Sniper: Ghost Warrior 2

(Artikel)
Haris Odobašic, 27. März 2013

Sniper: Ghost Warrior 2

Schleichen, schießen, sonst nichts

Stellt euch vor, jemand hätte einen beliebigen aktuellen Militärshooter genommen und eine Mod dazu gebastelt, die euch alle Missionen mit nur einer Waffe spielen lässt: dem Scharfschützengewehr. So ungefähr fühlt es sich an, wenn man zum ersten Mal Sniper: Ghost Warrior 2 spielt. Es gibt die übliche Klischeestory, die Missionstypen sind allesamt bekannt und die audiovisuelle Qualität ist auf einer Stufe, dass man wirklich zwei mal hinschauen muss, um festzustellen, dass man hier nicht gerade den neuesten Diskussionsbeitrag von EA oder Activision zum Thema internationale Terrorismusbekämpfung vorliegen hat. Was sich vor ein paar Jahren ein ziemlich gewagter Schachzug des polnischen Publishers City Interactive war, ist beim zweiten Teil der Reihe eine Selbstverständlichkeit. Denn die Verkaufszahlen rechtfertigen das Konzept, mehr als 2 Millionen verkaufte Einheiten beim ersten Sniper-Spiel sind eine Hausnummer und sollen nun mit dem neuesten Spross übertroffen werden.

Um allerdings das Gameplay etwas abzugrenzen von anderen Shootern bemüht sich Sniper darum, die Bedienung eines Scharfschützengewehrs etwas akkurater zu simulieren. Wind und Distanz haben merklichen Einfluss auf eure Erfolgschancen einen Treffer zu landen und um einen starken Rückstoß zu vermeiden, solltet ihr nicht zu hektisch den Abzug drücken. Selbst der Puls eures Charakters kann einen Unterschied machen: wenn ihr gerade einen 200m-Sprint hingelegt habt und dann anlegt, hilft selbst Luft anhalten nur kaum, um das Gewehr still zu kriegen. Anfänger werden dabei auf niedrigeren Schwierigkeitsgraden noch unterstützt, indem ihnen ein roter Punkt im Zielvisier anzeigt, wo die Kugel landen wird, aber für die höchste Schwierigkeitsstufe wird eine gewisse Frustrationstoleranz erwartet.

Die Spezialisierung auf einen Waffentyp verhilft, den Spieler über die Dauer der Kampagne bei Laune zu halten. Denn wenn es um Shooter geht, gibt es wenig Befriedigenderes, als einen perfekten Kopfschuss auf hohe Distanz zu landen -- und Sniper: Ghost Warrior 2 ist voll davon. Das tröstet auch etwas darüber hinweg, dass die Missionen sich in der Kampagne sehr ähneln: entweder ihr habt, Modern-Warfare-mäßig einen Kameraden dabei, der euch Anweisungen gibt, oder ihr müsst euch alleine durchschlagen. Letzteres ist dabei spaßiger, da euch oftmals Hindernisse in den Weg gestellt werden, die ohne taktische Vorgehen nicht zu überwinden sind. Außenposten mit mehreren Wachen beispielsweise, wo es gilt, diese geschickt nacheinander auszuschalten, ohne dass irgendwer davon Wind bekommt. Abgerundet wird dies durch Sequenzen, an denen ihr stationär seid und mit dem fetten 50er-Kaliber Gegner auch bei Entfernungen jenseits der 1-Kilometer-Marke in den Polygon-Tod schicken könnt.

Die mangelnde Abwechslung wäre dabei gar nicht mal so tragisch, nur leider lauern an vielen Ecken unglückliche Design-Entscheidungen, die euch den Genuss vermiesen wollen. Gerade die Checkpoints sind schlecht verteilt und ein Tod wird gerne damit bestraft, dass ihr lange Passagen noch mal spielen müsst, obwohl sinnvollere Platzierungen der Zwischenspeicherpunkte sich quasi angeboten hätten. Und wie bei so vielen Spielen im Schlauch, heißt es auch bei Ghost Warrior: wer versucht, kreative Lösungen zu finden, wird bestraft -- meist mit dem sofortigen Tod.

Durch die verwendete CryEngine 3 wird dem Spieler eine ziemlich ansprechende Grafik geboten, auch wenn man zu keinem Zeitpunkt den Eindruck hat, dass die Technologie von Crytek auch nur annähernd ausgereizt wurde. Auch soundtechnisch gibt es ziemlich solide Kost auf die Ohren: ganz gut gewählte Sprecher und ein Soundtrack, der sich zwischen atmosphärisch und bombastisch bewegt, ohne jemals bedeutend anders zu klingen als das, was man in jedem Actionfilm und -spiel der letzten 10 Jahre geboten gekriegt hat.

Für einen kleinen Entwickler ist Ghost Warrior 2 wirklich beeindruckend. Man hat die Modern-Warfare-Blaupause genommen und ein Spiel geschaffen, das es von der Produktionsqualität mit Activisions Marktführer durchaus aufnehmen kann, nur eben mit dem kleinen Unterschied, dass sich hier alles um Scharfschützengewehre dreht. Sniper: Ghost Warrior 2 betreibt eben absolut keinen Etikettenschwindel: es ist das drin, was auf der Verpackung steht und sonst auch wirklich absolut gar nichts. Dementsprechend ist auch die Zielgruppe definiert: wer Spaß hatte an den Infiltrations- und Scharfschützen-Missionen in Modern Warfare oder sich allgemein mit dem Konzept anfreunden kann, wird für den Budget-Preis wenig falsch machen. Gleichzeitig könnten Zocker mit einem weiter gestrickten Anforderungsprofil etwas enttäuscht sein von der abgespeckten Spielerfahrung und für diese Leute gibt es nicht einmal Trost im Multiplayer, der zwar vorhanden ist, aber viel mehr auch nicht. Evil

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