Lufia 2: Rise of the Sinistrals

(Artikel)
Rian Voß, 29. Juli 2013

Lufia 2: Rise of the Sinistrals

Klassischer wird's nicht

Los! Hopp! Aufstehen! Die Welt retten! Irgendeiner muss es ja machen und heute bist du's! In Lufia 2: Rise of the Sinistrals passiert mehr oder weniger genau das: Maxim erscheint eine mysteriöse, grünhaarige Frau, die ihn vor der bösen Macht eines am Himmel erscheinenden Lichtes warnt. Wenn niemand was unternimmt, ist alles aus. Wer kann das abwenden? Natürlich das rothaarige Fecht-Naturtalent! Also geht's auf die Reise überall dorthin, wo schlimme Dinge passieren. Noch mal schnell die gefriendzonete Kindheitsfreundin eingepackt und los geht's.

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Wenn man Lufia 2 aus großer Distanz betrachtet, muss man sich schon wundern, wie es seinen Kultstatus unter Fans von JRPGs erlangt hat. Die Geschichte riecht nach absolutem Standardplot. Das Kampfsystem ist stupides Tastenhalten mit ab und an eingeschmissener Heilung, Buffs oder Elementarzaubern. Und rein grafisch fühlt man sich eher an Spiele der späteren RPG-Maker-Screenfun-Ära als an Augenschmäuse der letzten SNES-Jahre - wie Chrono Trigger, Tales of Phantasia oder Secret of Mana 2 - erinnert. Wie eine künstlerisch bedruckte Briefmarke gibt aber auch Lufia 2 seine Schönheit erst bei näherer Betrachtung preis.

So ist die Geschichte zwar kein Anwärter auf den großen Preis emotionaler Erlebnisse, aber die vorgestellten Charaktere verfügen über ihre eigenen kleinen Probleme, Motivationen und zwischenmenschlichen Interaktionen, die sie mühelos vor dem Ausgestopft-Wirken bewahren. Kleine Sprachdetails und Witze machen etwa den hirnlosen, aber überaus starken Dekar zu einem heroischen Helden, der aber gleichzeitig ziemlich schlechte Karten bei den Frauen hat. Kinderfreundin Tia und Kommandeurin Selan bilden ein angespanntes Liebesdreieck um unseren Protagonisten, welcher sich selbst mit Fragen seiner Kindheit konfrontiert sieht. Insgesamt flimmert immer mal wieder eine niedliche Menge Leben über den Bildschirm und selbst die Hauptgeschichte kann das eine oder andere unerwarteten Ereignis auftischen - selbst wenn die mysteriösen Hintergründe eine lange, lange Zeit benötigen, um erst einmal aus dem "Da sind die Bösen. Sie wollen die Welt zerstören. Mach' sie alle!"-Turnus herauszutreten.

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Die meiste Zeit befindet man sich aber nicht in durch dynamische Sprechblasen hübsch anzusehenden Cutscenes, sondern unter Tage: Im Dungeon! Und da heißt es in erster Linie: Kämpfen, kämpfen, kämpfen! Okay, das ist gelogen. Man muss in Dungeons so gut wie nie eine Schlacht schlagen, denn Feinde laufen, wie man selbst, einfach so herum und schon zu Spielbeginn bekommt man ein Item, um Gegner zu betäuben, so dass man sie einfach umgehen kann. Das ist insofern sinnvoll, dass man sich rollenspielgerecht auch gerne mal an der Oberwelt zum Grinden von Leveln oder Geld ein stilles Fleckchen sucht und dort die Monster abgrast, so dass man im eigentlichen Storydungeon schon fast keine Lust mehr auf die blöden Kämpfe hat.
Nichtsdestotrotz kommt man um Kämpfe nicht herum - nicht nur, weil feige Spieler chronisch unterlevelt sind, sondern weil es nur hier Geld abzustauben gibt, mit dem man in den vielen Shops der Welt die stolzen Preise frischer Ausrüstung bezahlen kann.

Berührt man ein Monster, geht die niemals langweilig werdende Kampfmusik - nur ein Auszug aus einem schön zusammengestellten Soundtrack - los und es präsentiert sich die Kampfansicht: Spieler im Vordergrund, Gegner hinten. Dann werden aus Menüs für jede Figur Aktionen ausgewählt. Kloppen ist gratis, Magie kostet Mana und dann gibt es noch das IP-System. Während man schon mit Magie und dem Mana-Haushalt gut zurecht kommt (welche Bastarde machen überhaupt Rollenspiele mit Magiern, die nach drei mal zaubern nutzlos sind, und limitieren dann Magietränke?) und man sich Magie, wie Ausrüstung auch, in Shops kaufen und vielen magisch begabten Charakteren einfach so zuweisen kann, sind IP-Fähigkeiten an bestimmte Ausrüstungsgegenstände gebunden. So kann etwa ein Helm einen fortgeschrittenen Zauber besitzen, der alle Partymitglieder heilt, oder ein Schwert verfügt über einen starken Eisangriff. Diese Spezialmanöver bezahlt man mit IP-Punkten, die sich durch eingesteckte Treffer aufladen - also ähnlich dem Limit Break aus dem späteren Final Fantasy 7. Zusätzlich sind sieben sogenannte Capsule Monsters über die Welt verstreut, von denen man immer jeweils eins seiner aktiven Party als computergesteuerten Mitstreiter zuweisen kann. Die niedlichen Biester leveln bei Einsatz fleißig mit und können durch das ausgiebige Füttern mit Gegenständen in höhere Evolutionsstufen gezerrt werden.

