Far Cry 3

(Artikel)
Haris Odobašic, 23. Januar 2013

Far Cry 3

Der alltägliche Dschungelwahnsinn

Kurz nach der E3 2012 waren viele meiner Freunde und Bekannten richtig gehyped zu Far Cry 3, während ich nur skeptisch war. Was sehen diese Leute bloß in dem Spiel, fragte ich mich innerlich. Und dann holte ich es mir selber und musste gleich feststellen, dass mich der Dschungel nicht loslassen würde, zumindest nicht, bis die halbe Nacht durchgemacht ist. Far Cry 3 fing gut an, richtig gut. Hatte ich mich etwa geirrt?

Aber zurück zum Anfang: eine kurze und chaotische Videomontage führt die Charaktere ein, eine Gruppe amerikanischer Jugendlicher, die Partyurlaub im pazifischen Ozean machen -- bis ein Fallschirmsprung schief geht und sie auf Rook Island landen, wo sie von einer Gruppe Piraten begrüßt und gefangen genommen werden. Das passiert wohl, wenn man bei Angeboten für dubiose Abenteuerurlaube zuschlägt, denn wie es sich herausstellt ist auf diesen Insel mächtig Konfliktpotential, da sich ein Sklavenhändler namens Hoyt Volker dort niedergelassen hat und im Kampf mit den Einheimischen Rakyat steht. Glücklicherweise schafft ihr es in der Haut von Jason Brody aber zusammen mit eurem Bruder zu entkommen -- unglücklicherweise stirbt euer Bruder dabei -- und trefft auf den freundlich gesonnenen Denis, einen Einheimischen, der euch unter seine Fittiche nimmt. Mit dem Hintergedanken, euch für die Inselbewohner zu rekrutieren, was dazu führt, dass ihr, während ihr darum kämpft, eure Freunde zu befreien, immer tiefer in einen Gewissenskonflikt zwischen eurer alten Existenz und dem Leben auf der Insel geratet.


Das klingt vielleicht vielversprechend, schon fast nach den Zutaten einer akzeptablen Story, ist aber im Endresultat ziemlich lahm. Die Charaktere, um die ihr euch kümmern sollt, insbesondere Jasons Freunde, sind so schlecht gezeichnet, dass sie euch vollkommen am Hinterteil vorbeigehen, während die Geschichte an sich nicht mit Überraschungen aufwarten kann und damit kaum Spannung erzeugt wird. Vereinzelt gibt es zwar hier und dort einen guten Charakter, beispielsweise Vaas Montenegro, einen durchgeknallten Banditenchef, doch diese Figuren tauchen zu selten im Spielverlauf auf, um wirklich für Begeisterung zu sorgen.
Und auch die Bemühungen des Entwicklerteams, erwachsenere Themen einzubringen, scheitern total. Man hat hier eher den Eindruck, dass diese Themen nur vorkommen, damit sie eben da sind. Immer mal wieder kriegt man was Extremes ins Gesicht geklatscht und dann ist es schon wieder weg. Quasi, wie als wenn die Entwickler rufen würden: "Schaut her, ein Massenmörder/nackte Brüste/ein homosexueller Vergewaltiger!" Wobei es hier wirklich nur um das Schauen geht, fast wie in den Obskuritäten-Zoos des 19. Jahrhunderts.

Doch dass die Story eher schlecht ist, schadet dem Spiel überhaupt nicht. Denn kaum hat man das Tutorial überstanden, eröffnet sich einem die große Welt der Rook Islands, wo Story-Missionen schon fast komplett in den Hintergrund rücken, einfach weil so viel um eure Aufmerksamkeit kämpft. Tiere jagen, Funktürme kapern, gegnerische Außenposten räumen und noch einiges mehr: im Insel-Paradies gibt es sehr viel für den Spieler zu tun. Viele der Elemente erinnern dabei an andere Spiele, wie zum Beispiel, dass die Karte komplett verdeckt ist und erst durch das Erklimmen von Türmen freigelegt werden muss, doch im Mix stören diese Ausborgungen nicht, sondern fügen sich nahtlos ins Spielgeschehen ein. Alleine schon, weil auch Far Cry mit seinen eigenen Elementen überzeugen kann, denn bereits die taktisch aufgebohrten Angriffe auf die Außenposten zählen zu den spaßigsten Momenten, die man so in einem Shooter haben kann.

