Medal of Honor Warfighter

(Artikel)
Benjamin Strobel, 29. Oktober 2012

Medal of Honor Warfighter

Fightwarriors and Gunshooters

Publisher Electronic Arts hat dem Konkurrenten Activision und seiner Call-of-Duty-Reihe den Kampf angesagt. Der Software-Riese geht gegen die erfolgreiche Franchise gleich mit zwei Militärshootern vor: nach dem großen Erfolg von Battlefield 3 folgt jetzt Medal of Honor Warfighter. Die Medal-of-Honor-Reihe hat eine bunte und lange Vergangenheit. Was kann der neueste Teil?

Bevor ich dieser Frage nachgehen konnte, wollte die Xbox-360-Version von Warfighter erst mal einen 58 MB Day1-Patch haben. Solche frühen Patches sind zwar keine Seltenheit, in dieser Größenordnung bewegen sie sich aber selten. Wenn sich in der Beschreibung dann findet, dass man jetzt nicht mehr Parties beitreten kann, die auf "Invite only" gestellt wurden, fragt man sich schon, ob das Spiel vorher überhaupt mal getestet wurde. Ist der Patch installiert, möchte das Spiel gerne 1,4 GB seiner Texturen installieren - das kennen wir schon aus Battlefield 3. Da die entsprechenden Dateien sich bereits auf der Disc befinden, geht der Vorgang schnell und sollte für die meisten kein Hindernis darstellen (Festplatte mit ausreichend freiem Speicher vorausgesetzt). Und dann kann es losgehen!

Medal of Honor Warfighter (Name -> Tonne)
Im Vorfeld wurde der Name des Shooters vielfach kritisiert und verballhornt. Er ist - zugegeben - wirklich einfallslos und dämlich. Andererseits ist es nicht sehr viel schlimmer als der naheliegende Vergleich "Modern Warfare". Aber vermutlich wurde dann doch mal die eigentlich hohe Toleranzschwelle der Spieler überschritten, die sich zwar viel, aber nicht alles bieten lassen. Damit hatten EAs Marketing-Fuzzis wohl nicht gerechnet.

Ebenso uninspiriert wird die Geschichte des Spiels präsentiert: Sie lässt sich darauf reduzieren, dass ein Kerl eigentlich nicht mehr kämpfen will, weil er seine Familie liebt und nicht verletzen möchte. Aber dann tut er es doch! Und die Moral von der Geschichte? Seine Frau lernt zu akzeptieren, dass ihr Mann ein wichtiger Verteidiger Amerikas ist, der sich als Held jeden Tag für das Überleben seiner Familie und aller Menschen in Amerika einsetzt. Äh? Ja.. soviel zur verkorksten Vorstellung von nationalistischen Storywritern von Militärshootern. Die unbeholfenen Versuche, Gefühle beim Spieler zu erzeugen, scheitern schon an der Oberfläche. Warfighters Geschichte bleibt bei fingerbreiter Kriegsästhetik und Heroisierung hängen. Die Hauptcharaktere des Spiels tragen Namen wie "Vodoo" und "Preacher", weitere Figuren haben vergleichbare Spitznamen. Beim Spielen hatte ich Schwierigkeiten, sie auseinanderzuhalten, was wohl auch daran lag, dass sie nicht gut eingeführt und dargestellt wurden. Letztlich bleiben alle Figuren blass und farblos.


