The Last of Us

(Artikel)
Rian Voß, 11. Juni 2013

The Last of Us

Der alte Mann und das Mädchen

Naughty Dog hat schon lange seinen Wohlfühlbereich gefunden: Unter bunten Heldenmotiven kämpft die Zielgruppe jugendlicher Spieler in Crash Bandicoot, Jak & Daxter oder Uncharted für ihr Happy End. Drollige Charaktere, lose Sprüche und massenweise Action. Mit The Last of Us werden unvertraute Gewässer betreten: Ein verzweifelter Kampf ums Überleben, bedachtes Vorgehen und eine Welt in Grauschattierungen. Mit der Geschichte eines alten Mannes, eines Mädchens und einer Reise ins Ungewisse folgt das Studio einem aktuellen Trend, vollwertige Spiele für ein erwachsenes Publikum zu schaffen. Dadurch distanziert es sich nicht nur stark von seinem bisherigen Kurs, sondern könnte bei kritischem und finanziellem Erfolg auch einen entscheidenden Einfluss auf zukünftige Produktionen anderer Entwickler haben.

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The Longest Journey
Joel ist ein Schmuggler, der zwanzig Jahre nach dem Ausbruch einer globalen Seuche in der Quarantänezone von Boston sein Möglichstes tut, um zu überleben. Er schmuggelt mit seiner Partnerin Tess Waffen, Drogen und andere annehmliche Unannehmlichkeiten in die Zone und wieder aus ihr heraus. Dabei führen ihn die vor den Augen des Militärs versteckten Pfade auch durch Tunnel voller "Infizierter" - Menschen, die in Kontakt mit einem Pilz gekommen sind, der sich über das Hirn ausbreitet und die Körperfunktionen an sich reißt. Dieser tödliche Fungus überträgt sich durch dichte Sporenwolken in der Luft oder auch durch Bisse aggressiver Infizi--- Ja, okay, es sind Zombies. Aber sehr eklige Zombies, denn ihnen wachsen Pilze aus dem Gesicht! Natürlich ist die Ausgangslage nach heutigen Standards lange breitgetreten, bietet hier aber ein solides Fundament für die Dinge, die da kommen werden. Und ganz im ernst: Die Infizierten sind richtig eklig.
Tess und Joel bekommen eines Tages einen Auftrag der verzweifelten Anführerin der Fireflies - einer Organisation von Widerstandskämpfern, Terroristen und Wissenschaftlern: Sie sollen das 14-jährige Mädchen Ellie zu einem Versteck außerhalb der Quarantänezone bringen; als Belohnung winkt ein riesiger Haufen Waffen, die es im Anschluss nur noch zu versetzen gilt. Miesepeter Joel ist nicht überzeugt, Ellie fängt auch sofort an, ihrem Unmut lautstark Luft zu machen, aber Tess sieht keine andere Wahl. Letztendlich beginnen die drei ihren Exodus.

Im Übrigen fußt die Pilzkrankheit in der Realität, denn der Cordyceps-Fungus ist dafür bekannt, infizierte Ameisen und andere Insekten zu übernehmen und ganze Kolonien auszurotten.
Natürlich wird dieser Plan nie wie geplant laufen. Leider sind die "überraschenden" Wendungen insbesondere im "Sommer", dem ersten Teil des Spiels, für Connaisseure aktuellerer Dystopiefilme erschreckend vorhersehbar. Glücklicherweise weiß das Spiel in den restlichen drei Jahreszeiten seinen eigenen Weg zu gehen und erholt sich von dem mäßigen Auftakt, bei dem man den nächsten Handlungspunkt noch munter mitraten kann, mit für Videospiele ungewohntem Realismus, nüchterner Grausamkeit, Schimmern von Hoffnung und unerwarteten Charakterzügen.

