Prince of Persia: Forgotten Sands

(Artikel)
Benjamin Strobel, 05. Juli 2012

Prince of Persia: Forgotten Sands

Das Midquel, das niemand wollte

Prince of Persia brachte 2003 mit der Sands of Time-Reihe eine erfolg- und einflussreiche Spielserie auf den PC und die damaligen Konsolen. Im letzten Jahr wollte Ubisoft an die Erfolge vergangener Tage anknüpfen: The Forgotton Sands siedelt sich im selben Universum an und spielt zeitlich zwischen dem ersten Teil und Warrior Within. Mit Beginn der ersten Spielminute fühlt man es: alles ist genau wie damals. Es kommt einem so seltsam vertraut vor. Aber ist das gut oder schlecht?

Neu: Das gleiche Milchbubi-Gesicht wie im Film.

Wenn ich diesen Satz damit beginne, dass fast alle alten Elemente aus Sands of Time einfach in das neue Spiel hineinkopiert wurde, wäre das wohl die schnellste Lüge eines D-Pad-Artikels. Ich möchte es euch trotzdem vorlügen. Und gleichzeitig erklären, warum es nicht ganz stimmt. Die listigen Entwickler dachten sich offenbar Folgendes:

Haha! Die Leute sollen nicht sofort merken, dass wir die alten Animationen und Gameplay-Elemente einfach übernommen haben. Daher tauschen wir das alte Modell des Prinzen gegen ein neues aus! Wurde er im Kino nicht gerade von diesem Schönling Gyllenhaal gespielt? So ein reizendes Gesicht, da möchte man weinen. Das nehmen wir!

Und schon passierte es. Aus dem adretten Prinzen der alten Trilogie wurde Weiner und Milchbubi-Gyllenhaal! Man möchte ihm in die Pausbäckchen kneifen und sagen: Kleiner, was bist du pausbäckig geworden! Im Ernst: er sieht echt nicht gut aus. Aber was seinen Abstieg im Äußeren noch übertrifft, ist seine maßlose Dummheit.
Es begibt sich, dass er und sein genauso verdummbeutelter Bruder (es liegt in der Familie) den längst vergessenen Sand der Zeit aus seinem etwas lausig verschlossenen Tresor in die Welt entlassen. Und mit ihm eine Armee untoter Krieger, die daraufhin das Land verwüstet. Das als Schlüssel dienende Amulett zerfällt in zwei Teile, von dem je eines an den Prinzen und seinen Bruder gehen. Auf dubiose Weise landet der Prinz dann erst mal in einer anderen Dimension, wo er von einer hübschen Dame namens Razia erfährt, was los ist und wie er das Übel wieder abwenden kann. Alles, was er tun muss, ist die Hälften wieder zusammenzustecken, um den Sand zu versiegeln. So viel zur Theorie. Tatsächlich ist es aber so, dass sie es nicht für nötig halten, sich damit zu beeilen. Und bis es dann soweit ist, dass die Chance sich ergibt, hat der machthungrige Bruder schon das Blut seiner neuen Kräfte geleckt und will seinen Teil nicht mehr hergeben. Er schubst den Prinzen beiseite und kommt davon. Im Spiel wird es dann so dargestellt, als sei er nicht mehr ganz Herr über sich. Auch wenn das keinen Sinn macht, passiert das beim Prinzen nicht, obwohl ihm das Amulett dieselben neuen Kräfte verleiht. Aber man muss es halt so sehen, dass der Prinz eben nicht so eine Memme wie ein Captain aus Star Trek ist: übermächtige Wesen ergreifen nicht so leicht Besitz von ihm! Okay, laut Spiel wird es dadurch erklärt, dass Razia dem Prinzen durch ihre Berührung etwas von ihrer Kraft gegeben hat, die ihn beschützt. Ende.

Der Sand der Zeit: So alt, dass wir ihn fast vergessen hätten.

