RAGE

(Artikel)
Rian Voß, 17. September 2012

RAGE

Eigentlich ganz angenehm

id Softwares RAGE zu erklären ist super einfach! Also: Stellt euch vor ihr spielt Fallout 3. Ok. Habt ihr? Und jetzt stellt euch vor, man könnte etwas weniger kundschaften und sidequesten, dafür würde man wesentlich mehr schießen. Habt ihr auch? Klasse! Ihr spielt nun in eurem Kopf RAGE! Dann gibt's ja für mich eigentlich nichts mehr zu tun. Also, bis nächste Wo-- Ja, gut, ich mach' ja schon.

Dass die Analogie zur berühmten Ödlandserie nicht ganz verkehrt ist, zeigt sich schon im Publisher, denn hier hat Bethesda mit Hand ans Werk gelegt. Die Geschichte von RAGE präsentiert sich dabei so ähnlich der der Bunkerbewohner, dass es schon fast nicht mehr witzig ist: ein riesiger Meteorit bedroht die Erde! Naja, bedrohte. Er schlug nämlich schon ein, während ein paar eingefrorene Soldaten mit einer geheimen Mission zur Wiederbelebung der ehemals blauen Kugel im Orbit herumdümpelten. Man selbst ist einer davon. Nachdem also unsere Kapsel auf der Planetenoberfläche aufgeschlagen ist, wollen wir uns frisch an die Arbeit machen - nur um zu bemerken, dass unsere Kollegen alle schon vergammelt sind und sich vor der Stahltür unserer Aufbewahrungseinheit eine eigene Zivilisation gebildet hat. Da gibt es Banditen, Überlebende, Drogen und natürlich eine fiese, tyrannische Regierung. Und wo die ist, kann ja wohl auch der Widerstand nicht weit-- ah, da ist er ja. Soviel dazu. Dann gilt es ja nur noch herauszufinden, was die eigentliche Mission der Orbit-Kapseln, der sogenannten Archen, war, denn irgendwie weiß das keiner. Wir schon lange nicht.


Wenn sich RAGE von seinem rollenspielerischigerem Kollegen eine Sache abgeguckt hat, dann ist es Vielfalt: Es gibt immer etwas zu tun. Hat man erst einmal die erste Siedlung verlassen und sich zur Kleinstadt Wellspring aufgemacht, bekommt man eine ganze Menge an die Hand für die nächsten Stunden. Dazu gehören Snipermissionen, bei denen man Konvois beschützt, viele lustige Minispiele (Fünf-Finger-Filet, Würfeln oder sogar ein eigenes Trading-Card-Game. Riecht verdächtig nach Final Fantasy!), ganz passable Autorennen und, natürlich, die Missionen. Hier bekommt man einen Auftrag, irgendwohin zu fahren, irgendwas zu besorgen und wieder zurückzukommen. Meist mit einem ganzen Haufen Gegnern im Weg. Ob Nebenmission oder Hauptquest, egal. Und leider ist dieser Hauptteil des Spiels irgendwie... unbefriedigend.
Dabei kann ich gar nicht mal so genau sagen, woran es eigentlich liegt! Erst einmal hat man ein übersichtliches Arsenal an Waffen - wenn man das erste Drittel des Spiels durch hat, befinden sich etwa sieben davon im Inventar, darunter Pistole, lautlose Armbrust, Scharfschützengewehr, Raketenwerfer, zwei Maschinengewehre und eine Schrotflinte. All diese Kolben lassen sich bei Händlern upgraden. Diese Änderungen lassen sich auch stark spüren: ein Magazin für die Schrote, ein Streuungsdämpfer für die Kalashnikov oder ein Fernglas für den Revolver. Ein bisschen schade zwar, dass es nur so wenige Upgrades gleichzeitig gibt, aber dafür erhält man immer mal wieder Spezialmunition, die ein bisschen mehr Abwechslung reinbringt: Hypnosebolzen für die Armbrust oder Anti-Vehikel-Raketen für den Raketenwerfer. Und wer Bastler ist (das sollte man in diesem Spiel sein!), kann sich auch noch so äußerst nützliche Geräte wie den spinnenhaften Wachroboter (hat mir schon zigfach das Leben gerettet!) oder die Selbstschussanlage zusammenbauen. Insofern alles gar nicht übel.
Optisch schenkt sich das Spiel auch nichts: In den Städten kommt man schon aus dem Staunen nicht mehr heraus, weil überall eine Menge zu entdeckender Details und skurille Charaktere, wie etwa der Doktor mit dem auotonom nickenden Roboter auf der Schulter, auf einen warten. Wenn man durch die Straßen streift, sich die ganz verschiedenen Leute nach einem umgucken oder einen auch mal ohne den berüchtigten Bethesda-Zoom anlabern, dann fühlt sich die Welt schon sehr lebendig an. Auf der actionlastigeren Seite wird in Gebieten wie der Toten Stadt, mit dem Panorama-Blick über zusammengefallene Hochhäuser und silhouettenhaft herumhuschenden Mutanten, noch mal voll die Atmo-Schraube aufgedreht.