Medal of Honor Scriptwriter (MoH -> CoD)
Die Singleplayer-Kampagne lässt sich am besten als Actionfest und Skript-Kaskade beschreiben. Bereits im ersten Level stürzen zahlreiche Objekte auf den Spieler, natürlich ohne ernsthaft gefährlich zu sein. Noch bevor man zehn Minuten im Spiel ist, hat man auch schon den ersten Heli mit dem RPG vom Himmel geholt. Sofort ist klar, dass die Call-of-Duty-Reihe den Ton angibt, was man von diesem Spiel erwarten kann. Während das letzte Medal of Honor deutlich höhere Eigenanteile hatte, erkenne ich in Warfighter immer mehr von der Konkurrenz wieder. Im Vergleich bleibt es aber die Kopie, die nicht an die Qualität des Originals heranreicht. Besonders die immer wieder geskripteten Events, die in einer unausweichlichen Weise abgespult werden, nehmen dem Spieler jede Freiheit und damit die Immersion. Einmal wollte ich einen Sniper selbst abschießen, anstatt die Luftunterstützung zu rufen. Mit der Konsequenz, dass die Story nicht weiter lief und immer neue Sniper auftauchten. An anderer Stelle gibt es einen endlosen Vorrat an Gegnern mit Raketenwerfern, da sich der Spieler ja unbedingt unter dem Raketenhagel bis hinter die Feinde vorkämpfen soll. Ich vermute sogar, dass deren permanentes Vorbeischießen auch geskriptet war.
Ich möchte damit gar nicht sagen, dass Skript-Events per se schlecht sind. In Spielen wie Half-Life 2 waren sie erhebliche Anteile des Gameplays, aber trotzdem sehr gut. Bei Warfighter sind die Restriktionen für den Spieler häufig nicht erkennbar, oftmals unverständlich und können manchmal zum Sofort-Tod führen. Ich habe dann schnell kapiert, dass ich tun soll, was das Spiel mir sagt, aber befriedigend war das nicht. Insgesamt wäre das tägliche Brot in Warfighter aber deutlich schmackhafter, wenn es nicht so verbuggt wäre. In meinem Spieldurchgang ist es mehrfach vorgekommen, dass ich ein ganzes Level neustarten musste, weil das Spiel entschieden hatte, die nächste Skript-Sequenz nicht einzuleiten. An anderer Stelle laufen Feinde direkt vor die KI-Kollegen und schießen mich ab - meine Leute machen aber keine Anstalten, sie einfach mal umzuhauen, sondern zielen weiterhin auf Feinde, die am Ende des Ganges stehen, obwohl sie ja ohnehin daneben schießen. Die ziemlich vertrottelten KI-Helfer sind vermutlich die größte Krux des Spiels.

Die Level selbst sind ziemlich kurz und laufen mehrfach nach demselben Prinzip ab: der Spieler bewegt sich an eine Stelle, an der viele Feinde auftauchen und muss sich langsam von Deckung zu Deckung vorkämpfen, wobei die Mechanik zum Zielen über Deckungen zum Anfang etwas umständlich wirkt, sodass man sich erst eingewöhnen muss. In regelmäßigen Abständen gibt es dann Türen, die aufgebrochen werden sollen. Bei diesen Breaching-Events kann man im Vorfeld eine von mehrere Optionen wählen, wie man die Tür kaputt machen möchte (Axt, Shotgun, Sprengstoff etc.) Aber nichts davon hat einen Einfluss auf das weitere Spiel, sondern ist rein optisch. Anschließend verlangsamt die Zeit und man muss so schnell wie möglich alle Feinde im Raum abschießen. Es ist kein besonderes Element, aber es tut auch nicht weh.

Das Spiel rettet sich über seine Monotonie, indem es immer mal wieder abwechslungsreiche Passagen einwirft. So gibt es Verfolgungsjagden mit dem Auto und zu Fuß, Bootsfahrten, einen Flug im Helikopter und Scharfschützen-Abschnitte. Die Variation ist gut genug, um den Spieler sicher durch die sechs Stunden Spielzeit zu bringen. Da es aber nicht viel zu entdecken gibt, bietet die Kampagne kaum einen Anreiz, zu ihr zurückzukehren.


Medal of Honor Cardriver (Fuß -> Gas)
Es gibt in Warfighter mehrfach Abschnitte, in denen man mit dem Auto unterwegs ist. Ich möchte sie gerne ganz speziell erwähnen, da ich sie besonders gelungen finde. Das Handling und Feeling beim Fahren ist sehr gut gestaltet und die Steuerung funktioniert tadellos. Der Spieler bleibt dabei in der Ego-Perspektive und kann sich mit dem rechten Stick auch umsehen, während das Vehikel mit dem linken gesteuert wird. An dieser Stelle hat mich auch die Detailliebe positiv überrascht: es ist immer wieder zu sehen, wie die Spielfigur die Gänge rauf und runter schaltet, wenn man schneller oder langsamer wird. Die verschiedenen Verfolgungsjagden und auch die Schauplätze, an denen sie stattfinden, wurden schön umgesetzt und haben wirklich Spaß gemacht. Vielleicht hätte Warfighter ein Rennspiel werden sollen?

