The Night Of The Rabbit

(Artikel)
Kristin Riedelsberger, 24. Mai 2013

The Night Of The Rabbit

Die zauberhafte Welt des Matt Kempke

"Nur der, der sich auf den Weg macht, kann seinen Weg finden."

Wäre der letzte Montag nicht ohnehin ein Feiertag gewesen, ich hätte ihn auf jeden Fall für mich zu einem auserkoren: In einer märchenhaften Zeremonie bei Kerzenschein und dem besten Messwein, den wir erstehlen konnten, nahm ich andächtig The Night Of The Rabbit entgegen, den neuesten ehrwürdigen Silberling meines Lieblingsspieleentwicklers Daedalic Entertainment, den Schlüssel in ein neues märchenhaftes Abenteuer voller überraschender Wendungen, wunderschöner Zeichnungen und fantastischer Musik.

Held der Geschichte ist der zwölfjährige Jeremias Haselnuss, dessen Herz vor allem für drei Dinge schlägt: Blaubeerkuchen, seine Mutter und die Magie. Er möchte Zauberer werden, und weil unsere sehnlichsten Träume sogar die größten Brücken zwischen den Welten überwinden, taucht zwei Tage vor Ende der Sommerferien ein Lehrer bei ihm auf: der stolze Marquis de Hoto, ein weißes Kaninchen mit unergründlichen, flammend roten Augen. Er verspricht, Jeremias in der Kunst der Magie zu unterweisen, ihn zu einem echten Baumläufer, zu einem Wanderer zwischen den Welten zu machen – und das alles innerhalb eines Sommerferiennachmittags. Gespannt auf das Abenteuer, das nun beginnen würde, folgt Jerry dem Marquis durch einen alten Portalbaum in dessen Welt, nach Mauswald, in welchem alle Tiere des Waldes friedlich miteinander leben. Doch Unheil bricht über diesen Ort herein: Die Krähen kreisen tief, seltsame Gestalten tauchen in Mauswald auf, und Jerry erkennt, dass seine Ausbildung zum Magier eine Vorbereitung ist. Eine Vorbereitung auf einen Kampf, von dessen Ausgang nicht nur das Schicksal Mauswalds, sondern auch sein eigenes abhängen wird.

rabbit 2013-05-21 18-37-55-90Die malerischen Hintergründe sind genauso magisch wie die Geschichte selbst.

Mit The Night Of The Rabbit entführt Märchenerzähler Matt Kempke den Spieler in eine Welt, die für ein Grafikadventure von ungewöhnlicher Vielfalt und Komplexität ist. Die Handlung der meisten Adventures lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen, doch Kempke erzählt nicht nur eine Geschichte eines Protagonisten in einer Welt, sondern die Geschichten mehrerer Welten, mehrerer Personen und zu unterschiedlichen Zeiten. Nichts ist einfach so, sondern alles hat einen tieferen Ursprung und ist über die Zeit hinweg geworden. So hat auch Mauswald eine eigene Geschichte, die man nach und nach freispielen und (Daedalic sei Dank) als achtteiliges Hörspiel genießen kann – und dabei fühlt es sich so an, als würde man immer noch ein bisschen tiefer in Kempkes Hinterstübchen klettern.

Es wäre wirklich ein Jammer gewesen, wäre diese Welt letztendlich in die falschen Entwicklerhände geraten. Ist sie aber nicht. Daedalic’s Zeichenteam und die Musiker haben mal wieder ganze Arbeit geleistet und haben es geschafft, die Magie und all die Stimmungen, die der Spieler gemeinsam mit Jerry durchmachen muss, in Bild und Ton einzufangen. The Night Of The Rabbit ist einfach wunderschön anzusehen; besonders die Hintergründe stellen mit ihren Details, Farbspielen und Lichtakzenten noch die Atmosphäre des schon sehr hübschen The Whispered World in den Schatten. Das Spiel lädt zum Versinken ein, keine Frage.

rabbit 2013-05-22 00-09-03-21Einem Daedalic-Spiel darf es natürlich nicht an gutem Humor mangeln! Wer allerdings tonnenweise schwarzen Humor wie bei Edna und Harvey erwartet, der wird enttäuscht sein: The Night Of The Rabbit ist kein Poki-Spiel.

Und jetzt komme ich an den Punkt, an dem es für mich schwierig wird, weiterzuschreiben, denn jetzt ganz stumpf und trocken das Gameplay zu schildern fühlt sich irgendwie falsch an. Hm. Aber was sein muss, muss sein!