Gesinnung und Generationen
Die Handlung steigt und fällt mit dem Wechselspiel der Charaktere, vor allem der Protagonisten. Joel, der viele Dämonen mit sich herumschleppt, ist schon seit einer langen Zeit jenseits von gut und böse. Nicht nur seine Haare sind in den zwanzig Jahren seit dem Ausbruch der Seuche ergraut, sondern auch seine moralische Einstellung. Andeutungen vergangener Missetaten klingen in Gesprächen immer mit - so durchschaut er einen gestellten Hinterhalt nur, weil er selbst schon welche durchgezogen hat. Ellie ist von diesen Geständnissen nicht großartig überrascht. Sie kommt mit vielen schrecklichen Situationen erstaunlich gut klar und es ist ihr egal, ob Joel ein guter Mensch ist. Sie wirkt mit ihren 14 Jahren und schneller Anpassungsfähigkeit sehr erwachsen. Zu dem Zeitpunkt, an dem sie Joel und Tess begegnet, ist sie schon längst kein unbeschriebenes Blatt mehr - nicht zuletzt bildgeworden dadurch, dass sie wie ein Seemann schimpft. Diese augenscheinliche Stärke enthüllt aber die eigentliche Tragik, denn Ellies Kindheit ist unwiederbringlich vorbeigezogen, ohne dass sie jemals Kind sein durfte. Und selbst einem so aufgeklärtem Knirps, der sich persönlich für vollkommen abgebrüht hält, können immer noch schlimme Dinge zustoßen, die seine Welt ins Wanken bringen.
Getragen wird die Schwere emotionaler Momente vom Animationsteam und den Darstellern, die dem Spieler einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt und Vergangenheit der Charaktere jenseits des Gesagten geben. Was nicht heißt, dass die Synchronsprecher faulenzen: Joel, der grummelige Zyniker, wird im englischen Original von Szene-Berühmtheit Troy Baker vertont, während Ellies große Klappe von der Schauspielerin und Cartoon-Synchronsprecherin Ashley Johnson kommt. Alle engagierten Stimmtalente sind hochkarätig und verleihen den Figuren eine zusätzliche Dimension.

tlou-02OH GOTT, HNNNG!

Nolan North hat seit Uncharted große Bekanntheit als Stimme von Hauptcharakter Nathan Drake erlangt. Seitdem kann man ihn in fast jedem Videospiel zumindest in einer Neben- oder Statistenrolle heraushören. Baker steht North in Sachen Verbreitung in nichts nach und ich hege schon lange die Vermutung, dass die beiden heimlich miteinander verwandt sind.
Weitere Darsteller
Bis die Protagonisten aber erst einmal miteinander warm werden und tatsächlich gehaltvolle Dialoge führen, vergeht eine Weile. Joels Kommunikation besteht anfänglich nur aus in gefährlichen Situationen hastig gebellten Befehlen und Ellies Erwiderungen aus kessen, mit Flüchen gespickten Kommentaren. Die Figuren sind eher passiv und reagieren nur auf Ereignisse, sodass sich wegen der geringen Entscheidungsfreiheit in dieser Zweckgemeinschaft eine Charakterentwicklung eine ganze Weile hinauszögert. Stattdessen kommen einstweilen Herz und Gefühle von zusätzlichen Begleitern, die den Weg des kleinen Gespanns kreuzen. Diese Figuren haben immer einen ganz eigenen Charme, persönliche Tragödien hinter sich, und ihre Gründe, warum sie den beiden helfen wollen - manch einer schuldet Joel noch einen Gefallen, andere haben dasselbe Reiseziel.
Die Zeit, die sich The Last of Us zum Auftauen der Protagonisten nimmt, kann es sich leisten. Das Tempo ist bewusst langsam gehalten und bringt eine Spielzeit von etwas über 15 Stunden mit sich. Schwere emotionale Geschütze bleiben zwar auch im späteren Teil des Spiels selten, aber durch die Zurückhaltung packen einen diese Momente, wenn sie denn kommen, umso mehr.

