Valkyria Chronicles 2

(Artikel)
Rian Voß, 10. September 2012

Valkyria Chronicles 2

Fortsetzung auf verlorenem Posten

Drei Jahre ist es her, dass ich Valkyria Chronicles durchgesuchtet habe, und zwei Jahre sind seit Welkin Gunthers brillantem Schlag gegen das Imperium vergangen. In der Zwischenzeit hat sich viel im idyllischen Gallia, welches wegen seines Reichtums und seiner geringen Größe im fiktiven Zweiten Europakrieg eigentlich gerne unabhängig bleiben würde, getan. Lange habe ich geweint, weil die Fortsetzung des PS3-Spiels exklusiv für die PSP erschien, aber mit der Macht meiner PS Vita konnte ich mich auch endlich auf Valkyria Chronicles 2 stürzen. Und wurde derb enttäuscht.

Die gute Nachricht ist gleichzeitig die schlechte Nachricht: es ist alles beim Alten geblieben. Wer Valkyria Chronicles durchgespielt hat, kann sofort mit VC2 weitermachen und wird, abgesehen von der Nahkämpferklasse namens Armor Tech, kaum Überraschungen erleben. Das klingt aber erst mal nicht übel, denn das sogenannte BLiTZ-System mit seiner originellen Idee, rundenbasierte Züge mit Echtzeit-Action zu vereinen, ist ja nach wie vor nicht schlecht.
Rekapitulation: Man beginnt eine Runde mit einer Handvoll Kommandopunkte und seinem Trupp. Diese Punkte werden dazu eingesetzt, um Einheiten einzuwechseln oder auszuwählen, wodurch man sich in eine Third-Person-Ansicht begibt, mit dem Jungen oder dem Mädel dann durch die Gegend rennt, bis seine oder ihre Ausdauer aufgebraucht ist, und zu einem beliebigen Zeitpunkt eine Aktion ausführt - meistens ein Angriff. Will man eine Einheit mehrfach ziehen, muss man eben noch mal Punkte dafür ausgeben, jedoch wird die Bewegungsreichweite innerhalb einer Runde mit jeder Neuwahl halbiert. Ein Großteil einer Mission, egal ob man nun Kisten einsammeln, Bossgegner besiegen oder einfach nur alle Gegner auslöschen soll, dreht sich dabei zusätzlich noch um das Erobern feindlicher Stützpunkte, um die Versorgungslinien zu kappen und sicherzustellen, dass einem die Unholde nicht in den Rücken fallen. Und dann kommt noch ein ganzer Haufen Taktik drauf, indem man sich mit den passenden Einheitenklassen, deren Einsatz, dem Terrain und so weiter beschäftigen muss.


Leider sind da auch eine ganze Menge an Altlasten mit auf die PSP gewandert. Spielfiguren bleiben etwa immer noch gerne an allen möglichen Ecken und Kanten hängen, was zwar meist keine Ausdauer kostet, aber trotzdem Verwirrung und Frustration stiftet. Die Steuerung eines Panzers stößt da in den engen Leveln und bei herumliegenden Minen, die man eigentlich gerne umschiffen würde, ganz besonders übel auf. Schlimmer ist jedoch die KI der Gegner, welche man als durchgehend strunzdumm bezeichnen kann. Typischstes Verhalten: Irgendwelche Pioniereinheiten laufen ohne Rücksicht auf Verluste auf meine stark im Heimatcamp verschanzten Strumgewehrtruppen zu, ziehen ihnen mit ihrer Mückenmunition vielleicht fünf oder sechs Punkte ihrer dreistelligen Lebensenergie ab und kommen dann im automatischen Gegenangriff, der vielen Figuren gewährt wird, ums Leben. Sowieso legen alle gegnerischen Einheiten die Intelligenz eines DOTA-Minions an den Tag: Sie spawnen in ihren Basen und rennen schnurstracks auf meine Camps zu. Das hat für sie dermaßen hohe Priorität, dass sie auch mal Figuren, die sie locker besiegen könnten, weil ich sie unklug positionierte, einfach mal links liegen lassen und davonrennen. Hinzu kommt noch, dass keine Einheit, abgesehen von Bossen, jemals mehrfach zieht. Es kommt so häufig vor, dass der Computer einfach mal die Hälfte seiner Kommandopunkte wegschmeißt und seinen Zug vorzeitig beendet, obwohl er mich ganz einfach hätte abrauchen können.