Insbesondere ich als Stealth-Fetischist konnte einfach nicht genug kriegen. Erst vorsichtig mit der Kamera den Außenposten auskundschaften und alle Gegner markieren, dann die Feinde einzeln aus der Distanz ausschalten und dabei möglichst umbemerkt bleiben. Oder man geht einen ganz anderen Weg, benutzt zum Beispiel Flora und Fauna, um den Außenposten zu räumen: günstige Winde bieten sich an um Feuer zu legen, der Tiger im Käfig ist mit einem Schuss befreit und stillt seinen Hunger nur zu gerne an ein paar Steaks auf zwei Beinen. Alternativ kann man auch GUNS-BLAZING reinstürmen, riskiert dann aber Alarm auszulösen und damit Verstärkungen auf den Plan zu rufen.


Das Design der Außenposten ist dabei so gut, dass man nie den Eindruck hat, hier einer Routinetätigkeit nachzugehen und dadurch bleibt jeder Angriff spannend. Auch, weil immer mal wieder was Unvorhergesehenes passieren kann, wie zum Beispiel, dass eine Patrouille, die nicht zum Außenposten gehört, vorbeikommt und euch erwischt oder eine Gruppe Wildhunde die Wachen attackiert und damit eine gelungene Ablenkung bietet.

Und so fließt das Spiel in seinem eigenen Rhythmus vor sich hin, während man einen guten Mix aus Story- und Nebenaufgaben geboten kriegt und sich eben auch in der Spielwelt frei vergnügen kann. Der Spaß ist sehr hoch und die Zeit scheint mit dreifacher Geschwindigkeit voranzugehen. Dann erreicht man die Hälfte des Spiels und schaltet eine weitere Insel frei. Zu diesem Zeitpunkt dürfte jeder Spieler, der sich auf den Erkundungs- und Erforschungsaspekt eingelassen hat, fast alle Upgrades freigeschaltet haben und auch bei den Tattoos, die dem Spieler neue Fähigkeiten verleihen, große Fortschritte gemacht haben.

Das hat als Resultat, dass viele der Nebenaufgaben einfach ihren Reiz verlieren. Wieso noch Tiere jagen? Ihre Felle sind nicht sehr gewinnbringend, wenn man sie verkauft, und die Missionen in diesem Zusammenhang auch nicht gerade spannend gestaltet; die Hauptmotivation, auf die Jagd zu gehen, um seine Ausrüstung zu verbessern, fällt weg. Andere Nebenmissionen haben das Problem, dass sie von Anfang an irrelevant sind. Inselrennen fahren, Supplies ausliefern und Ähnliches bringt zwar ein bisschen Geld, aber sonst nichts. Und die Menge an Scheinchen ist gleichzeitig so gering, dass es sich kaum lohnt. Hätten die Entwickler hier schlauer gearbeitet, das ein oder andere Progression-System an die gesamten Nebenaufgaben gehängt, wäre auch für den Spieler mehr Grund gegeben, die ganzen Möglichkeiten auszunutzen. So verdoppelt die zweite Insel zwar den Spielinhalt, kann aber nicht den Spielspaß aus der ersten Hälfte emulieren, sondern erreicht teilweise sogar einen Tiefpunkt gegen Ende, wenn die Storymissionen plötzlich den Schleichaspekt aus dem Fenster schleudern und euch stattdessen zum Dauergeballere zwingen.


