Titanfall

(Artikel)
Haris Odobašic, 03. Juli 2013

Titanfall

Der Standard für die neue Generation?

Es war das Ende einer mit Spielevorstellungen nur so vollgepackten Konferenz, doch natürlich ist am Ende nicht automatisch auch Schluss. Traditionell wartet der erfahrene Zuschauer schon auf den "one more thing"-Moment. Doch was sollte Microsoft noch zeigen? Ein Halo-Teaser war über die Leinwand geflimmert und selbst das mysteriöse Megaprojekt bei den Black Tusk Studios bekam ein ziemlich nichtssagendes Filmchen spendiert. Doch ehe ich noch daran zurückdenken konnte, dass die Woche zuvor irgendein Cover eines Spielemagazins geleaked war, flimmerte schon der Trailer zu Titanfall über den Bildschirm:


Zu meiner Scham muss ich zugeben, dass ich mir als routinierter Spieleredakteur nicht ein hörbares Wow! als erste Reaktion verkneifen konnte. Titanfall hatte mich weggehauen, und ehe ich überhaupt unter der Gänsehaut meine Gedanken sortieren konnte, wurde es live vorgespielt, wie um den letzten Funken Skepsis, der sich wacker wehrte, endgültig mit der Wucht einer Zwei-Meter-Welle an der thailändischen Küste zum Erlöschen zu bringen. Dabei war Titanfall nicht mal das hübscheste Spiel, das an dem oder den darauffolgenden Tagen präsentiert wurde. Eine modifizierte Variante der Source-Engine zeigt zwar, wie viele Muskeln in dem alten Körper stecken, aber vergleicht man es mit Prachtstücken wie Watch Dogs oder The Division, gähnt man einfach nur müde. Und doch hatte es allen eines voraus: es schrie als einziges laut hörbar danach, dass wir es hier mit der nächsten Generation zu tun haben.

Denn seien wir mal ehrlich: wenn Generationssprünge anfangen sich nur noch dadurch zu definieren, dass der Prozesser schneller rast oder der Grafikspeicher größer geworden ist, wird auch der Spielraum kleiner, in dem man was Neues zeigen kann ohne einfach nur ein pures Grafikupdate zu sein. Und davon sah man ja viele: Destiny, das Spiel, worauf ich mich aus Fanboy-Gründen am meisten freue, hat was von einem hübscheren Borderlands, andere, weniger ambitioniertere Titel, wie das neue Killzone oder Ryse, machen es noch schwerer eine Begründung abseits der höheren Polygon-Zahl dafür zu finden, wieso sie "next-gen" sind. Wenige Spiele, Metal Gear Solid V oder Watch Dogs, lassen hier und da mal durchblitzen, dass eine Version für schwächere Hardware wohl auch Abstriche abseits der grafischen Qualität mit sich bringen würde.
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Titanfall hat dieses Problem nicht und das Stichwort dafür ist die Cloud. Microsoft konnte zur E3 gar nicht aufhören davon zu reden, wie begeistert sie von der Cloud sind, dass sie am liebsten gleich ihre ganzen Kunden mitsamt ihres Besitzes dort hineinverfrachtet hätten. Zum krönenden Abschluss hat man dann bei MS sogar den Xbox-Chef Don Mattrick in die Wolken geschossen, auch wenn ihn Zynga dort wieder herausgepflückt hat. Also sagt nicht, dass die Cloud nie was für euch getan hat! Doch was wird sie für euch in Titanfall machen?

Um es kurz zu sagen: etwas, was unter bisherigen Umständen nicht möglich gewesen wäre. So populiert Titanfall neben den echten Spielercharakteren die Welt noch mit dutzenden von KI-Kameraden, die alle natürlich entsprechend agieren. In einem traditionellen Multiplayer-Umfeld wäre das ein massiver Aufwand, da man quasi auf jeder Maschine individuell berechnen müsste, wo sich diese Computer-Kameraden befinden, was sie gerade machen, wie sie reagieren, wie viel Energie sie haben und noch viel mehr. Und dann müsste das alles noch zeitnah synchronisiert werden. Bei einem großen Multiplayer-Match mit 20, 30 Teilnehmern wäre das nur noch schwer realisierbar. Es wäre sogar ziemlich töricht, jede Konsole die gleichen Berechnungen immer wieder durchführen zu lassen, doch auf der Xbox One werden all diese Berechnungen zentral einmal in der Cloud vorgenommen. Die Konsole ist entlastet und kann sich darauf konzentrieren, hübsche Spiele zu präsentieren. Diese Berechnungspower kann auch genutzt werden, um beispielsweise Physik zu kalkulieren, oder quasi alles, was nicht unmittelbar für den Spieler relevant ist und das Spielerlebnis nicht zerstört, wenn eine Verzögerung im Millisekunden-Bereich existiert. Durch die Cloud hat man einerseits einen dedizierten Server zur Verfügung -- und damit keinen Frust mehr, weil der Host herumlaggt oder das Spiel spontan verlässt -- aber andererseits auch einen realen Effekt für so ziemlich alle Spiele, die diese Möglichkeiten ausnutzen.