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Aber trotz der guten Vielfalt an Kampfmöglichkeiten freut man sich letztendlich doch über eine Sache: Den Auto-Angriff-Knopf. Denn manchmal gibt es doch so Phasen, in denen die Kämpfe wie von selbst laufen, man braucht das Geld (oder die EXP) und man muss eigentlich gar nicht so wirklich auf den Bildschirm gucken, um weiter zu kommen. Spätestens auf der Hälfte des Spiels wird man dann auch langsam die Areale optisch leid, denn da muss man durch Turm und Turm und Turm und Schrein und Turm und Schrein...

Puncto Bequemlichkeiten fehlt eigentlich nur ein Ding zur Perfektion: eine Buyback-Funktion in den Shops (falls man mal aus Versehen seinen guten Kram anstelle des Ramschs verkauft hat) und dass Ausrüstung von Charakteren, die die Party verlassen, selbstständig ins Inventar zurückwandert. Die nehmen natürlich immer das beste Zeug mit und man erwartet ja nie, dass irgendjemand tatsächlich mal gehen sollte. Ansonsten gibt es relativ früh im Spiel Schnellreise-Optionen zwischen bekannten Orten auf der Weltkarte, zum schnellen Verlassen eines Dungeons, eine sehr intuitive Menüführung, die Möglichkeit, eine beliebige Anzahl von Feinden oder Verbündeten mit fast allen Zaubern anzuvisieren, und mehr. Außerdem ist das Schritttempo der Party angenehm zügig und Kämpfe ziehen sich durch schnelles Abrattern von Bildschirmanzeigen und Animationen nicht unnötig in die Länge. Hier haben die Entwickler lange die besten Features damaliger Rollenspiele studiert und weise verbaut.

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Das letzte Standbein sind die Puzzles. Die Dungeons sind vollgepflastert mit Schiebe- und Logikrätseln. Hier muss man Steine in Pfeilform zusammenschieben, dort eine Uhr verstellen, dann Geräusche nachahmen, nach dem Reversi-Prinzip die Farben von Steinen ändern und vieles mehr. Maxim werden auch nach und nach Gadgets, wie etwa ein Enterhaken zum Überqueren von Schluchten oder Brandpfeile, an die Hand gegeben, die man öfter mal kreativ einsetzen muss, um durch die weitläufigen Verliese zu kommen. In diesem Punkt glänzt Lufia 2 am meisten und läuft auch ganz schnell mal den klassischen Zelda-Teilen in Sachen Herausforderung und Originalität den Rang ab.
Auch das Leveldesign ist nicht von schlechten Eltern: ständig zweigen Pfade voneinander ab und man fragt sich, welcher der richtige Weg (also der, der zuerst in eine mit Schätzen besetzte Sackgasse führt) sei, aber wenn man mit einigermaßen offenen Augen durch die Gegend läuft, kommt man gar nicht wirklich drum herum, einmal wirklich den gesamten Flur abzugrasen. Und da man Gegner beliebig betäuben kann, tut es auch nicht weh, einmal in einen alten Raum zurück zu latschen.

Wer mit der ausdauernden Hauptstory und vielen, vielen Dungeons noch nicht auskommt, kann sich zusätzlich an das berühmtberüchtigte Ancient Cave trauen. Hier warten 99 Ebenen auf den erfahrenen Abenteurer. Der Clou? Am Eingang werden alle erarbeiteten Level und Ausrüstungsteile abgegeben. Hier, nimm 10 Tränke. Viel Spaß.
Von daher muss man sich zuerst einmal in diesem eingepflegten Roguelike-Minispiel, welches einen gut mal 50 Stunden kosten kann, darauf einstellen, dass man flott stirbt und wieder an den Anfang zurück muss. In den zufällig arrangierten Leveln vom Ancient Cave gibt es allerdings immer mal wieder besondere Truhen, deren Inhalte man mit jedem neuen Durchgang ins Cave hineinschmuggeln darf, von daher muss man nicht immer wieder ganz von vorne starten.

Lufia 2: Rise of the Sinistrals versetzt keine Horizonte, aber wenn man Lust auf das wohl grundsolideste klassische, japanische Rollenspiel hat, dann ist Lufia 2 genau das Richtige: Gute Musik, nette Charaktere, nettes Kampfsystem, hervorragende Puzzles und ein paar durchdachte Features oben drauf. Rian

Lufia 2: Rise of the Sinistrals

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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RELEASE
31. August 1996
PLATTFORM
Super Nintendo
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