Survival um jeden Preis
Bis dahin muss man aber erst einmal überleben. Der Survival-Aspekt wird hier sehr groß geschrieben und unterstützt das Leitthema: "Mit allen Mitteln!" Munition ist ein rares Gut und in einer schwer geplünderten Welt kann man nicht damit rechnen, in regelmäßigen Abständen über prall gefüllte Ärztekoffer zu stolpern. Um trotzdem die Begegnungen mit den Infizierten sowie menschlichen Banditen und Soldaten zu überstehen, benötigt es Vorbereitung und Geschick. Ein intuitives Deckungs- und Schleichsystem erlaubt es Joel, sich an seinen Feinden vorbeizustehlen oder sie von hinten zu überraschen. Joels KI-Begleiter werden dabei von Feinden vollständig ignoriert, um dem Spieler keine unnötigen Scherereien zu bereiten. Allerdings können sie in seltenen Fällen auch irritieren, etwa wenn die Partner im Weg herumstehen oder man ihnen unüberlegt hinterher zuckelt, obwohl die Luft bei weitem nicht rein ist.
Herumliegende Flaschen und Backsteine können geworfen werden, um Ablenkungen zu erschaffen. Reaktionen darauf sind von dem Typ der Gegner abhängig: Menschen untersuchen die Geräuschstelle vorsichtig, rufen ihren Partnern zu und weichen danach stark von ihren einst vorprogrammierten Routen ab. Die Infizierten reagieren da aufgebrachter und sprinten sofort los, offenbaren aber auch eigene Facetten. So teilen sie sich in sogenannte Runner, Clicker und Bloater auf. Runner sind die typischen Zombies: frisch infizierte Menschen. Clicker sind Verseuchte, die schon eine ganze Weile den Pilz im Kopf mit sich herumtragen, und der ihnen inzwischen zum Gesicht herausgewachsen ist. Das ist nicht nur eklig, sondern die Dinger sind deswegen auch erblindet, können sich aber mit einem verstörenden Klick-Geräusch orientieren und springen auf die kleinsten Geräusche an. Und sie können Joel sofort und ohne Gegenwehr töten, sobald er in Reichweite kommt. Bloater sind dann noch mal eine größere Version der Clicker, mit denen man sich einfach mal gar nicht mehr anlegen möchte.
Schleichprofis werden sich denken: "Pff, ich leg' die alle um!" Schließlich hilft beim Orten von Feinden Joels spitzfindiges Gehör, welches dem Spieler ermöglicht, lärmende Gegner durch Wände zu "sehen". Meistens funktioniert diese Mechanik sehr gut und zeigt durch subtile, weiße Schimmer auch Feinde jenseits des Bildschirmrandes an - nur manchmal scheint noch der eine oder andere Bug überlebt zu haben, wenn nahe Infizierte grundlos nicht angezeigt werden. Trotz der unfairen Hilfestellung ist es bewusst nicht so einfach, einen Feind nach dem anderen wegzupicken, da man sie zum einen nicht einfach per Knopfdruck unbemerkt hinter Ecken zerren kann, zum anderen da das leise Töten eines Gegners mit einer Entscheidung verbunden ist: Opfere ich eines meiner wenigen Messer, oder erdrossele ich sie langsam und riskiere, bemerkt zu werden? Bei Clickern kann man sich das nicht einmal aussuchen, hier muss man in jedem Fall einen Dolch verbrauchen. Und da sich Körper, wenn sie erst einmal den Boden berühren, nicht mehr verstecken lassen, will jeder Mord wohlüberlegt sein. Oftmals ist es lohnender, gar nicht erst zur Gewalt zu greifen und stattdessen ungesehen den Ausgang anzusteuern.

tlou-03Grausamkeiten sind unvermeidbar: Es dauert mehrere Sekunden, bis erstickende Gegner endlich in sich zusammensacken.

