The Ship

(Artikel)
Rian Voß, 22. Juni 2012

The Ship

Der Thriller zum Mitspielen

Videospiele können viele Gemütszustände hervorrufen. Silent Hill? Paranoia und Panik. Dark Souls? Ehrgeiz und Euphorie. Tetris? Blanke Rage! Wie viele andere Spieler umgehe ich gerne Spiele, von denen ich garantiert weiß, dass sie außerhalb meiner Komfortzone liegen, doch manchmal wird man halt doch überrascht. Die eigentlich ganz putzig aussehende Mordsimulation The Ship führte bei mir daher vollkommen unerwartet zu plötzlichen Herzstillständen und Adrenalinschüben.

Die Spieler einer Runde dieses Multiplayer-only-Titels werden von dem wahnsinnigen Mr. X auf einem schwimmfähigen Untersatz gefangen gehalten, um sich dort zu seinem Vergnügen gegenseitig das Leben zu nehmen. Der Mann hat allerdings Anspruch und sorgt auch für Ausgleich des Arbeitsaufwands jedes Gekidnappten, denn anstatt alle in einer Arena gegeneinander zu hetzen, bekommt jeder Spieler den Namen seines Ziels, das es zu töten gilt. Nur den Namen! Und ab und zu einen Hinweis darauf, wo das Opfer zuletzt gesehen wurde. Allerdings kann man sich ein wenig dadurch behelfen, dass man andere, herumstreunende Spieler anspricht, wodurch ihr Portrait sowie ihre aktuelle Kleidung gespeichert wird - wer sich also fleißig umhört, hat es in späteren Runden leichter, sein nächstes Ziel zu identifizieren. Doch sollte man nicht vergessen, dass auch eine der Personen, mit denen man vielleicht gerade palavert, scharf auf das eigene Blut ist.


Aber warum überhaupt darauf eingehen? Nun, Mr. X zahlt riesige Summen für einen gelungenen Anschlag und noch mehr, wenn es mit einer ulkigen Waffe, die man in irgendeinem Wandschrank gefunden hat, geschieht. Nun könnte man denken, dass man einfach herumrennt und heimlich jeden anderen Spieler backstabbt, was zuerst auch keine Nachteile hat, jedoch wird jeder respawnende Charakter aus unserer Liste bekannter Figuren entfernt, also schießt man sich eigentlich nur selbst ins Knie. Außerdem werden einige Personen am anderen Ende der Leitung garantiert Rachegelüste verspüren. Dann gibt es noch nach einer Weile Geldstrafen fürs willkürliche Morden. Und eine unvorsichtig gezogene Waffe kann schnell dazu führen, dass man verhaftet wird, wodurch man weitere Geld- und sogar Zeitstrafen einstecken kann. Zu guter Letzt weiß unser Jäger da draußen dann auch noch ganz genau, wo wir uns aufhalten - nämlich im Knast. Und ratet mal, wer dann nach dem Absitzen unserer Haftstrafe am Ausgang auf uns wartet?


Einmal bin ich meiner Zielperson durch ein paar Gänge gefolgt, bis sie in ihre Kabine ging. "Jetzt ist sie dran!" dachte ich mir. Ich musste dann aber doch schnell einsehen, dass mein geschulterter Zweihänder keine Chance gegen die im Schlafzimmer vorbereitete Muskete hatte.
Da man zu keinem Zeitpunkt weiß, wer nun da draußen unser Ableben plottet, beginnt eine Runde immer sehr paranoid und vorsichtig. Ist der Typ da am Ende des Ganges eventuell unser Ziel? Oder nur irgendein Passagier? Oder wird er gleich ein Messer zücken und uns erdolchen? Man weiß es nicht! Hat man einmal die Witterung aufgenommen, muss man seine Beute meist erst in einen relativ unbeobachteten Bereich verfolgen ohne dass sie spitz kriegt, was man vor hat. Ziemlich schwierig, weil Fußschritte einen Heidenlärm machen. Meist schöpft dann doch jemand Verdacht und man muss sich möglich normal verhalten. Hattet ihr schon mal im Supermarkt einen Rucksack dabei und ihr dachtet, jeder würde euch für einen Dieb halten, nur weil ihr eure Einkäufe in die Tasche steckt? Versucht ihr dann auch euch so unscheinbar zu verhalten, dass ihr fast anfangt zu pfeifen? Sich gezielt nicht verdächtig zu verhalten ist verdammt schwierig!
Man kann auch nur in den seltensten Fällen den Ezio machen auf die Schnelle unbemerkt den Job erledigen, weil entweder die wenigen Schusswaffen, die man findet, viel zu wenig Kohle geben und besser zur Verteidigung geeignet sind, oder weil man keine Ahnung hat, wieviel Schaden die Nahkampfwaffen anrichten. Manchmal reicht es, seinem Opfer einen Kochtopf mit Schmackes über den Hinterkopf zu zimmern, manchmal hat der Typ noch genug Zeit, um sich umzudrehen und seine Schrotflinte in Notwehr zu ziehen.


Das ganze nette Getue fällt aber schnell flach, sobald der erste seine Aufgabe erfüllt hat und der Rundentimer anfängt zu zählen. Dann geht die Party los und man wird unvorsichtig! Da füllt sich der Knast! Dann wird ohne Rücksicht auf Verluste durch die Gegend gesprintet und auch der eigene Hunger ignoriert - was man nicht tun sollte, denn wer eins seiner vielen Bedürfnisse unter den Tisch fallen lässt, stirbt an Einsamkeit oder kommt durch seinen eigenen Gestank um. Peinlich! Gerade auf die Sprintanzeige muss man immer ein Auge haben, um angeschlagenen Flüchtlingen noch eine zu verpassen oder um sich aus einer schlechten Situation zu verkrümeln. Dem Leeren der kleinen Statusleisten kann man entgegenwirken, indem man etwas isst, ein Buch liest, sich ins Bett legt oder unter die Dusche springt - aber nichts ist erbärmlicher als nackt im Badezimmer durch einen Gehstock ins Jenseits geprügelt zu werden.

Letztendlich ist The Ship mehr ein soziales Spiel als sonstwas, denn wer den Überblick über die Passagiere behält, verdächtiges Verhalten mit einem Blick bemerkt und selbst wenig Aufmerksamkeit erregen kann, auch indem er oft die Kleider wechselt, um nicht von bereits getroffenen Mitspielern erkannt zu werden, der hat die Nase vorn. Hier werden sich vor allem die angehenden Superbösewichte wohlfühlen, die ein perverses Vergnügen an morbiden Katz- und Maus-Spielen finden. So wie ich, anscheinend. Da taten sich mir ganz neue Seiten auf! Rian

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18. April 2024 um 08:19 Uhr
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30. Juli 2006
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Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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