Lost Planet 2

(Artikel)
Rian Voß, 15. März 2012

Lost Planet 2

Schneepiraten in der Wüste

Lost Planet war ein… nettes Spiel. Der Singleplayer des Third-Person-Shooters auf dem Eisplaneten war irgendwie merkwürdig, kurz und ziemlich chaotisch, aber man hat auf große Aliens geschossen und das war in Ordnung. Richtig schockiert hatte uns seinerzeit aber, dass gerade der Multiplayermodus ("Huch, sowas gibt's auch?") mit seinem Enterhaken-lastigen Herumgeschwirre und seiner massigen Anzahl an Waffen und Kampfanzügen für eine ziemlich lange Zeit begeistern konnte. Lost Planet 2 gibt ein sehr ähnliches Gesamtbild ab, macht in der Ausführung aber noch ein paar Dinge anders.

Das liebgewonnene Vorzeigestück des Spiels ist dabei unwiderlegbar der Kampagnenmodus, bei dem man insgesamt zu viert die tropischen Dschungel und die heißen sowie kalten Wüsten von E.D.N. III gemeinsam überwindet. Das macht auch wirklich, wirklich Spaß. Es wird viel Wert auf Zusammenarbeit gelegt, effektive Koordination in den Leveln steigert Überlebenswahrscheinlichkeit und Abschlussgeschwindigkeit ungemein und auch wenn die meisten Unterlevel der einzelnen Kapitel eher aus "Gehe dorthin, aktiviere alle Checkpoints und töte dann alle Gegner" oder "Halte die Stellung, bis der Timer abläuft" besteht, wird man doch regelmäßig mit furiosen Klimaxen gefüttert, die aus dem Team alles herausholen und in der Form sogar westliche Genre-Kollegen wie Gears of War oder Earth Defense Force: Insect Armageddon in die Tasche stecken. Ich erinnere mich sehr gerne an einen Level, in dem es erst darum ging, auf einem fahrenden Zug den feindlichen Ansturm zu überstehen, dann die gegnerische Lokomotive zu entern, die Gegenoffensive auszuführen und schlussendlich mit einer gigantischen Kanone einen Monstersandwurm abzuschießen. Diese Kanone muss von mindestens zwei Personen bedient werden (einer am Steuerknüppel und der andere muss die Kanonenkugeln einladen, mit Energie aufladen und eventuell noch mal die Kühlung im Untergeschoss aktivieren, falls das Phallussymbol zu viel Schaden erleidet), während die anderen Spieler mit allerlei Gerätschaften versuchen, die Aggressionen der Dune-Copyrightverletzung umzulenken. In Sachen Zusammenspiel sind auch die verschiedenen Mech-Abarten namens VS wunderbar, welche sich wie Transformer zusammenfügen können oder von sich aus schon auf jeder Schulter des Fahrers ein eigenes Geschütz anbieten. Auch kann es sich lohnen, einige Leute auf erhöhte Positionen zu schicken: Dank des Hookshots sind nur wenige Stellen unzugänglich und so kann man eine unpassierbar erscheinende Killzone plötzlich auf die Schnelle leerräumen.


Ein bisschen hinderlich bei der ganzen Sache ist die hochgradig überlastete Controllerbelegung, die noch aus dem ersten Teil fast unverändert übernommen wurde. Jeder Knopf führt in den unterschiedlichsten Situationen immer gut zwei bis drei verschiedene Funktionen aus, an einige von denen kommt man nur durch das gleichzeitige Drücken von Tasten und selbst das Steuerkreuz bleibt nicht vor einer uneinheitlichen Behandlung verschont. Man hat das Gefühl, dass Capcom bei der Fertigstellung des Spiels froh war, dass sie alle Aktionen IRGENDWO untergebracht bekommen haben ohne etwas entfernen zu müssen; das - oder eine sinnvollere Doppelbelegung - wäre aber gerade wünschenswert gewesen.

