Ikusa

(Artikel)
Rian Voß, 14. Mai 2012

Ikusa

Runden-Strategie für Japanophile

Risiko ist doof. Das hat viel zu viel mit Glück zu tun, die Aufgaben werden mit wachsender Spieleranzahl immer unmöglicher und überhaupt ist das Spielprinzip viel zu simpel! Axis & Allies ist auch doof. Ständig muss man irgendwelchen Kleinkrams beachten, das Spielbrett ist durch den Einheitenclusterfuck zu unübersichtlich, man kann sich seine Bündnisse nicht frei aussuchen und es dauert ewig, bis man endlich mal an die Reihe kommt. Doch genau in diese Bresche schlägt Ikusa, formerly known as Samurai Swords, formerly known as Shogun, indem es sich aus beiden Welten Elemente nimmt und zu einer eigenen Spielerfahrung vereint.

Wenn man Ikusa anderen Leuten näher bringen möchte, dann sollte man ihnen die zwei markantesten Merkmale auftischen:

Trotz der aus markenrechtlichen Gründen verwirrend häufigen Namensänderung hatte dieses Spiel nie etwas mit der Total-War-Serie zu tun.
1. Es ist, wie gesagt, wie Risiko gemixt mit Axis & Allies. Im feudalen Japan tobt Krieg und die fünf vorherrschenden Familien möchten sich ihren Platz an der Sonne verdienen. Hier gibt es keine besonderen Aufgaben, sondern Spielziel ist einfach nur, ein bestimmte Anzahl Länder unter seine Fuchtel zu bekommen. Dies funktioniert natürlich mit Plastikmännchen, die auf den verschiedenen Provinzen verteilt stehen, und einer Menge Würfelglück. Allerdings ist Kunststoff nicht gleich Kunststoff, denn unterschiedliche Figuren erhöhen die Chance, einen erfolgreichen Treffer während einer Kampfphase zu landen, auf bis zu 50% an. Und während bei Risiko die eigenen Fronten durch immer gleichstarke Einheiten schnell abgedeckt sind, nimmt die Verteilung von Verstärkung eine ganz besonders wichtige Rolle ein, denn man kann nur eine Einheit in je eine Provinz stecken. Das ist nicht viel! Und sonderlich flink bewegen können sich unsere Freunde alleine auch nicht, so dass man ungeplant schnell vor einer versprengten Katastrophe steht.
Abhilfe schaffen da die drei Armeen pro Spieler. Unter der Leitung jeweils eines Daimyos, der mit jeder gewonnenen Schlacht an Erfahrungspunkten hinzugewinnt und so seine Männer immer länger kämpfen und immer weiter marschieren lassen kann, lassen sich noch am effektivsten die Truppen aus den einzelnen Provinzen absorbieren und so schnell eine beeindruckende Angriffsmacht bilden. Und da man dank dieses verdammten Nachschublimits nie in die Verlegenheit kommt, einmal wirklich einen Überschuss an Kampfkraft zu verzeichnen, wird auch jeder kleine, pissige Speerträger mit offenen Armen als Kanonenfutter empfangen.


Das soll nicht heißen, dass keine besseren Einheiten existieren. Von denen gibt es aber niemals sonderlich viele zu haben. Doch wenn sich erst einmal mehrere Samurai-Bogenschützen oder Ashigaru-Musketensoldaten in den eigenen Reihen einfinden, merkt man den Unterschied deutlich, denn: Fernkämpfer dürfen immer vor ihren schwert- oder stocktragenden Kollegen zum Zug kommen. Das kann die feindliche Armee schon ordentlich dezimieren, bevor sie überhaupt zum Zug kommt, doch wenn man nur diese wertvollen Kinkerlitzchen in eine einzelne Legion steckt, muss man bei jedem eingefahrenen Verlust bittere Tränen weinen.

