Max Payne 3

(Artikel)
Haris Odobašic, 02. Januar 2013

Max Payne 3

Der Dicke auf Rachefeldzug

Entwicklerwechsel sind immer riskant. Manchmal klappt es, siehe Halo 4, manchmal nicht, siehe Flatout 3. Auch die Max-Payne-Reihe bekam nun ein paar neue Väter, bedingt dadurch, dass der alte Entwickler Remedy nicht mehr die Rechte für die Reihe hatte. Niemand geringeres als Rockstar steckt hinter Max Payne 3. Quasi ein Grund, sämtliche Sorgen fortzublasen und sich auf das Spiel zu freuen, denn was könnte schon bei Rockstar schief gehen? Leider doch ziemlich viel.

Dabei ist das Setting auf den ersten Blick sogar gut gewählt. Weg aus dem dreckigen New York, ab in die wohl noch dreckigeren Slums Brasiliens. Max fristete sein Dasein bisher als Dauersäufer in einer kleinen Kneipe in New York, legte sich mit den falschen Leuten an und hat am Ende gar keine Wahl, als das Land zu verlassen. Glücklicherweise wird er aber angeheuert, um den Bodyguard für eine reiche Familie zu mimen. Eine reiche Familie, die viele, viele Feinde hat. Das Resultat: ständige Anschläge und Max hat alle Hände voll zu tun - nicht nur seinen Job zu erfüllen, sondern auch mit seinem Leben klarzukommen, das mittlerweile nur noch ein Sumpf aus Alkohol und Schmerzmitteln zu sein scheint.


Leider ist Max gerade für neue Spieler einfach nur ein dicker Zyniker, dessen Sprüche und schlechte Wortwitze mit der Zeit auch mal nerven können, insbesondere da sie sich gelegentlich wiederholen. Es fehlt einfach der Kontext, wieso Max zu diesem Menschen wurde, was ihn an diesen Abgrund trieb. Veteranen der Spielereihe verstehen seine Entwicklung, könnten aber auch gelangweilt werden, dadurch, dass der Figur jede Tiefe genommen wurde, bis nichts mehr übrig blieb außer dem glatzköpfigen Wrack im Unterhemd. Dem muss man jedoch entgegensetzen, dass Max dennoch das Highlight ist, der mit seiner Narration einen roten Faden bietet und durchaus auch in der Lage ist, den ein oder anderen Treffer mit seiner Wortwahl zu landen.

Doch leider bleibt die Qualität der Story weit unter dem zurück, was man erwarten würde. Größtes Manko: irgendwie kommt bei Max Payne 3 kein richtiges Rache-Gefühl auf, wie es noch bei den Vorgängern der Fall war. Max -- und damit auch der Spieler -- ist kaum mit den anderen Charakteren emotional involviert, so dass man nicht den Eindruck hat, hier Vergeltung zu üben, sondern einfach nur Massenmord zu begehen, wenn auch aus Selbstverteidigung. Gerade weil das Gameplay keine Bäume ausreißt, bleibt für den Spieler wenig Motivation, um weiterzuspielen. Dem helfen auch nicht gewisse spielerische Mängel.

Die KI kann frustrieren, sind eure Gegner doch allwissend und machen damit jeglichen Versuch, anders als per direkter Konfrontation vorzugehen, ziemlich sinnlos. Selbst einfaches Flankieren ist so nicht möglich. Gleichzeitig ist die Unterstützung an eurer Seite ernüchternd in ihrer Unfähigkeit. Eigene KI-Kameraden sind scheinbar Pazifisten, da sie zwar schießen, aber niemanden treffen und können nicht mal als Ablenkung dienen, da sich die Computer-KI immer sehr schnell auf euch einschießt. Kombiniert mit dem knackigen Schwierigkeitsgrad sorgt das für Frustrationen, die durch das etwas ausgelutschte Gameplay nur noch vergrößert werden.