Auch wenn die Kampagne schon mit viel Inhalt vollgestopf ist, bietet Far Cry 3 abseits dessen noch mehr, viel mehr. Neben einem standardmäßigen Multiplayer gibt es einen Leveleditor, der echt gut umgesetzt ist und mit seinen Möglichkeiten zum Besten in dem Genre gehört. Hier kann man durchaus eine gute Stunde mit verbringen, auch wenn man die entstehenden Maps nicht wirklich viel spielen wird, weil eben der Versus nicht mit dem anderer Shooter mithalten kann.

Abgerundet wird die Erfahrung durch eine Ko-op-Story, die sechs Monate vor den Geschehnissen um Jason Brody spielt, und euch in die Haut von ein paar neuen Charakteren steckt, beispielsweise einem schottischen Koch oder eines russischen Matrosen. Was diese unterschiedlichen Charaktere gemeinsam haben, ist, dass sie alle auf demselben Schiff waren, bis der Kapitän beschloss, sich mit Piraten einzulassen und mit dicker Beute aus dem Staub zu machen. Wenig amüsiert flieht ihr vom Schiff und verfolgt den Kapitän nach Rook Island, wo ihr Jagd auf ihn macht.

Dieser Modus ist übrigens auch der Grund für meine große FC3-Skepsis letztes Jahr, denn statt den guten Trailer von der Ubisoft-Pressekonferenz zu sehen, hatte ich nur das Live-Gameplay von Sonys PK mitgekriegt -- und das bestand nur aus dem Ko-op. Eins vorneweg: wenn ihr ein Spiel nur für den Ko-op sucht, macht einen ganz weiten Bogen um Far Cry 3. Denn es spielt sich extrem anders als die Kampagne, bis hin zu dem Punkt, dass man meinen könnte, zwei verschiedene Spiele vor sich zu haben, die nur zufällig auf der gleichen Engine basieren.


Wo nämlich die Kampagne den Fokus auf Stealth, das Ausnutzen der Umgebung und der Freiheit des Spielers legt, kontert der Ko-op mit einem beengenden Leveldesign, Dauergeballere und unendliche Gegnerwellen, die aus jeder Ecke gekrochen kommen. Erschlägt euch der Singleplayer quasi mit Abwechslungsreichtum, hat der Ko-op vor allem von einer Sache mehr als genug zu bieten: Eintönigkeit. Die letzten Level waren eine echte Qual und hätte es dafür nicht Achievements gegeben, meine Lieblingskarotte, hätte ich nach dem ersten Level sofort aufgehört. Selbst die gelegentlichen Wettbewerbe zur Auflockerung, wo die Partner für ein bisschen Bonus-Erfahrungspunkte im Wettbewerb zueinander stehen, können hier nichts mehr rausreißen.

So gut sich Far Cry 3 in den ersten zehn Spielstunden präsentiert, so schnell verfliegt die Magie zur Spielhälfte hin und ohne die Faszination und den Reiz, zusammen mit einem schlechter werdenden Missionsdesign und einer unglaublich drögen Story, muss man sich quasi über die Ziellinie hiefen, statt im Endsprint durchzumarschieren. Negativ-Highlight ist das Deus-Ex-Endgegner-Syndrom: ihr werdet für das letzte Viertel des Spiels einfach gezwungen, den Rambo zu mimen. Das ist unheimlich schade, sticht es doch aus dem Rest des Spiels wie ein schiefer Zehennagel heraus, insbesondere weil im Großen und Ganzen Far Cry 3 in die richtige Richtung geht. Gerade die Kombination aus Ego-Shooter und Open World funktioniert extrem gut. So gut, dass man hofft, andere Entwickler nähmen dies als Inspiration. Far Cry 3 hat schon die richtigen Zutaten für die Formel, jetzt muss nur noch die Mischung verfeinert werden. Evil

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28. März 2024 um 14:12 Uhr
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30. November 2012
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