Trotz der ausführlichen Anleitung lernt man übrigens nebenbei leider so gut wie gar nichts über die Zeit, in der man sich bekriegt.
2. Die Planungsphase. Ein Vorteil von Ikusa ist, dass die meisten Phasen einer Runde ohnehin von allen Spielern gleichzeitig ausgeführt werden - dazu gehört das Kaufen und Platzieren von Einheiten, das Bauen von Festungen, die einem im Verteidigungsfall eine nicht zu verachtende Menge Gratiseinheiten spendieren, und so weiter. Abgesehen von der Kampfphase, in der dann doch wieder nacheinander gezogen wird, spart das eine ganze Menge Zeit und Nerven. Doch besonders sticht da eben noch die Planungsphase hervor. Bevor man mit der beginnt, sammelt man entsprechend der Anzahl seiner Provinzen Münzen, die sogenannten Koku, ein. Diese kann man dann insgeheim auf verschiedene Bereiche verteilen, als da wären: Die Bestimmung der Zugreihenfolge (nicht nur wichtig für den Kampf, sondern auch falls neutrale Einheiten knapp werden), das Bauen von Festungen, der Einheitenkauf, das Anheuern des Ninjas und das Mieten von Ronin. Gerade die letzten beiden Punkte sind im späteren Spielverlauf von herausragender Bedeutung, denn die Ronin sind starke Kämpfer, die sich nicht an die übliche Verteilungsgrenze halten müssen und bis zu ihrem Einsatz geheim irgendwo auf der Karte vor sich hinschlummern. Dafür bleiben sie leider nur eine Runde lang auf unserer Seite. Der Ninja dagegen kann Daimyos ausschalten, so dass sich seine Armee nicht mehr bewegen kann und, was noch viel wichtiger ist, im Endgame resettet es schmerzlich die angeeigneten Erfahrungsstufen. Ansonsten kann der Attentäter auch als Spion eingesetzt werden, um während des Planens noch mal nach einem anderen Spieler die eigenen Chips umzusortieren. Manchmal lohnt es sich auch einfach nur, ein bisschen was auf den Ninja zu bieten, damit niemand anderes ihn bekommt, denn bei einem Gleichstand schnappt sich der Halunke das ganze Geld und verschwindet.
Erfahrungsgemäß ist eine gute Planung übrigens wichtiger als das bisschen Geld, das man extra bekommt, wenn man ein paar mehr Provinzen hat. Das Blatt kann sich ganz schnell wenden, wenn man nicht auf seine Armeen aufpasst, die man auch durch einen perfiden Schlag und ein klein bisschen Absprache schnell verlieren kann.

Bei der Verarbeitung der Materialien war ich immer sehr hin- und hergerissen. Die Einheitenbehälter fungieren dreifach als gleichzeitige Planungsschachtel und Erinnerung an so ziemlich alle wichtigen Details und der Plan ist sehr schön gehalten - einerseits groß genug, um nicht durch zu viele Einheiten die Grenzen nicht mehr zu erkennen, andererseits noch genau so platzsparend, dass man an einem mittelgroßen Tisch gemeinsam sitzen kann. Die Artworks auf den Rückseiten der Sichtschutzpappen erhöhen auch den Japan-Vibe und wenn man alles richtig in die Schachtel zurücktut, was kaum länger dauert als bei Risiko und dort definitiv wie auch im Aufbau einen Vorteil zur ewigen Anfangszeit von Axis & Allies hat, fällt trotz Tütenmangel niemals ein einziger Plastiksoldat aus seinem Behälter - da kann man die Schachtel auch auf die Seite stellen! Ich weiß das, denn so steht sie auf meinem Schrank.
Sehr schade ist aber, dass die Figuren teilweise ziemlich eklige Gussfehler haben. Die eine Hälfte der Samurai haben biegsame Bananenschwerter und gut ein Drittel der Speerkämpfer steht nur aufrecht, wenn man ihm gut zuredet.

Im Zeitmittel steht Ikusa wohl einer kurzen Partie Axis & Allies bzw. einem langen Spiel Risiko in nichts nach - wir benötigten von Anfang bis Abschluss immer gut und gerne fünf bis sechs Stunden. Und damit meine ich die Quickplay-Regeln, bei denen man aufhört, sobald ein einziger Spieler ausscheidet. Theoretisch könnte es danach noch eine ganze Weile weitergehen, vor allem wenn man das Gewirr aus scheinheiligen und ernstgemeinten Bündnissen berücksichtigt.

Auf jeden Fall macht das Spiel eine ganze Menge Spaß, auch wenn es im Grunde genommen nur ein Risiko für Anspruchsvolle mit einem Gameplay-Twist darstellt. Für Leute, die ihr hart gespartes Geld für ein mächtiges Brettspiel ausgeben und sich nur eins leisten wollen, stellt Ikusa eine echte Alternative zum Weltkriegs-Wusler dar. Rian

Kommentare

Nils
15. Mai 2012 um 11:13 Uhr (#1)
Merkmal Nr. 3: Aus Freunden werden schnell Feinde :D

Aber nein, es hat mir schon Spaß gemacht und ich finde es tatsächlich besser als A&A oder Risiko. Wenn es nur ein bisschen weniger Zeit verbrauchen würde...
Rian
17. Mai 2012 um 00:44 Uhr (#2)
Wir müssen so oft spielen, dass wir eine Partie in vier Stunden beendet kriegen!
Gast
20. April 2024 um 03:34 Uhr
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Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

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