Das ist jedoch lediglich ein Ärgernis. Eine absolute Spielspaßvoraussetzung ist aber die Anwesenheit von drei Freunden, sei es über Xbox Live oder lokal im System Link. Das Spiel über Split Screen ist zwar auch durchaus möglich, lässt aber nur geteilte Minifenster zu, die schon stark an der Lust zum Zocken fressen. Will man sich nur zu zweit oder gar alleine gegen die CPU stellen, muss man damit rechnen, dass die dummen KI-Kollegen eher ein Hindernis als eine Hilfe darstellen. Man kann die Computer-Kumpanen zwar auch ganz abschalten, dadurch wird aber nicht automatisch der Schwierigkeitsgrad gedrosselt, so dass es schon auf Normal fast unmöglich ist, überhaupt durch die erste Episode des Spiels zu kommen.


Selbst wenn man es mit Hängen und Würgen schaffen sollte - eine gute Wertung gibt das nicht. Und man will eine gute Wertung, denn die gibt Credits. Mit Credits füllt man den einarmigen Banditen der Figurenerstellung, welcher neue Waffen, Fähigkeiten, Posen und Titel für Multiplayer-, Singleplayer und den Trainingsmodus ausspuckt. Und der Kram ist ziemlich cool. Sogar sehr cool. Die Charaktermodelle sind unterschiedlich genug, dass man ein bisschen seinen eigenen Stil durchdrücken kann, die Titel tragen auch eine Menge zur Individualisierung bei und machen das Spiel insgesamt heimeliger. Aber natürlich will man noch am ehesten an die neue Power ran, also muss man gut spielen, um besser spielen zu können.

Glücklicherweise kriegt man für alle möglichen Errungenschaften Credits, man muss nicht sinnlos stundenlang die Kampagne grinden. Anstatt dessen kann man sich auch einfach in die Versus-Gefilde bewegen. Der Online-Mehrspieler hat keineswegs seit dem letzten Teil gelitten, eher von den wenigen neuen Möglichkeiten schön profitiert. Guerilla-Häuscherschlachten sind immer noch an der Tagesordnung, während Mech-Reiter sich zwar einen unbestrittenen Vorteil erhaschen, sich aber so zur Zielscheibe des Zorns aller Gegner machen, die nun ihre Chance wittern, mit dem Zerstören der Maschine ein paar ordentliche Punkte herauszuwirtschaften. Dabei ist es wichtig hervorzuheben, dass ein Punktespiel wesentlich mehr Spaß macht als eins nach Kills - Punkte verdient man nämlich nicht nur für das vorzeitige Ablebenlassen eines Mitspielers, sondern auch für's Erobern von Data Points, welche simultan als Radar fungieren. Wer also keinen dieser Punkte für sich in Anspruch nimmt, läuft blind durch die Gegend, weshalb es natürlich immer ein lohnendes Ziel ist, so viele dieser Teile unter seine Fuchtel zu bekommen, damit man sich an die herumwandernden Punktebeutel heimlich anschleichen kann.


Was mich vollkommen überrascht hat, war der spannende Basis-Trainingsmodus. Dieser besteht aus 25 Hinderniskursen und ist superschwierig. Es verlangt einem wirklich das Letzte ab, in einem Level voller Röhren, Plattformen, Launchpads und Leitern den optimalen Weg zu finden, den Grapplehook optimal auszunutzen und am Ende auch noch Selbstschussanlagen auszutricksen, um nur eine billige Bronzemedaille zu bekommen - mal von Gold und Silber ganz zu schweigen. Es erinnerte mich ein wenig an den Metal-Gear-Solid-VR-Modus, bei dem man später einen riesigen, russischen Godzilla-Soldaten zur Strecke bringen musste.

Lost Planet 2 ist ein witziges Spiel - es hat eine ambitionierte Kampagne, einen fordernden Trainingsmodus und einen unterhaltsamen Multiplayer. Jedoch fällt über die Hälfte des Spiels unter den Tisch, wenn man nicht eine große Portion Lost-Planet-2-Spieler am Start hat, die auch mit einem zocken wollen. Kleine Unstimmigkeiten bei der Steuerung laden zwar zum Kopfschütteln ein, lassen sich aber mit ein wenig Frustnahrung leicht verdauen. Definitiv einen Blick wert für Freunde alternativen Shootervergnügens. Rian

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11. Mai 2010
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Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
Playstation 3
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Xbox 360
Plattform

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