Medal of Honor Warheroes (Töten -> Orden)
Wenn mich optisch etwas beeindruckt hat, dann die Taschenlampen! Feinde, die im Dunkeln auf mich gezielt haben, waren eine realistische Plage: ich wurde ziemlich hart geblendet und habe verzweifelt in Richtung der Lichter geschossen. Dass ich wirklich nur das grelle Licht im Gesicht hatte, wenn Lampen auf mich gerichtet waren, hat einen Moment von Realität erzeugt, der mich wirklich überzeugt hat. Die Beleuchtung machte auch im Zusammenspiel mit Nebeln und Staubverwirbelungen einen guten Eindruck.
Ansonsten präsentierte sich die Grafik auf der Xbox 360 in Gewändern wechselnder Qualität. Während einige Level vom Prinzip her schön waren, imponierten andere von Anfang bis Ende durch verwaschene Texturen und liebloses Design ohne viele Details. Und selbst die schönen Orte hatten mit allerhand nachladenden Texturen zu kämpfen, die das Ende der aktuellen Konsolengeneration mit Nachdruck verkünden. Obwohl hier wie bei Battlefield 3 die Frostbite 2-Engine zum Einsatz kommt, sieht Medal of Honor Warfighter nicht so schön aus wie EAs andere Perle. Insgesamt verfestigt sich damit ein Eindruck von Lieblosigkeit, die sich durch das ganze Spiel zu ziehen scheint. Die Umgebungen sind ebenso uninspiriert wie die zahlreichen Figuren, die sich hinter austauschbaren Namen auch als austauschbare Charaktere erweisen.

Der Soundtrack hat mir im Grunde sehr gut gefallen: das Spiel bot eine gesunde Mischung aus lauten Actionkrachern und heroischen Untermalungen, die vom Menü bis zum Abspann Spaß gemacht haben. Bei einigen Cutscenes musste ich dann aber doch mit dem Kopfschütteln: Der Versuch, mit epischen Stücken die Kriegshandlungen zu glorifizieren, war einfach zu plump. Leider haben diese Versuche dem Spiel mehr geschadet als dass sie beitragen konnten.


Medal of Honor Teamplayer (Friend -> Invite)
Frei von oberflächlichen Emotionen ist dagegen der Multiplayer-Modus. Hier steckt das Potential des Spiels! Medal of Honor: Warfighter unternimmt - recht erfolgreich - zahlreiche Versuche, den Spielern mehr Teamplay unterzujubeln. Ich muss selbst zugeben, dass ich teambasierte Spiele wie Halo oder Call of Duty durchaus für mich alleine spiele, wenn ich mich nicht mit Freunden speziell dazu verabredet habe. Wir alle wissen, dass viele Nervensägen und Jammerlappen durch Online-Spiele toben und deren Gejammer und Geflame kann einem schon ziemlich auf den Wecker gehen. Ohne Voice-Chat und ordentliche Absprachen war mit Teamplay aber wenig los. Warfighter hat sich für die Umgehung dieser Probleme ein paar geschickte Mechanismen ausgedacht: Egal in welchem Spielmodus, man befindet sich immer in einem Squad aus zwei Personen. Der jeweilige Kumpel wird dann auf der Map hervorgehoben und ist jederzeit, auch durch Wände, sichtbar. Außerdem werden Feinde, die er sieht, einem selbst aber noch verborgen sind, rot hervorgehoben. Wenn es nötig wird, kann man sich auch gegenseitig heilen oder Munition teilen. All diese Elemente führen zu einer logischen Konsequenz: man liebt seinen verdammten Buddy! Man will einfach bei ihm sein, weil es so viele Vorteile bringt. So passiert es, dass man viel seltener allein herumwandert. Und wenn, dann möchte man so schnell es geht zu seinem Kollegen zurück. Um das abzukürzen, kann man auch direkt bei ihm spawnen, allerdings nur, wenn er nicht unter Beschuss ist. Auch wenn das Teamspiel etwas erzwungen wird, finde ich diesen Ansatz sehr gut, da es unterm Strich zu mehr Interaktion mit anderen Spielern kommt und sich das ganze Spiel dadurch taktischer anfühlt.