Auch ein Punkt, den ich nicht mehr tolerieren kann: das Unterdrückungsfeuer, welches ausgelöst wird, wenn man mit seiner Figur an feindlichen Einheiten mit automatischen oder halbautomatischen Waffen vorbeiläuft. Der Gedanke sieht so aus, dass man, wenn man von einem Gegner gesehen wird, von ihm auch in der eigenen Runde aufs Korn genommen werden kann. Wenn man aber auch nur ein klein wenig die massiven Gelderlöse der Missionen in Rüstungen steckt, muss selbst ein leichter Kundschafter eigentlich nur Angst vor dem Beschuss durch ein schweres Maschinengewehr aus nächster Nähe haben. Viele Missionen sind dermaßen kaputt, und waren es auch eigentlich schon beim ersten Valkyria Chronicles, dass man sie in einer Runde schaffen könnte, indem man einer gut gepanzerten Einheit einfach alle Kommandopunkte stiftet, welche dann in kleinen Schritten komplett durch das ganze Level rennt. Könnte das vielleicht Absicht sein und Spieler belohnen, die außerhalb der Box denken? Glaube ich nicht, denn die Positionierung feindlicher Einheiten ist semi-zufällig. Das ist einerseits ganz nett, weil man bei einem neuen Versuch vielleicht eine günstigere Aufstellung erwischt, andererseits suggeriert es ziemlich deutlich, dass sich die Entwickler nicht viele Gedanken ums Leveldesign gemacht haben.


Ein ganz anderes Lied spielen da die Bosskämpfe. Zwar sind die meisten von denen auch pipi-eier-leicht, weil die Generäle nicht cleverer sind als ihre Untergebenen, und sich auch gerne mal freiwillig in die Mitte meiner stärksten Trupps manövrieren, allerdings gibt es auch andere. Der schlimmste war wohl der erste Kampf gegen Baldren, das Papasöhnchen vom Erzschurken Lord Gassenarl, welcher mit seiner lächerlich gigantischen Bewegungsreichweite einfach mal über die ganze Karte rennen konnte, zwischen seinen Zügen locker die Klasse wechselte, niedergeschlagene Truppen mit einem Befehl wiederbelebte und jede Figur meines Kaders mit einem Schlag umholzte. Da haben die Entwickler wohl auch bemerkt, dass die Mission ein bisschen unausgewogen war, so dass Baldren als Folge keine Camps einnehmen durfte. Da konnte ich förmlich die Gedanken hören: "Oh, hey, der Boss bricht irgendwie die Regeln des Spiels. Naja, brechen wir noch eine, dann ist das wieder fair!" Bullshit. Und nicht nur Bosse machen unglaublichen Kram, manchmal ploppt auch einfach feindliche Verstärkung in eigentlich vollständig eroberten Gebieten auf. Warum habe ich diese beschissenen Camps denn überhaupt eingenommen?!

Ich verstehe letztendlich einfach nicht, wie das Pacing zwischen den Aufträgen so verkackt werden konnte. Das Kampfsystem macht Spaß, aber die Filler-Missionen zwischen den Story-Ereignissen sind oft so leicht - unter anderem weil der gefährliche Permanent-Tod durch eine temporäre Hospitalisierung gefallener Charaktere ersetzt wurde - dass man eigentlich nicht lernt, strategischer zu denken, sondern nur, wie man die KI am besten austrickst. Und dann kommt alle Jubeljahre eine Mission, in der man innerhalb einer Runde so richtig zusammengefaltet wird.