Die folgenden drei bis vier Stunden sind so alt und bärtig, dass man sich nur an den Kopf fassen kann. Der Prinz rennt wie ein aufgescheuchtes Huhn durch den Palast, um seinen Bruder zu treffen (wie das endet, wissen wir ja schon). Auf dem Weg von Raum zu Raum und Stockwerk zu Stockwerk muss der Prinz regelmäßig an Wänden herumklettern, Säulen hochrobben und Fallen ausweichen. Er kann klettern, hangeln, springen und an der Wand entlang laufen! Jesus, Maria und Jospeh! Er kann sogar die Zeit umkehren! Man könnte glatt meinen, dass das Feeling auch gleich auf 2003 zurückgedreht wurde. Die Animationen haben sich nur unwesentlich weiterentwickelt. Ob die Verweigerung von Motion Capturing einfach zum Stil der Prince of Persia-Reihe gehören soll, kann man wohl diskutieren. Nachdem man aber Jahr um Jahr Assassin's Creed gespielt hat, sind die Augen eben sehr animations-verwöhnt. Hinzu kommt leider die Trägheit der Steuerung, die ich als klare Schwäche sehe. Will man springen, so sollte man dies dem Prinzen per Knopfdruck so eine halbe Sekunde vorher melden, damit er mal in Gang kommt. So manche Falle hat mich einfach umgeholzt, weil die Reaktionszeit des Spiels so deplatziert ist. Auf der anderen Seite werden Eingaben vom Spiel auch noch memoriert, was bedeutet, dass so mancher Sprung, der erst nicht passierte, dann zweimal gedrückt wurde, am Ende auch ein zweites Mal passiert, wenn man ihn gar nicht mehr gebrauchen kann. Es bedurfte den halben Weg durch das Spiel, um mich an diesen unkomfortablen Nebeneffekte zu gewöhnen. Danach macht es langsam sogar Spaß.

Auf A springen, mit B schlagen: Alt. Mit Bart.

Das liegt nicht nur an der Einarbeitung in die Steuerung, sondern auch daran, dass das Spiel ab der Hälfte auch mal neue Gameplay-Elemente einführt. Etwas, mit dem ich zu jenem Zeitpunkt gar nicht mehr gerechnet hatte. Ziemlich schnell konnte man die Zeit zurückdrehen, doch dann bekam man lange nichts spendiert. Einziges Fortkommen war im Skill-Tree zu verzeichnen: Für besiegte Feinde gibt es Erfahrungspunkte, die man wiederum eintauschen kann, um seine Energieleiste zu vergrößern oder mehr Magie-Punkte zu erhalten. Per Magie kann man dann vier Elementarzauber (Feuer, Eis, Erde, Wind) wirken, die allein für den Kampf vorgesehen sind und alle offensiv funktionieren, abgesehen vom Erdzauber, der den Prinzen mit einer Rüstung kurzzeitig unverwundbwar macht (lasst euch aber nicht täuschen: ein Fall in den Abgrund ist nach wie vor tödlich). Wie wir es aus den früheren Spielen kennen, wechseln Kämpfe sich auch hier mit den Kletterpassagen ab. Man kann sie also völlig vorhersehen: Aha, ich bin durch den ganzen Raum zum nächsten geklettert. Ob jetzt wohl.. jap, Feinde. Selbst mit magischer Unterstützung bleiben die Kämpfe recht eintönig. Es gibt ein paar Basis-Moves, aber keine neuen Kombos, die man lernen könnte. Es gibt drei Typen kleiner Gegner und zwei Sorten etwas größerer. Einige können blocken und müssen erst betäubt werden, ansonsten benötigt man keine spezielle Taktik.