Warfighter führt Ersatz für Call of Dutys bewährte Killcam ein: wird man erledigt, so schwenkt die Kamera auf den Schützen, der zusätzlich rot markiert wird!
Warfighter unterhält zum Zwecke des Teamspiels auch ein umfangreiches Party-System, bei dem man sich zusammenfinden und auch feste Pärchen bilden kann. Für das eigene Loadout stehen dem Spieler vor Beginn eines Matches umfangreiche Optionen zur Verfügung: Unter sechs Klassen (unter anderem Assault, Sniper, Demolition) und zahlreichen Nationalitäten kann man seinen "Warfighter" auswählen und sich zwischen zahlreichen Waffen und deren Upgrades entscheiden. Jede Klasse besitzt eine besondere Fähigkeit, die sie auszeichnet. So kann ein Scharfschütze sein Gewehr mit Stütze auf dem Boden aufbauen und damit erheblich seine Präzision auf Kosten von Mobilität erhöhen. Mit Erfahrungspunkten, die durch das Sammeln von Medaillen (100 Abschüsse hier, 10 Bomben entschärfen dort) verdient werden, schaltet man nach und nach neue Figuren, Waffen und Ausrüstung frei.


Unter den verschiedenen Modi gibt es auch zahlreiche taktische Spielvarianten. Da gibt es zum Beispiel die Combat Missions: Dabei muss das eine Team verteidigen und das andere versuchen, eine Bombe zu platzieren. Bei Erfolg rückt das Geschehen weiter zum nächsten Ort. Wenn drei Bomben hochgehen, gewinnen die Angreifer, gehen ihnen vorher die Leben aus, fällt der Sieg zugunsten der Verteidigung aus. Positiv ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Maps auf solche Spielvarianten ausgelegt wurden und zahlreiche Passagen enthalten, die sich am besten in der Gruppe bewältigen lassen. Um solche Wege zu forcieren, werden für die jeweiligen Teams bestimmte Areale der Map gesperrt, sodass sie nicht als Spawncamper in feindlichen Lagern lauern können. Da Spawncamping ein großes Problem des Vorgängers ist, bin ich froh das zu sehen. Leider gibt es beim Matchmaking immer mal wieder Probleme, sodass man plötzlich allein in der Lobby sitzt und irgendwann das Spiel verlassen muss, da keine anderen Spieler mehr dazukommen. Manchmal hatte ich auch Probleme beim Clipping und andere kleine Bugs, die hoffentlich noch behoben werden.

Medal of Honor Ladenhüter
Ich schätze Warfighter leider als typischen Ladenhüter ein, den wir nach wenigen Wochen auf dem Gebrauchte-Haufen von Gamestop wiedersehen. Die Kampagne ist kurz und in großen Teilen unbefriedigend. Neben dem Erspielen von Erfolgen bietet sie kaum Wiederspielwert, sodass Käufern des Spiels schnell nur noch der Multiplayer bleibt. Auch wenn ich hier die Stärken des Titels sehe, wird das Spiel weitere Unterstützung durch Patches brauchen, um seine Kinderkrankheiten loszuwerden. Leider werden Gebrauchtkäufer gerade hier großes Pech haben, da die Online-Funktionen nur per Online-Pass freigeschaltet werden können. Fans der Serie und des Genres rate ich vor dem Kauf zur Videothek. Den Multiplayer-Modus kann man immerhin auch als Probierversion anspielen, wenn man keinen Online-Pass besitzt! Nex

Kommentare

Heiler
29. Oktober 2012 um 13:35 Uhr (#1)
Ich habe mir den ersten und den letzten Satz durchgelesen
und schließe daraus das MoH WF ein richtiger Hoffnungsträger ist. ^^
Jozu
29. Oktober 2012 um 17:35 Uhr (#2)
Bester Weg zur Meinungsbildung! Ich werde es ab Heute auch nur noch so tun!
Haris
29. Oktober 2012 um 19:10 Uhr (#3)
So lerne -- und bestehe -- ich meine Klausuren!
Gast
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