Leider kommen zu diesen unverbesserten Fehlern der Vergangenheit auch noch neue hinzu, wofür ich vor allem die Umstellung auf den ressourcenärmeren Handhelden verantwortlich mache. Die Grafik ist cool und die Musik ist cool, so ist das nicht. Man hat eigentlich nirgends das Gefühl, um seine VC-Erfahrung beschissen zu werden. Allerdings musste man auf dem weniger leistungsfähigen Gerät irgendwo Abstriche machen, zum Beispiel bei der Kartengröße. An vielen Stellen ist die Map in mehrere Teile aufgesplittet, zwischen denen gewechselt werden kann und muss. Im Briefing wird man leider nur sehr wenig darüber informiert, wo man welche Gegnertypen zu erwarten hat, so dass man bei einem Areals-Wechsel gerne mal einen Kommandopunkt umsonst ausgegeben hat, weil man mit dem eingesetzten Scout eben keinen dort lauernden Panzer besiegen kann. Man müsste zwar meinen, dass man zumindest sowas wie eine Feindzahl, die Wahrscheinlichkeit für das Aufkommen von statusverändernder Munition (es kommt superselten vor, aber wenn sie da ist, nervt sie tierisch) oder einen Überblick über die Spezialfähigkeiten oder Befehle von Bossen bekommen kann, aber die Aufklärer der gallianischen Armee scheinen vollkommen unfähig zu sein.
Schlimmer ist jedoch die Menüführung. Ich mag ja eigentlich die Campus-Benutzeroberfläche, so rein vom Stil her. Man kann in einem Hauptmenü verschiedene Orte auswählen, die jeweils ihre eigene Funktion erfüllen. Was ich nicht mag, ist mir erst die Missionsbeschreibung im Briefing Room durchlesen zu müssen, mir dann merken zu müssen, welche Umgebungseffekte es so gibt, dann raten zu müssen, wie ich meinen Panzer und meine Truppe auszurüsten habe, das in separaten Menüs erledigen muss, dann meine Gruppen eventuell neu zu strukturieren habe, weil man aus irgendeinem Grund nie auf alle Mitglieder meines Squads zugreifen darf, nur um dann noch mal von ganz außen zum Drill Ground zu wechseln, wo ich nachschauen muss, welchen Soldaten denn welche Credits fehlen, um eine Klasse aufzusteigen. Da ich manchmal recht vergesslich bin, muss ich mit Zettel und Papier neben meiner PSP hocken, um mir den ganzen Kram aufzuschreiben, auch wenn man das einfach alles ins selbe Menü hätte legen können!


Aber ja, Credits. Wenn es ein schlechtes Feature gibt, von dem ich sagen würde, dass es VC2 kaputt macht, dann wären es die Credits. Credits sind Auszeichnungen, die eingesetzte Figuren am Ende der Mission erhalten - je mehr sie zum Sieg beitragen (etwa durch das Töten von Feinden, das Einnehmen von Camps oder das Heilen von Verbündeten), desto mehr verschiedene Credit-Typen bekommen sie am Ende, allerdings nie mehr als drei. Es gibt aber keine Regel, nach der man den Typ der erhaltenen Credits beeinflussen könnte. Jetzt gibt es pro Auftrag eigentlich immer sechs verschiedene Credit-Typen. Aufträge können gut und gerne mal eine halbe Stunde oder länger gehen. Das bedeutet, dass man für eine Mission nur etwa eine 50/50-Chance hat, überhaupt den einen Credit für den Klassenpfad, den man sich wünscht, zu erhalten. Und oft braucht man noch mal mehrere vom selben Typ. Meine Leute hatten am Ende des Spiels in der Regel durchschnittlich etwa 50 Credits, davon waren 45 für sie nutzlos und es gibt keine Möglichkeit zum Umtauschen. So hatten am Ende des Spiels nur sechs meiner über 20 Leute die zweite und nur die Hälfte davon die dritte Klassenstufe erreichen können. Tipp des Spiels lautet: "Spiel doch einfach alte Missionen noch einmal!" Ja, haha, fick dich. Einmal ist mehr als genug.