"Wo war noch gleich das Jagdgewehr..."
Sollte das Gesneake doch einmal schief gehen, kann man immer noch auf ein stets wachsendes Arsenal an spärlich munitionierten, upgrade-fähigen Schießeisen zurückgreifen. Die Schussmechanik funktioniert - wie man es nach drei Uncharted-Teilen auf der PS3 erwarten sollte - sehr gut, kann aber auch nicht mehr überraschen. Drei Besonderheiten sind aber doch noch verflochten: 1. Fehlende Munition, klar. 2. Jeder Treffer tut richtig weh, denn Joel sackt nach dem Fangen einer Kugel auch mal kurz betäubt in sich zusammen. 3. Die meisten Waffen befinden sich nicht in gut erreichbaren Position an Joels Gürtel, sondern in seinem Rucksack verkramt. Anfänglich kann er nur eine große und eine kleine Waffe im Anschlag haben. Sind die leer oder hat man sich schlecht auf die Begegnung vorbereitet - etwa wenn die Shotgun noch selig in der Tasche schlummert, während die Zombies kreischend auf einen zulaufen -, dann muss Joel erst den Rucksack von den Schultern nehmen und langwierig herumtauschen. Das sind in den meisten Fällen kostbare Sekunden, die zwischen Leben und Tod entscheiden können und die den Vorbereitungsaspekt verstärken.
Leider machen gerade menschliche Gegner ab und an einen Strich durch die Rechnung des rhythmischen Spielablaufs, denn manchmal ist die KI einfach nur dämlich. Zwar können die Herren auf der anderen Seite des Schützengrabens durchaus selbst die Flucht ergreifen und Verstärkung holen, manchmal laufen sie aber auch nur im Kreis herum, sind einfach schwerhörig und wehren sich gegen noch so polternde Anlock-Versuche oder stürmen viel zu wagemutig unsere Deckung, um im Nahkampf ihr Leben für ihre Gefährten zu geben. Man wird wohl nie erfahren, warum es die Männer mit den Brandbomben alle naslang hysterisch in die Arme unserer Feueraxt treibt.

Vorbereitung ist alles
Der spielerische Start von The Last of Us ist zwar auf einem Horror-Level recht spannend, fühlt sich aber wegen nur eingeschränkter Möglichkeiten und in Zusammenarbeit mit dem nur allmählich Fahrt aufnehmenden Plot sehr langsam und wie eine zu lang gestreckte Tutorial-Sektion an. Im Wechsel durchschleicht man einen Raum voller Infizierter, dann wieder einen mit Banditen, dann wieder einen mit Infizierten. Das führt bald zu einer gewissen Eintönigkeit. Das ist dann, wie sich drei Tage am Stück nur von Bacon zu ernähren: Es hört nicht auf, lecker zu sein, aber ein bisschen Abwechslung könnte man doch mal haben. Mit der Zeit wandelt sich The Last of Us jedoch und nimmt taktvollen Abstand vom puren Schleichen. Um späterhin Vorräte, und auch das eigene Leben, zu schonen, tritt die Vorbereitung von Hilfsmitteln und die ständige Entwicklung eines Plan B in den Vordergrund. Joel lernt nach und nach, wie man aus Haushaltsmaterialien - etwa Klingen oder Alkohol - Medikits, Messer, kleine Näherungsbomben und die überaus nützlichen Molotov-Cocktails basteln kann. Wo man am Anfang noch bei jedem umherstreifenden Clicker schwitzend in einer Ecke hockt und darum betet, dass er weiterzieht, hat man später genug Übung, um auch aus den öfter vorkommenden, heiklen Momenten zu entfliehen oder sie zu seinem Vorteil zu nutzen. Gestellte Fallen oder Täuschungsmanöver, mit denen man Gegner von einem schwer bewachten Durchgang weglockt, gehören genau so ins Arsenal des cleveren Spielers wie die weiterhin unverzichtbaren Backsteine und leeren Flaschen. Gerade wenn Vorräte knapp sind, bewahrheitet sich das alte Sprichwort: Not macht erfinderisch.

tlou-04Molotov-Cocktails sind schnell zusammengemixt und vielseitig einsetzbar.

Langsam planen, schnell schalten
Die reine Horrorkomponente schwächt, nicht zuletzt wegen des Level-Systems, mit dem man Joels Fertigkeiten schärfen kann, immer mehr ab, nimmt gerade den furchtbaren Clickern ihren Biss, und macht den Weg frei für kreatives Denken in sich öffnenden Gebieten bei ständig steigenden Gegnermassen. Gute Vorbereitung nimmt einen höheren Stellenwert ein und wer artig seine Umgebung nach Ressourcen sondiert und improvisationsfähig ist, kann auch übellaufende Lebenslagen zum Besseren wenden - es ist fast noch schöner, wenn der Katastrophenplan mit ein wenig Glück klappt, anstatt dass man langweilig immer seine Schleich-Choreographie abzieht. In diesen Momenten, wenn alles gegen die Wand fährt, merkt man erst das Genie von Naughty Dog, chaotische Situationen spannend und spaßig zu machen, während die nahezu ineinander fließenden Problemlösungsmöglichkeiten kaum einen Encounter so werden lassen wie den letzten.

