Ridge Racer Unbounded

(Artikel)
Haris Odobašic, 30. Mai 2012

Ridge Racer Unbounded

Oder auch: das wahre FlatOut 3

Ich glaube, ich habe noch nie in meiner langen Rennspielerkarriere mein erstes Rennen in einem neuen Titel vermasselt. Bis Ridge Racer Unbounded kam. Das Tutorial war in das erste Rennereignis integriert und kaum hatte ich gelernt, wie man fährt, durfte ich gleich eine weitere wichtige Lektion mitnehmen: Von Gnade oder "Anfänger vor" hatten die Gegner sicher noch nie etwas gehört. Am Ende tuckerte ich irgendwo im Mittelfeld ins Ziel mit gutem Abstand zu den Podiumsplätzen, die nötig sind, um fette Erfahrungsboni abzusahnen. Mein Ehrgeiz war aber geweckt!

Jeglicher Versuch, dem Spiel eine Story zu verpassen, ist kläglich gescheitert. Irgendwie geht es darum, dass ihr Stadtbezirke "dominieren" sollt, weiß der Geier warum, und auf jedem Ladebildschirm seht ihr eine rothaarige Frau, die ein bisschen wie Batman -- oder ein Japaner im Wartemodus -- auf Gebäudedächern hockt. Ob sie dort so in die Ferne starrend darüber sinniert, wie sinnfrei es eigentlich ist, überhaupt eine Story in einem Rennspiel zu verbauen? Wer weiß und wen kümmert's?

Was zählt, ist auf dem Asphalt, und hier ist schnell klar, dass Ridge Racer Unbounded nur im Namen Teil der Rennspielreihe ist. Parallelen zu Bugbear Entertainments vorherigem Spiel, namentlich FlatOut, sind unverkennbar. Das Geschwindigkeitsgefühl ist gleich, die Bolliden steuern sich etwas leichter als in dem Dummy-Racer, aber ähneln sich im Fahrgefühl. Und die Umgebung lockt mit Laternen, Zäunen und ähnlichem Kleinkram, der ohne Geschwindigkeitsverlust auf spektakuläre Art und Weise umgefahren werden will.

Wer ganz arg nostalgisch ist, kann allenfalls in dem dezenten Fokus auf Drift-Manöver noch eine kleine Huldigung an die Ridge-Racer-Reihe erkennen. Denn Drifts sind essentiell, um eure Energieleiste aufzuladen, die, wenn sie voll ist, euch ermöglicht den Nitro anzuschmeißen. Da profitiert ihr dann nicht nur von mordsmäßiger Beschleunigung, sondern werdet zusätzlich auch noch zu einer echten Gefahr für euch und eure Umgebung. Denn nur im Nitro-Modus könnt ihr durch Gebäude krachen oder die Autos eurer Konkurrenten stilecht zerschrotten und sie damit für ein paar Sekunden aus dem Rennen schmeißen.

Hier ist auch die große Stärke des Spiels. So frustrierend es manchmal sein kann, wenn man zurückliegt und verzweifelt versucht Nitro aufzuladen -- stimmt das N2O-Gemisch im Tank erst mal, dann pumpt das Adrenalin richtig. Schafft man sich dann selbst eine Abkürzung, indem man durch den Vordereingang eines Einkaufszentrums rast und kann dann am anderen Ende rauskommend den Pfad eines Konkurrenten perfekt schneidet, um ihn ins Auto-Nirvana zu verbannen, ist die post-coitale Befriedigung auf einer Ebene mit den Allerbesten im Zerstörungs-Racing.

Da der Schwierigkeitsgrad aber zu einem großen Teil unausgewogen ist, wechseln sich Frust- und Glücksmomente mit Regelmäßigkeit ab. Pure Rennen mit ausgeschalteter Zerstörung sowie Drift-Wettbewerbe sind angenehm vom Härtegrad, aber sobald es ruppiger zugeht, bleiben quasi nur zwei Möglichkeiten: Entweder ihr schafft es euch von einem der hinteren Plätze schnell genug an die Spitzengruppe vorzukämpfen und fahrt eine gute Position ein oder ihr bleibt im Mittelfeld hängen, wo eure Karre regelmäßig geschrottet und eure Siegesträume zum Platzen gebracht werden. Es ist unerklärlich, wieso die Entwickler darauf verzichtet haben, mehrere Schwierigkeitsstufen zu implementieren. Es kann kaum einen schlechteren Spielstart geben als den Spieler schon in den ersten fünf Minuten dem Controllerbiss nahezubringen.

Der Online-Modus bietet neben dem üblichen Krimskrams die sehr interessante Möglichkeit, eine eigene Stadt zu erstellen. Stadt heißt hier im Klartext, dass ihr bis zu fünf Strecken grupieren könnt, die dann von anderen Spielern heruntergeladen und gespielt werden können. Der Clou ist dabei, dass ihr nicht etwa Strecken aus dem Spiel auswählen müsst, sondern auf einen Editor zurückgreifen könnt, um eure Traum-Rennbahn Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Streckeneditor ist von der Bedienbarkeit großartig. Aus einem großen Pool an vorgefertigten Streckenteilen, die immer gut einige hundert Meter lang sind und von euch nach und nach freigeschaltet werden müssen, puzzelt ihr euch einen schönen Streckenverlauf zusammen. Keine fünf Minuten später könnt ihr eine Spritztour wagen oder alternativ eurer Strecke den letzten Feinschliff geben. In einem Spezialeditor könnt ihr über die Strecke gleiten und eine Vielzahl von Objekten -- bis hin zu mächtigen Tanklastern, die spektakulär explodieren -- nach Belieben platzieren. Die Schattenseite ist aber, dass die Entwickler diesen Editor auch für die normalen Spielstrecken verwendet haben. Deswegen wird man durch das für den Umweltschutz irrelevante Dauerrecycling der Streckenabschnitte, egal wie abwechslungsreich ihr den Pfad gestaltet, oftmals ein Deja-Vu-Erlebnis haben.

Echte Ridge-Racer-Fans werden enttäuscht sein und hoffen, dass Unbounded eher Spin-Off als Reboot ist. Alteingesessene Flatout-Fans werden Minispiele und den serientypischen Humor vermissen, aber solche Gedanken beim ersten spektakulären Crash beiseite schieben. Alle anderen mit Lust auf Arcade-Racing dürfen gerne mal eine ungebändigte Spritztour wagen, denn trotz Frustmomenten steckt hier eine Menge Power unter der Haube gepaart mit einer verdammt hohen Laufleistung dank dem starken Fokus auf Benutzerstrecken. Evil

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