The Night Of The Rabbit ist wieder mal ein klassisches Point-and-Click, trotzdem gibt es ein paar Besonderheiten. Zum einen wäre da Jerrys magische Münze, die nicht nur dazu dient, Suchfaulen die altbewährten Hot-Spots anzuzeigen, sondern hin und wieder auch notwendig ist, um fantastische Wesen zu sehen, die für Jerry und seine Begleiter sonst unsichtbar sind. Dann erlernt unser Zauberlehrling im Laufe des Spiels vier Zaubersprüche, die geschickt angewendet werden wollen – ein Konzept, das uns bereits aus Harvey’s neue Augen bekannt ist. Jerry erhält außerdem ein Buch, das es ihm später ermöglicht, zwischen Tag und Nacht hin und her zu wechseln. Beide Gameplay-Elemente tragen stark zum durchweg fairen, abwechslungsreichen Rätseldesign bei, auch wenn ich den Eindruck hatte, dass The Night Of The Rabbit um einiges leichter - weil logischer - ist als zum Beispiel Deponia. Außerdem gibt es eine Spielhilfe und ein Tagebuch, um einen daran zu erinnern, was noch erledigt werden muss, und – und das ist nun wirklich eine absolute Besonderheit im Grafik-Adventure-Genre – Achievements (sprich: "Ertschiefmintz")! Ob Tauftropfen, Aufkleber oder Quartettkarten – wenn ihr das Spiel komplett abschließen wollt, müsst ihr sie alle sammeln! Und das ist gar nicht so einfach.

rabbit 2013-05-21 21-38-31-95Ertschiefmintz. Endlich?

Quartett ist übrigens das Mauswalder Skat. Sobald ihr die erste Hand voll Karten erhalten habt, könnt ihr mit den anderen Bewohnern zocken, was das Zeug hält. Relevant für den Spielverlauf ist das nicht, aber auch hier gibt es natürlich eine Metagame-Belohnung, wenn ihr allen Mauswaldern zeigt, wie toll ihr doch im Quartett seid. Ansonsten lohnt sich das Spielen vor allem deshalb, weil manche eurer Kontrahenten weitere Karten für euch bereithalten – und jede Karte ziert ein wirklich außergewöhnliches Artwork. Es gibt also viel zu tun!

Ich selbst war viel zu neugierig auf den weiteren Verlauf der Geschichte, um so lange in Mauswald herumzulungern – irgendwann spitzen die Ereignisse sich schließlich zu und dann ist erst mal keine Zeit mehr für eine gemütliche Runde Quartett. Da die Entwickler aber so nett waren, mich zu warnen, bevor es kein Zurück mehr gibt, hab ich natürlich vorher gespeichert! Wer weiß, vielleicht packt mich ja irgendwann noch mal die Sammelwut.

rabbit 2013-05-21 19-04-37-01Quartett, Quartett, Quartett. Immer und immer wieder. Immerhin mit exorbitant schönen Karten!

Ich selbst hätte auf diesen ganzen Quartett-Sammel-Firlefanz allerdings gut verzichten können. Für mich sind Ertschiefmintz To-Do-Listen, deren Erledigung lange nicht immer Spaß macht (Quartett ist jetzt auch nicht sooo das spannende Kartenspiel und wird dann doch relativ schnell langweilig) und die die Atmosphäre eines Spieles auch zerstören können – und gerade The Night Of The Rabbit schaden diese Stimmungs-Zäsuren meinem Empfinden nach mehr, als dass sie nützen.

rabbit 2013-05-21 23-43-02-72Zaubern, Kartenspielen, zwischen Tag und Nacht wechseln... Daedalic haben sich viel Mühe gegeben, dem Spieler ein abwechslungsreiches Gameplay zu liefern.

Abgesehen davon und von Jerrys Stimme, die ich leider absolut katastrophal ausgewählt finde (für mich ist es immer furchtbar, wenn Jungs von Männern gesprochen werden, die auf jung machen; dann lieber von Frauen oder tatsächlich von einem Zwölfjährigen, der den Stimmbruch noch nicht hinter sich hat), gibt es für mich aber keine Wermutstropfen. Mich hat The Night Of The Rabbit zum Staunen und zum Träumen gebracht, und ich bin mir (fast) sicher, dass es euch nicht anders gehen wird. Am 29.05. ist Release! Nehmt euch schon mal frei zum Feiern! Kristin

P.S.: Schaut euch den Trailer nicht an! Er spoilert doll!

The Night Of The Rabbit

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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28. März 2024 um 17:28 Uhr
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29. Mai 2013
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Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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