Schließlich aber überrumpelte mich das Spiel: Ich bekomme die Fähigkeit, Wasser für kurze Zeit einzufrieren. Springbrunnen werden zu Säulen, ein Wasserfall zu einer soliden Wand. Natürlich nur, solange man die Taste gedrückt hält. Zu Anfang demonstriert das Spiel dieses neue Prinzip an simplen Beispielen, dann wird es komplexer. Man kann nicht mehr einfach drauflos klettern. Es reicht auch nicht, sich mit dem Klettern an gefrorenem Wasser zu beeilen, bis einem die Freeze-Time ausläuft. Schlimmer. Springbrunnen aktivieren sich nur noch abwechselnd, setzen aus und starten wieder. Jetzt muss man im richtigen Moment das Wasser einfrieren, danach greifen, abspringen und sofort den Freeze-Trigger wieder los lassen, damit das Wasser wieder fließt und sich schließlich der nächste Brunnen aktiviert, für den man blitzschnell wieder alles einfrieren muss. Mit der Einführung dieses Elements hat das Spiel dann richtig Spaß gemacht. Es wurde sogar noch ein weiteres Gimmick eingeführt: in einem späteren Spielabschnitt kann man zerstörte Objekte in der Umgebung rekonstruieren - aber nur eins zur Zeit! In Kombination mit dem Wasser haben die Entwickler wilde Räume konstruiert, bei denen man reichlich Geschick demonstrieren muss.

Der Wallrun: Alt, alt, alt.

Das ist auch wichtig, denn das Gameplay ist DAS tragende Element von Prince of Persia: The Forgotten Sands. Die Story ist völlig generisch und langweilt den Spieler nur, wenn sie mal längere Erklärungen heranzieht. Zuletzt mangelt es auch an interessanten Charakteren: der große Widersacher ist ein brüllender, aber sonst stummer Riesenteufel, der Prinz und sein Bruder bringen den Spieler mit ihrer direkten Abstammung von Familie Toastbrot nur zum Kopfschütteln und die Prinzessin aus einer anderen Welt dient als Story-Device für Erklärungen, die niemand will. Da können auch die schäbigen Oneliner des Prinzen nichts mehr aufwerten.

Nach etwa sieben Stunden rollten für mich auch schon die Credits über den Bildschirm. Als Wiederspielwert kotzt einem das Spiel noch einen Challenge-Modus vor die Füße, in dem man acht Feindwellen so schnell wie möglich besiegen muss. Da ich acht Minuten dafür gebraucht habe, gebe ich The Forgotten Sands eine großzügige Spielzeit von sieben Stunden und zehn Minuten. Abzüglich der drei Stunden, in denen ich genauso gut Sands of Time hätte spielen können, bleibt leider nicht viel übrig. Die guten Ideen haben Spaß gemacht, aber warum kamen sie nicht früher? Warum überlegte man sich keine brauchbare Geschichte mit Charakteren, für die man sich interessiert? Und warum ist der Prinz so hässlich? Wenn man noch nie ein Prince of Persia gespielt hat, kann man diesen Fragen mal nachgehen. Ansonsten kann ich The Forgotten Sands leider nicht empfehlen. Nex

Kommentare

Rian
12. Juli 2012 um 17:45 Uhr (#1)
Es stimmt, das Spiel macht erst so richtig Spaß, wenn man die Wasserfähigkeit dazubekommt, vorher ist es relativ meh. Kämpfe sind, wie immer, nur ein bisschen Ablenkung. War allerdings von dem üblichen SoT-Gameplay nicht soooo sehr angemüdet, nur die ersten paar Kletterpassagen waren so simpel gestrickt, dass ich ein bisschen wegnicken musste. Der neue Gameplayteil kommt da gerade noch schnell genug. Was den Schlag-Delay angeht... ja, ich weiß auch nicht, was Ubi sich dabei gedacht hat. Das macht den Flow im Kampf irgendwie ziemlich kaputt und SoT ist jetzt nicht gerade das taktische Kampfspiel, bei dem das Ausholen der Waffe nun zum Realismus und zur gewünschten Herausforderung beitragen würde. Die Spezialfähigkeiten sind auch nur ein bisschen Zuckerguss und machen den Kampf kein bisschen interessanter - hier wären lieber noch ein paar Puzzlefähigkeiten hübscher gewesen. Aber man muss ja ein Levelsystem einbauen, sonst hat der Spieler ja nicht das Gefühl, er würde stärker werden! (Schwachsinn.)
Ansonsten würde ich persönlich sagen, dass man als Sands-of-Time-Fan ruhig den Budgetpreis zahlen kann, das hat das Spiel noch verdient.
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19. April 2024 um 12:37 Uhr
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