Denn zwar feiert die Bullet Time ein Comeback, ist aber durch den Schwierigkeitsgrad eher selten zu empfehlen, zumindest wenn man waghalsige Hechtsprünge probieren will. Der Modus Operandi ist stattdessen, dass man die neue Deckungs-Mechanik ausnutzt, um die Gegner auszuschalten, die Bullet Time nur als Unterstützung benutzend, um das Zielen zu erleichtern; was verdächtig nach derselben Vorgehensweise klingt, die man in den meisten Third-Person-Shootern der letzten paar Jahre verwendete. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Max Payne 3 durch seine Unzulänglichkeiten in anderen Bereichen Punkte verliert und ansonsten wenig bietet.

Quasi das Einzige, was MP3 von anderen Spielen des Genres abhebt oder "besser" macht, ist der Gewaltgrad. Der letzte Gegner in jedem Raum kann in einer Zeitlupenkamera noch mal besonders extrem durchlöchert werden, wobei mit rotem Saft nicht gespart wird und man sogar noch mehr Slow-Mo dazuschalten kann, um das brutale Spektakel ganz genießen zu können. Das kreiert eine ganz eigene Ästhetik am Rande zur Perversion, wird aber spätestens beim fünfzigsten oder hundersten Mal einfach nur langweilig, wenn man wieder die Schultertaste hämmern kann, um sein Magazin im toten Feind zu entladen.

Dabei setzt Max Payne 3 in anderen Bereichen Standards und zeigt sich unheimlich detailverliebt. Max' Animationen sind großartig, egal ob er eine Treppe im Hechtsprung runtersegelt, um dann die restlichen Stufen hinab zu rollen, oder wenn ihr vor einem Tisch steht und rüberspringen wollt, aber Max automatisch vor dem Sprung einen Schritt nach hinten geht, um sicherzustellen, dass auch genug Platz ist, damit ihr nicht voll gegen das Objekt kracht. Selbst wenn es um Waffen geht, sind die Animationen mehrere Klassen über der Konkurrenz. Wo in anderen Spielen nur der gekrümmte Raum erklären kann, wie der Protagonist so viele Waffen mitzuschleppen vermag, setzt Max Payne auf sichtbaren Realismus. Er hebt die Waffen richtig auf und trägt sie dann mit sich rum. Wenn ihr eine Pistole und ein Maschinenegewehr dabei habt, trägt Max das Maschinenegewehr immer in der freien Hand, während ihr die Pistole einsetzt. Auch auf die Nachladeanimationen hat das natürlich Einfluss: er klemmt sich das Gewehr einfach unter die Achsel, um die Pistole zu befüllen. Das ist alles sehr schön anzusehen und verleiht MP3 in diesem Bereich einen Realismus, der von keinem anderen Spiel auch nur ansatzweise erreicht wird.

Dazu im Gegensatz stehen jedoch ewig lange Ladezeiten und eine große Anzahl an Bugs. Beim Durchspielen ist mir Max Payne 3 mehrmals abgestürzt -- und das als einziges der von mir im Jahre 2012 gespielten Spiele. Wiederum in anderen Fällen ist Max durch den Boden gefallen, hat sich geweigert aus der Deckung aufzustehen oder irgendwas sonst zu machen und in einem ganz kuriosen Fall wurde ein Skript nicht richtig gestartet und ich konnte plötzlich durch eine Favela komplett ohne Gegner laufen.

Max Payne 3 blendet mit hübscher Technik und viel Gewalt, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich nicht vom Rest des Genres abhebt, sondern sogar zu den langweiligeren Vertretern in diesem Bereich gehört. Man kann dem Spiel dabei nicht mal vorwerfen, dass es wirklich schlecht ist, denn abgesehen von den Bugs sind Spielsystem und Präsentation hervorragend. Nur wird aus diesem Grundgerüst viel zu wenig gemacht. Statt wirklich Ambition zu zeigen, wie man es von Rockstar gewohnt ist, folgt Max Payne 3 einer vorgegebenen Formel, die sich nicht nur als erstaunlich abwechslungsresistent erweist, sondern das Spiel auch antiquiert wirken lässt. Wer Max liebgewonnen hat, darf einen Blick riskieren, aber gerade Spieler, die Mr. Payne noch nicht kennen, finden eine breite Auswahl an besseren Actionspielen. Evil

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25. April 2024 um 18:45 Uhr
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18. Mai 2012
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Playstation 3
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Xbox 360
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