Aber ja, irgendwas ist unbefriedigend an den linearen Dungeons, die in einem so krassen Kontrast zur ansonsten offenen Welt stehen. Vielleicht ist es der Zwang, nach jedem Feuergefecht erst einmal die Gegend nach Loot abgrasen zu müssen. Dieses kann man dann meist verkaufen, um wieder genug Geld für neue Munition zu haben - etwas anderes Interessantes gibt es in den Läden ja meist nicht, nachdem man sie einmal leergekauft hat. Vielleicht sind es auch das Backtracking und Recycling - ab und an muss man Dungeons wieder ganz zurücklaufen oder in einer anderen Mission zum zweiten Mal bezwingen. Vielleicht sind es die wenigen Gegnertypen, die einem so über den Weg laufen. Eigentlich sind die echt gut gemacht! So springen die Nahkämpfer über Hindernisse hinweg, weichen Angriffen aus und stolpern und fallen, wenn man ihnen in die Beine schießt. Fernkämpfer dagegen suchen Schutz - auch hinter Kameraden mit großen Schilden -, behalten immer unseren letzten Aufenthaltsort im Auge, geben sich gegenseitig Deckung, sprechen miteinander und blasen auch mal den Rückzug zu besseren Positionen an. Aber es sind halt, abgesehen von einem Boss oder Miniboss hier und da, nur diese zwei Typen, auch wenn sie immer mal wieder anders aussehen oder unterschiedlich viel aushalten. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass genau diese Gegner elendig viele Kugeln schlucken. Das ist zwar eigentlich okay, weil es uns ja nicht anders geht, aber mich persönlich nervt es, wenn jeder Heini einen Helm trägt und man deswegen mit einem Scharfschützengewehr gleich zweimal abdrücken muss. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass das eigentlich ganz vielversprechende Schleichsystem nicht so viel bringt, weil die Feinde katzenhafte Augen haben. Immer mal wieder bekommt man zwar die Gelegenheit, mit einem Bumerang-artigen Wingstick den einen oder anderen unachtsamen Schergen zu enthaupten, aber meist fällt das sehr schnell auf. Oder eine Situation ist geskriptet und man hat ohnehin keine Chance, sich da irgendwie heimlich aus der Affäre zu ziehen. Vielleicht ist es aber auch die absolut vernachlässigte Autospeicher-Funktion. Wenn man in einer sehr spannenden Mission mal vergisst zu speichern und doof stirbt, wird man zum letzten Speicherpunkt zurückversetzt - meist ist das der Anfang des Auftrags. Da kann schon mal eine halbe Stunde verloren gehen. Das sollte man bei einem aktuellen Shooter, der nicht gerade Oldschool-Ansprüche wie Dark Souls stellt, nicht erwarten müssen.


Aber irgendwie sind das alles keine harten Argumente, sondern nur Softie-Kram, über den man weint, wenn einem sonst nichts einfällt. Ich weiß ja auch nicht. Eigentlich ist alles ziemlich cool. Auch der Multiplayer ist ganz in Ordnung, mit Destruction-Derby-ähnlichen Autorennen, bei denen man andere Spieler zerstören muss, um Punkte zu sammeln, oder den Wasteland Legends, kurzen Ko-Op-Missionen, die auf Stories aus dem Singleplayer basieren. Trotzdem zieht es im Multiplayeraspekt im Vergleich mit dem direkten Konkurrenten Borderlands den Kürzeren. Einerseits würde ich, wenn ich alleine wäre, wahrscheinlich lieber RAGE spielen. Es ist mehr auf die einzelne Person ausgelegt. Oder für kurzen Online-Spaß. Aber Borderlands ist im Ko-Op durch die sich unterstützenden Klassen, ein süchtigmachenderes Loot-System und spaßigere Kämpfe bei mehr Gegnerabwechslung einfach wesentlich fetter. Aber vielleicht spricht da auch der Fanboy aus mir.

Was mir jedenfalls überaus positiv noch aufgefallen ist - zuzüglich dazu, dass das ganze Spiel eigentlich Spaß macht -, ist die gut gelungene, deutsche Synchro. Man hört eine ganze Menge bekannter Stimmen, vor allem aus anderen Spielen, aber auch aus Serien oder Anime-Filmen. Das stört allerdings nicht, weil sie alle gut sind und keine von ihnen zum Nerven anmutet. Insofern ein Daumen nach oben für die Lokalisation! Habe ich schon Enthauptungen erwähnt? Die deutsche Version hat Enthauptungen.

Ja, also, RAGE. Cooles Spiel. Shooter im Ödland mit ein paar kleinen Mankos im Hauptteil. Macht ansonsten aber viel richtig, hat Stil und hält so lange vor wie ein kleines Rollenspiel ohne Abstriche in der Vielfalt der Areale zu machen. Wer sich einen Fallout-Shooter wünscht, wird wohl zur Zeit nichts Authentischeres finden. Rian

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