DEFCON

(Artikel)
Rian Voß, 19. Juli 2012

DEFCON

Alle sterben, rien ne va plus

"Wargames", so heißt ein Film über ein Hackerkind, das mal eben Zugriff auf die Großrechner gewinnt, die sämtliche Nuklearwaffen aller Ländern fernsteuern. Zuerst wirkt es wie ein Spiel, das den Kalten Krieg simuliert, aber die Lage wird immer ernster und bedrohlicher bis sie aussichtslos und der weltweite Atomschlag unaufhaltsam wirkt. Herzlichen Glückwunsch! Wenn ihr DEFCON gekauft habt, dann habt ihr euch soeben erfolgreich eingeloggt und hantiert nun mit echten Menschenleben auf eine erschreckend nüchterne Art und Weise.

Das Spielprinzip ist simpel: Niemand kann gewinnen. Aber man kann am wenigsten verlieren. Im Standard-Spiel befindet man sich als Waffeninhaber einer großen Nation direkt in der Steuerzentrale aller kampffähiger Maschinerie, die man für Steuergelder so kaufen konnte. Unerbittlich zählt auf der kühlen, beruhigend blauen oder grünen Weltansicht ein Timer hoch, der die DEFCON, die DEFense Readiness CONdition, nach US-amerikanischem Maßstab vom normalen Fünfer-Level gemächlich bis zur Eins hochzählt. Dabei werden nach und nach pro Stufe immer mehr Waffen scharfgestellt - erst darf man nur Einheiten über das Feld bewegen. Dann werden die Radars aktiv. Dann lassen sich Sprengköpfe aus U-Booten und Bombern abfeuern. Schließlich öffnen sich die Silos und die massenvernichtenden Langstrecken-Nuklearbausätze verteilen ihre tödliche Ladung überall in der Welt. Wenn man nicht realisieren würde, was da wirklich passiert, könnte man die vielen sich kreuzenden Linien, die die Flugbahnen der Raketen repräsentieren, über der Weltkarte fast als schön bezeichnen.


Gerade die Präsentation von DEFCON hat mich sehr beeindruckt. Es gibt keine drängenden Computerstimmen, die einem sagen, dass jetzt wieder eine GDI-Einheit zerstört wurde - nur die schrillende Alarmsirene, wenn die Readiness wieder hochgeschaltet wird, lässt einen vielleicht kurz im Sitz aufschrecken. Ansonsten gibt es keine Töne und selbst die Hintergrundmusik wagt es nie, das sich zuspitzende Spiel künstlich anzutreiben. Alles bleibt kalt und berechnend. Insofern ist es so genial wie geisterhaft schauerlich, wie eine in Tokyo, Washington D.C. oder Berlin eintreffende Bombe, die nicht rechtzeitig durch die Luftabwehr abgefangen wurde, nur durch einen hellen weißen Fleck und eine kurz erscheinende Zahl, die die Menge der Toten in Millionen verdeutlicht, dargestellt wird. Gerade durch die Abwesenheit sämtlicher menschlicher Einflüsse kann DEFCON als Anti-Kriegsspiel mächtig Eindruck schinden.


Was es aber künstlerischem Tiefgang hat, fehlt leider ein klein wenig bei den strategischen Möglichkeiten. Die Entwickler haben sich bedeutend viel Mühe gegeben, das Einheitenmanagement so simpel wie möglich zu gestalten: Jeder Spieler hat nur eine bedingte Anzahl an Silos, Zerstörern, Flugzeugträgern, Nuklearwaffen und U-Booten. Was weg ist, ist weg, also muss man sehr auf seine Ressourcen aufpassen. Die größte Taktik im Spiel beruht rein darauf zu erahnen, wie der Gegner denken wird. Spiele können bereits in der DEFCON-3- oder -4-Phase gewonnen werden, lange bevor die erste große Atombombe fliegt, wenn man seine Unterwasser-Armada richtig platziert und die Zerstörer der gegnerischen Seite früh im Spiel aus dem Verkehr zieht. Zählen ist hier, wie bei Doppelkopf oder Skat, immens wichtig, denn sonst wiegt man sich in der Sicherheit, dass alle U-Boote vernichtet wurden, nur um zu bemerken, dass ein Trupp noch übrig ist, der gerade vor der heimischen Küste auftaucht - und bis man die Atomsilos wieder in Luftabwehr umgewandelt hat, liegt schon längst jede Großstadt in Schutt und Asche.


DEFCON bringt neben der üblichen Möglichkeit, ein Scharmützel gegen Menschen oder die KI zu führen, auch noch ein paar interessante Modi mit sich, ganz vorne an der Office-Mode, der einen ganzen Werktag in Anspruch nimmt und bei dem es nicht möglich ist, die Zeit voranzutreiben. So kann man immer mal wieder ins Spiel reinschauen, seine Aufträge an die Einheiten verteilen und wieder raus-alt-tabben, bevor der Chef merkt, dass sich in der geöffneten Excel-Tabelle seit zehn Minuten nichts mehr getan hat. Besonders gut: Im der Systemleiste werden Ereignisse subtil angezeigt, so dass man nie etwas verpasst.
In einem anderen Spielmodus beginnen alle Spieler auf derselben Seite und man kann stetig dabei zugucken, wie ein Spieler nach dem anderen das Bündnis bricht, um doch den größten Anteil vom Kuchen zu bekommen, sprich: am Ende die meisten Überlebenden zu haben.

Dieses Spiel dürfte in allen Spielerklassen ein gewisses Interesse wecken. Das Gameplay-Design ist interessant, ebenso die Aufmachung, das simple, auf Lug und Betrug basierende Spielprinzip sowie die kreativen Spielmodi. Das Problem wird wohl nur sein, dass es für einen Langzeitspielspaß wohl am Ende doch ein wenig an der Variation mangelt. Trotzdem sollte jeder zumindest einmal einen Blick auf die Demo geworfen haben. Rian

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29. November 2006
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