Worüber ich allerdings sehr froh bin, ist dass das Teamgefühl aus dem ersten Valkyria Chronicles intakt gelassen wurde, der Plot und die Stimmung wesentlich besser zum Setting passen und die Art Direction mehr Integrität aufweist. Das sind drei Dinge, die keinerlei Einfluss darauf haben, wie gut man darin ist, Feinde vom Spielfeld zu fegen, sondern den Spieler dazu bringt, sich überhaupt um die Charaktere zu kümmern. Was ziemlich wichtig ist, wenn das Gameplay schon halb verkackt wurde.
Die Geschichte von VC2 spielt hauptsächlich in und um die Militärakademie Lanseal und den Protagonisten Avan Hardins, welcher versucht, hinter die Wahrheit des mysteriösen Todes seines Bruders Leon zu kommen. Zeitgleich tobt in Gallia nach dem Krieg mit dem Imperium ein Bürgerkrieg, angeführt von Lord Gassenarl und seinen zwei Kindern, welche den Thron und die Auslöschung der Darcsen, dem Juden-Äquivalent dieser Fiktion, fordern. Da aber die Akademie eigentlich nicht dafür vorgesehen ist, die Rebellion primär niederzuschlagen, gibt es hier auch mal ein bisschen Freiraum, der die Charaktere legitim atmen lässt. Es wirkt einfach nicht so sehr fehl am Platz, dass die Studenten und halben Kinder auch mal einen Sommertag im Pool verbringen oder dass ein Wettbewerb zwischen den Klassen ausgetragen wird. Mit Grauen erinnere ich mich im Gegensatz dazu daran, wie im Vorgänger ein tragischer Massenmord innerhalb weniger Minuten von einer luftig-leichten Strandparty abgelöst wurde.
Die Geschichte wird dazu durchgängig in Animegrafik präsentiert, von teils hervorragenden, teils normalen Synchronsprechern getragen und musikalisch sehr schön unterstützt. Gerade die kleinen Szenen zwischen Avan und seinem Squad, die man sich vollkommen optional angucken kann, fand ich immer gut und brachten mich dazu, auch die Namen meiner Squadmitglieder wie von selbst auswendig zu lernen. Ich dachte dann nicht mehr: "Ich nehme zwei Sturmtruppen mit", sondern "Okay, für diese Mission brauche ich Anisette und Zeri." Nicht nur das, sondern wenn man Leute häufiger in Missionen verwendet, schalten sich mehr Dialoge und zudem noch Kameradenmissionen frei, die neue Spezialfähigkeiten aktivieren können. So hat man im Endgame wirklich seinen personalisierten Trupp an Freunden und Vertrauten, um die man sich auch sorgt, wenn sie mal KO geschossen wurden.

Wer nach 30 Stunden Valkyria Chronicles 2 dann übrigens immer noch nicht genug hat, kann sich noch Freunde dazuholen und im Ko-Op Missionen bestreiten oder sich im Versus gegenseitig kloppen. Ich konnte das leider nicht ausprobieren, weil das natürlich nur im ad hoc-Modus funktioniert und Nex sich weigerte, für das Spiel die Kohle loszumachen, aber ich kann mir vorstellen, dass gerade der Versus mal eine gelungene Herausforderung stellen könnte.

Es gibt noch ein Dutzend anderer Dinge, die mich an VC2 stören und hier nicht mehr großartig Erwähnung finden sollten: Das schlecht durchdachte Temp-Coating-System, der Geldüberfluss bei gleichzeitigem Mangel an Dingen, die man überhaupt kaufen kann, die nutzlosen, viel zu teuren Befehle, Jardes dämlich pfeifender Voice Actor und noch viel mehr. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele der schlechten Ideen, die ins Spiel gefunden haben, nur drin blieben, weil die Entwickler schon froh waren, die Engine so gut von der PS3 zur PSP zu portieren. Allerdings haben sie dabei schon fast zu gute Arbeit geleistet und über die bekloppten Zusätze und Änderungen, die das Spiel doch recht stark beeinflussen, nicht genug nachgedacht. Am Ende von Valkyria Chronicles hatte ich eine Gänsehaut. Am Ende von Valkyria Chronicles 2 war ich froh, dass es vorbei war. Schade eigentlich. Rian

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03. September 2010
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