100% Bildschirm
Getoppt wird die Spannung nur noch durch gescriptete Spezialsequenzen, die nahtlos und meisterlich ins Gameplay eingeflochten werden. Ein plotbedingt verletzter Joel muss sich etwa mit nur mäßigem Erfolg gegen einen herannahenden Marodeur wehren, der ihn aus einer Shotgun ballernd hinter einem Tresen festnagelt, während Ellie versucht, den Mistkerl zu flankieren. Zum abgepassten Zeitpunkt der Ablenkung drückt der Spieler dann ganz von selbst die richtigen Knöpfe und rettet den beiden Protagonisten die Haut. An anderer Stelle gerät Joel in eine Schlingfalle und hängt kopfüber an der Decke. Während Ellie versucht, ihn zu befreien, muss der alte Mann natürlich weiterhin den Schutzengel spielen und Infizierte sowie Plünderer abschießen. Die Illusion wird dadurch aufrecht erhalten, dass eine Bildschirmanzeige mit Informationen über Leben und Munitionsstand nur in Kampfsituationen auftaucht - ansonsten bleibt der Screen frei von allen störenden Elementen. Nur manchmal übertreibt es das Studio mit den vorgeschriebenen Ereignissen und lässt einen Blick hinter den Vorhang zu: Etwa wenn das Spiel es vorsieht, dass eine Schleichaktion schiefgehen soll und deswegen immer neue Gegner nachgespawnt werden, bis man endlich entdeckt wird. Eine ähnliche Situation ergibt sich, wenn man erfolgreich an einem Panzerwagen vorbeischleicht, von dem man aber bemerkt werden soll, um die tolle Panzerwagen-Verfolgungsjagd auszulösen. Aber auch das sind nur minimale Fehltritte, von denen jeder Spieler während seiner Kampagne wohl höchstens ein oder zwei zu Gesicht bekommen wird - falls überhaupt.

tlou-01Beklemmende, abgedunkelte Gänge werden von sich öffnenden Außenarealen abgelöst.

Die Flaute
Leider ist trotz der gelungenen cineastischen Einlagen der Weg zum mit Abstand besten Teil des Spiels etwas rau. Die reine Horrorphase des Spiels kann man für ihren Purismus genießen. Die zweite Hälfte für seine Kreativität. Dazwischen befindet sich eine nicht ganz reine, wenn auch notwendige Metamorphose, in der Joel immer stärker wird, während die Herausforderungen dieselben bleiben. Insbesondere wenn neue Waffenhalfter ins Spiel kommen, die den schnellen Zugriff auf mehr Knarren erlauben, während noch nicht genug neues Gerät gefunden wurde, wird die durchdachte Ausrüstungsbeschränkung durch den Rucksack zeitweise aufgehoben. Auch kann man sich immer mal wieder über einen totalen Vorräte-Überschuss freuen: Dann quillt das Gepäck nur so vor Bomben und Molotovs über und man muss schon händeringend nach Gründen suchen, den einst so erschreckenden Infizierten nicht einfach im offenen Kampf einzuheizen. Aber keine Angst: Man macht sich wieder früh genug in die Hose, wenn die fetten Bloater plötzlich die dunklen Gänge abwandern. Insofern vielleicht doch Angst?

