I am Alive

(Artikel)
Haris Odobašic, 12. März 2012

I am Alive

Survival-Horror ohne "Horror"

Wisst ihr noch, wie ich euch in meinem damaligen Preview-Artikel versprochen hatte, dass I Am Alive im Dezember rauskommt? Stellte sich im Endeffekt heraus, dass Microsoft und Ubisoft sich abgesprochen haben und das Spiel bis Februar zurückhielten, nur um mich zu diskreditieren Microsoft den Titel in der Xbox Live House Party als zeitliches Exklusivspiel haben wollte und die Erscheinung deswegen sich noch mal ein bisschen verzögert hat. Aber seien wir doch ehrlich: im Dezember gibt es traditionell gefühlt dreitausend gute Spiele, die gezockt werden wollen, während man sich im Frühling regelrecht wünscht, was zwischen die Finger zu kriegen, um sich (zumindest als Student) von den ganzen Uni-Klausuren abzulenken. Und für 1200 MS-Points kann I Am Alive für euch zu dieser Ablenkung werden!

Nach einer weltweiten Katastrophe ist die Stadt Haventon fast komplett zerstört. Hochhäuser sind zusammengeklappt, der Boden durch die ständigen Erdbeben aufgerissen, während die Straßen durch die dichte Staubschicht und die dadurch resultierenden Probleme bei der Atmung quasi unbewohnbar sind. Und hier kommt ihr ins Spiel: kurz vor der Katastrophe auf eine Reise aufgebrochen, schafft ihr es nach einem Jahr endlich wieder zurück in eure Heimatstadt. Doch der Grund für eure Rückkehr, Frau und Kind, sind nicht mehr zu Hause anzutreffen und so müsst ihr unter chaotischen Bedingungen und im ständigen Wettkampf mit anderen Überlebenden nicht nur euren Fortbestand sichern, sondern nebenbei noch herausfinden, wo denn Lebenspartnerin und Nachwuchs stecken.

Zwei Elemente dominieren das Gameplay von I Am Alive maßgeblich: Zeitdruck und Ressourcenknappheit. Ersterer ist schon fast allgegenwärtig, macht sich aber insbesondere beim Klettern bemerkbar. Denn anders als beispielsweise in Uncharted, wo ihr Nathan auch mal an einem Abhang hängen lassen könnt, um aufs Klo zu gehen, ist euer Charakter in I Am Alive nicht mit ganz so Übermenschlichkeit gesegnet. Er hat nämlich Ausdauer, und davon nicht mal allzu viel. Dadurch wird jeder Versuch, die Fassade eines zerstörten Gebäudes zu erklimmen, zu einer Denksportübung, bei der man erst einmal versucht den optimalsten Weg zu entdecken. Reicht die Kraft dennoch nicht aus, könnt ihr wirklich das Allerletzte aus euch rausholen, was aber vom Spiel mit einem Abzug der maximalen Ausdauer bestraft wird -- und das wollt ihr wirklich nicht.

Aber auch beim normalen Erforschen merkt ihr ständig den Druck. Die Straßen von Haventon sind nicht mehr wirklich begehbar und die riesige Staubwolke macht das Atmen quasi unmöglich, was im Spiel auch durch das Verbrauchen der Ausdauer visualisiert wird. Ihr könnt euch deswegen immer nur sehr kurz dort unten aufhalten, ehe ihr das Innere eines Gebäudes oder eine hohe Stelle aufsuchen müsst. Auch hier ist Planung meist das A und O, es zahlt sich aus immer zu wissen, wo man hin kann, wenn die Ausdauer knapp wird. Dummerweise bieten aber gerade die zerstörten Straßenzüge der Stadt, abgesehen von einigen Nebencharakteren, die euch kleinere Aufgaben stellen und die Erfüllung dieser damit belohnen, dass ihr nach eurem Tod einen weiteren Versuch spendiert bekommt, sehr viele versteckte Ressourcen.


Und mit denen geizt das Spiel sonst extrem. Es gibt zwar Items, die Lebensenergie und Ausdauer auffüllen, genauso wie gelegentlich Munition -- nie mehr als ein Pistolenschuss -- doch gerade unvorsichtige Spielernaturen könnten schnell mit leeren Händen dastehen, insbesondere auch weil man auf den vorgegebenen Pfaden häufig nur das Allernötigste zum Weiterkommen findet. Und sieht man mal größere Mengen an Ware, kann man sich fast sicher sein, dass diese auch jemandem gehören, was eine Konfrontation so gut wie unumgänglich macht.

Doch das ist nicht unbedingt immer der beste Weg, selbst wenn man sich denkt, eine gute Chance zu haben. Die Kugeln, die man verbraucht, um sich eines Gegners zu entledigen, den man eigentlich umgehen könnte, sind vielleicht später genau die Schüsse, die einem in einer Situation, aus der es vielleicht kein so einfaches Entkommen gibt, fehlen. Leider laufen diese Kämpfe aber eigentlich immer nach einem ähnlichem Schema ab: Man lässt erst einen der Feinde nah an sich rankommen, um ihn überraschend mit der Machete zu meucheln, erschießt dann bewaffnete Gegner und sammelt sofort die Munition auf, die sie Fallen lassen, bis irgendwann nur noch Nahkämpfer übrig bleiben, die man bedroht, bis sie sich ergeben oder sie in ein Feuer oder eine Grube schubst. Gerade was in einigen frühen Trailern angekündigt wurde -- die Möglichkeit die Gegner gegeneinander auszuspielen -- ist leider im fertigen Spiel wohl den Budgetkürzungen zum Opfer gefallen. Es wäre außerdem wünschenswert gewesen, wenn man manche Konflikte umschleichen könnte.


Der Grafikstil ist sehr eigen. Grau ist nicht nur die dominierende Farbe, es liegt noch zusätzlich ein Filter über der Darstellung, welcher alles noch etwas körniger wirken lässt. Normalerweise bin ich ein Feind von solcher Farbarmut, aber bei I Am Alive passt es wirklich sehr gut zu der Atmosphäre und der Stimmung, die das Spiel vermitteln will. Der sich dezent im Hintergrund haltende Soundtrack, der eigentlich nur etwas aufplärrt, wenn man wenig Ausdauer oder Energie hat, unterstreicht dies. Insbesondere das Stück, welches im Startmenü spielt, ist in seiner Melancholie wunderschön.

I am Alive ist Surival-Horror ohne Zombies, ohne Mutanten und ohne konstruierte Schock-Momente. Der Spieler bangt dennoch in jeder Sekunde um sein Leben und verspürt denselben psychologischen Druck und die Angst, die man bei einem Titel des Genres erwarten würde. Gerade dort kommt es der Spielerfahrung zugute, dass der Titel in manchen Aspekten, wie etwa der Menge an übermitteltem Hintergrundwissen, bewusst simpel gehalten ist. Zudem müssen die Entwickler dafür gelobt werden, hier bewusst darauf verzichtet zu haben, das Spiel zu einfach zu gestalten. Gerade weil bei I Am Alive Überleben kein Zuckerschlecken ist, werdet ihr nur noch umso mehr von dem Spiel gefesselt, da jeder Fehler euer letzter sein könnte. Evil

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