Doch Titanfall ist nicht nur das Vorzeigeexemplar dafür, wie Microsofts Cloud-Anbindung Spiele besser machen soll, es geht auch sonst eher unkonventionelle Wege für einen Konsolenshooter. Bewegungsfreiheit ist wichtig und so ist eine gewisse Vertikalität integraler Bestandteil. Eure Charaktere können per Jetpack Doppelsprünge ausführen oder Wände entlanglaufen, das Terrain soll nicht mit "unerreichbaren" Arealen abgeschnitten werden.
Die Struktur des Spiels ist zwar klar auf Multiplayer fixiert, soll aber ein gewisses Singleplayer-Feeling haben, eben durch Computergegner, aber auch, weil es für Gefechte Intros und Outros gibt, Missionsziele und Dialoge im Spiel.
Schlussendlich spielen auch die namensgebenden Titans eine große Rolle - mächtige Mechs, die vom Himmel fallen und dem ersten, der sie erreicht, gehören und entsprechend viel Vernichtungskraft verleihen.
Und das alles mixt es mit Einsteigerfreundlichkeit. Denn die ganzen KI-Gegner, die dank der Cloud durch eure Pfade wuseln? Popcorn nennen die Entwickler sie, da sie vergleichsweise einfach sterben. So hat man selbst als Neuling früh große Erfolgserlebnis, weil man was tötet und gleichzeitig selbst nicht alle drei Sekunden ins Gras beißt.
titanfall

Bullshit Watch: Ist Cloud Computing das neue Blast Processing? Microsoft hat die Macht ihrer Cloud so hochgelobt, dass es interessant sein zu wird, wie viel schlechter die Xbox-360-Version von Titanfall ist. Ich rechne mit großen Abstrichen, insbesondere bei KI-Gegnern, aber wenn die Version am Ende doch der X1-Version sehr ähnlich sein sollte, kann man Cloud Computing wohl unter Marketinggeschwätz abtun.
Hinter den Entwicklern, Respawn Entertainment, steckt das Entwicklerduo, welches damals Call of Duty zum König der FPS machte und mit Call of Duty 4: Modern Warfare nicht nur eines der besten Spiele dieser Generation produzierte, sondern einen Titel, der den Online-Multiplayer nachhaltig veränderte. Selbst ein Halo konnte am Ende nicht anders und musste nachziehen. Diesen Leuten wäre es zuzutrauen, dass sie mit Titanfall nun den Standard setzen, an dem sich jedes Spiel mit Ansprüchen für die nächste Generation, messen muss.

Die Reaktionen bisher sprechen sehr für das Spiel. Die Game Critics Awards, ein Zusammenschluss quasi aller wichtiger Videospielmedien im englischsprachigen Raum, die jedes Jahr Awards für die besten Spiele der E3 verleihen, quasi eine Art Gamer-Oscar, waren so begeistert, dass sie Titanfall in jeder denkbaren Kategorie zum Sieger erklärten: [b]bestes Konsolen- und PC-Spiel, bester neuer Titel, bestes Action- und Mehrspielerspiel und natürlich bestes Produkt der E3. Das ist in der 15-jährigen Geschichte dieses Awards absoluter Rekord: letztes Jahr hatte The Last of Us schon in fünf Kategorien abgesahnt und damit den neuen Rekord gesetzt. Es fällt wirklich schwer zu sehen, was bei Titanfall wirklich noch schief laufen soll, weswegen 2014, dann erscheint der Titel, nicht früh genug kommen kann. Eine Version für Xbox One, Xbox 360 und PC ist geplant, während weitere Plattformen nicht ausgeschlossen wurden - aber frühestens nach Release. Haris

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23. April 2024 um 16:34 Uhr
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13. März 2014
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
Xbox 360
Plattform
Xbox One
Plattform - Nachfolger der Xbox 360 von Microsoft. Angekündigt am 21. Mai 2013, ist die Heimkonsole am 22. November 2013 in Deutschland und weiten teilen Eruopas erschienen.

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