auflagen für die Einreise auf einen. Diese wirken aber nicht willkürlich, sondern sind immer Reaktionen auf innen- und außenpolitische Geschehnisse. Trotzdem ist das nicht nur verwirrend für einen selbst, der sich jeden Tag aufs neue mit irgendwelchen Regularien auseinandersetzen muss, sondern auch für die Reisenden, deren Dokument an dem einen Tag noch ausreicht zur Einreise und am nächsten Tag schon nicht mehr. Später muss man je nach Anlass der Einreise auf verschiedene Dinge achten, mehrere Dokumente miteinander vergleich, Siegel kontrollieren und gucken, ob irgendwo irgendwie irgendwas abweicht. Wir wollen ja auch schließlich keine illegalen Einwanderer, Schmuggler oder Terroristen in unserem großartigen Arstotzka. Außerdem werden einem Geldstrafen auferlegt, wenn man Leute trotz Unstimmigkeiten durchwinkt. Für jeden erfolgreich/richtig "Abgefertigten" gibt es dementsprechend Lohn.

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Was das Ganze interessant macht, ist das Zeitlimit. Wie es auch echte Arbeitstage an sich haben, enden sie irgendwann. Und am Ende des Tages muss man wirklich von all dem, was man verdient hat, Essen, Miete und Heizkosten bezahlen. Alles, was man nicht bezahlt, hat Einfluss auf die Familie. Die Familie ist zwar im Grunde nur eine Statistik, aber trotzdem ist sie das, wofür man arbeitet. Wenn man zum Beispiel keine Heizkosten zahlt, weil man das Geld nicht hat, wird der Familie kalt. Und sie werden krank. Also braucht man Medizin. Es entstehen durch das Sparen also noch mehr Kosten, die immer schwerer zu decken werden, wenn man erst einmal in diese Spirale reingeraten ist. Hinzu kommen dann auch noch mal Mieterhöhungen. Das nimmt einen ganz schön mit. Besonders, da die Familienmitglieder auch sterben können. Man muss also immer schneller die Leute am Schalter abfertigen, bei immer strikteren Regularien. Und da ist es manchmal viel leichter, Leute einfach abzuwimmeln und unnachsichtig zu handeln. Man muss schließlich an seine Familie denken. Da die Kontrollen immer schärfer werden, bekommt man später auch die Möglichkeit Leute inhaftieren zu lassen. Da kommt die Wache dann auch mal zu einem und erzählt von den Boni, die er für Verhaftungen bekommt, die er bereit wäre zu teilen, sollte man fleißig Leute in den Knast schicken. Ihr könnt euch denken, wozu das führt. "Oh, ihr Bild stimmt nicht überein. Das bedeutet wohl oder übel Knast, hm?"

Immer und immer wieder wird man auch vor moralische Entscheidungen gestellt. Zum Beispiel hat der Mann eines Ehepaares eine Einreiseerlaubnis, die Frau jedoch nicht. Außerdem erwartet sie in ihrem Land wohl der Tod. Nimmt man also eine Strafe in Kauf, um sie durchzulassen, oder schickt man sie weg? Auch kommt man des Öfteren mit einer Sekte in Kontakt, welche für ein vermeintlich besseres Arstotzka kämpft. Ich habe mich bei meinem Kontakt mit diesem "Orden", welchen ich unterstützen wollte, leicht blöd angestellt, wurde von meinen Nachbarn wegen Unregelmäßigeiten in meinem Einkommen gemeldet und wurde mitsamt meiner unschuldigen Familie verhaftet. Das ist eines von insgesamt 20 Enden im Spiel. Ja, mit einfachem Stempeln kann man genug Entscheidungen für 20 Enden treffen.

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Ich finde dieses Spiel faszinierend. Man hat zwei Stempel. Bekommt mit der Zeit immer mehr Hilfsmittel, aber eigentlich zählen nur diese beiden Stempel und all die Dokumente, die bei einem auf dem Tisch landen, zusammen mit ein paar Zeilen, die mit einem geredet werden. Trotzdem erzeugt das Spiel eine verdammt dichte Atmosphäre, erzählt eine fesselnde Story und versetzt einen innerhalb kürzester Zeit in die Schuhe dieses Grenzwärters. Die Mechaniken sind zwar einfach, aber auch einfach perfekt eingesetzt. Außerdem ist es prinzipiell simpel genug für jeden Spieler und Nicht-Spieler. Mehr ein Erlebnis als ein wirkliches Spiel und, verdammtnochmal, jeder sollte es meiner Meinung nach gespielt haben[/url]. Einfach, um mal zu sehen, was sich alles mit einem minimalistischen Spielprinzip anstellen lässt. Jozu

Papers, Please

(Ranking)
S
RANK
Herausragend. S-Spiele erweitern Horizonte. Sie bieten intensive Erlebnisse oder halten den Spieler noch lange am Bildschirm gefesselt. Selbst wenn man sie nicht jedem empfehlen kann, will man doch mit jedem über sie reden.

Kommentare

Rian
18. September 2013 um 11:44 Uhr (#1)
Dieses Spiel ist anstrengend. Aber einnehmend!
Gast
30. März 2024 um 09:55 Uhr
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RELEASE
08. August 2013
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Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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