Plündern in freier Wildbahn
Hat man genug nervenaufreibende Begegnungen hinter sich gebracht, wird man nicht mit stundenlangen Cutscenes belohnt, sondern mit etwas weitaus Organischerem: verlassenen Häusern. Diese Umgebungen sind häufig Orte, wo man ein wenig nach Luft schnappen kann, wo sich die erschöpften Vorräte mit einigem Suchen wieder auffüllen lassen, und wo man seine Begleiter hin und wieder optional in ulkige oder ernsthafte Unterhaltungen verwickeln kann. Man findet Nachrichten und Tagebucheinträge der Leute, die vorher dort lebten, und bekommt ein Gespür dafür, dass man letztendlich doch nur ein armes Schwein unter vielen ist, wenn man davon liest, dass die Freunde eines unfreiwilligen Banditen exekutiert wurden, nur weil sie keine Familien für Essen oder Wertgegenstände töten wollten. Nicht zuletzt sind es auch die Momente, in denen man die wundervolle Grafik voll auskosten kann: Riesige Stadtpanoramas, zerbombt von den Versuchen, die Infizierten in der Nähe der Quarantänezonen auszurotten. Überwucherte Vorstädte, verwilderte Zoo-Affen in einer vereinsamten Universität, zugeschneite Wälder, eine Armada gekenterter Touri-Tretboote. Hier weiß man erst zu schätzen, dass nie ein Wegmarker nachdringlich den nächsten Zielpunkt anzeigt und der Spieler höchstens durch das vortreffliche Leveldesign sachte bei der Hand genommen wird. Wer die Augen nicht schließt, hat viel zu gucken, kann sein eigenes Tempo bestimmen und wird zudem noch vom Soundtrack des Filmkomponisten Gustavo Santaolalla umschmeichelt.

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The Last of Us ist ein Zug, der langsam Fahrt aufnimmt und später unaufhaltsam wird. Der schmerzlichste Teil, neben einigen übereifrigen Scriptereignissen, ist die spielerisch eintönige Übergangsphase, die auf den plotlahmen Anfang folgt. Vergleichsweise eintönig, vergleichsweise plotlahm. Hier geschieht nur wenig für die Charaktere und das Gameplay befindet sich in einer unangenehmen, aber notwendigen Transition, die mit charismatischen Nebenfiguren überbrückt wird. Das alles ist jedoch kein Thema mehr, sobald The Last of Us erst einmal vollständig erblüht. Die Darstellung aller Figuren - ob nun durch Sprecher, Schauspiel oder die inszenierten Erfahrungen, die sie durchleben müssen - ist überzeugend, mitreißend und mit den Problemen, die der Spieler auf kreative Weise in halboffenen Gebieten lösen darf, weiß gerade das Endgame mit einem immensen Spaß aufzuwarten, der auch einen zweiten oder dritten Durchgang rechtfertigt. In seinen schlimmsten Tiefen ist The Last of Us "nur" sehr gut, und besonders für Unkundige der Uncharted-Serie wird die Präsentation ein blanker Augenöffner sein.

Nun sind noch gewisse Implikationen interessant, die sich ergeben: The Last of Us ist nicht das erste High-Budget-Spiel, in dem versucht wird, einen erwachsenen Ton konsequent zu halten. Tomb Raider hat es probiert, allerdings bis zur Entstellung der Motive übertrieben. Und zwar hat kaum ein Titel jemals so sehr mit Emotionen gespielt wie The Walking Dead von 2012, doch als Geburt eines unabhängigen Adventure-Entwicklers wirkte der Erfolg wie ein schwer zu kopierender Einzelfall. The Last of Us hat ein anderes Gewicht. Als wichtiger Exklusivtitel für die PS3 von Aushängestudio Naughty Dog, ist das Spiel eine Führerscheinprüfung für die Zukunft der gesamten Branche. Eine Prüfung, die in der Theorie mit Bravour bestanden wurde. Der praktische Teil kann nun nur noch von der Spielergemeinschaft absolviert werden, indem sie die Frage beantwortet: Sind wir bereit? Rian

Leider konnte der "Factions"-Multiplayer-Modus in der vorliegenden Version nicht getestet werden. Er sprang einfach nicht an und wurde für die Wertung nicht in Betracht gezogen.

The Last of Us

(Ranking)
S
RANK
Herausragend. S-Spiele erweitern Horizonte. Sie bieten intensive Erlebnisse oder halten den Spieler noch lange am Bildschirm gefesselt. Selbst wenn man sie nicht jedem empfehlen kann, will man doch mit jedem über sie reden.

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RELEASE
14. Juni 2013
PLATTFORM
Playstation 3
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