Der Eiserne Thron

(Artikel)
Rian Voß, 07. Februar 2012

Der Eiserne Thron

Lug, Betrug, Verrat und Macht

Spätestens seit 2011 ist ein Großteil der Nerdkultur für George R.R. Martins Buchserie "A Song of Ice and Fire" aufgeflammt, nicht zuletzt wegen der herausragenden Serienadaption "Game of Thrones". Natürlich haben diese kritisch erfolgreichen Kassenschlager eine ganze Menge Nebenprodukte abgeworfen, darunter auch das Brettspiel Der Eiserne Thron. Anstatt aber den Krieg um die Krone von Westeros in einem müden Risiko-Klon umzusetzen und mit dem Namen einen Haufen Asche zu machen, bringt Der Eiserne Thron aber tatsächlich ein paar originelle Ideen auf die Waage.

An dieser Stelle noch schnell eine Spoilerwarnung für alle, die noch nicht das erste Buch oder die erste Staffel der Serie gesehen haben. Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!

Nach dem Tod von König Robert Baratheon ist ganz Westeros in Aufruhr - die Situation innerhalb der vorherrschenden Adelshäuser Greyjoy, Tyrell, Lannister, Stark und Baratheon entwickelte sich über die Jahre zu so einem verworrenen Knäuel aus Intrigen und Geheimnissen, dass jeder auf sein Recht pocht, den Platz des neuen Herrschers einzunehmen, oder zumindest die Gerechtigkeit der Sache auf seiner Seite wähnt und nun mit seinen Armeen ins Feld zieht.
Gerade das sind auch die drei wichtigsten Komponenten des Spiels: Hofintrigen, das Maß an Anspruch auf den Eisernen Thron und der Stand in der Rangliste der Adelshäuser. Alle paar Runden dürfen die fünf Spieler (weniger können auch spielen, aber mit fünf ist's am coolsten) gesammelte Stärkemarken geheim auf diese drei Pfade bieten. Wer am Ende höher steht als andere Häuser, hat definitive Vorteile, so legt die Hierarchie des Eisernen Throns die Zugreihenfolge fest (zudem darf der Spieler auf dem ersten Platz bei jedem Gleichstand zwischen zwei Spielern entscheiden, wer gewinnt), der Platz in den Adelshäusern bestimmt die Kampfstärke der Armeen und die Hofintrigen lassen einem verbesserte Befehle für die Truppen zukommen.


Jede der insgesamt zehn Runden ist grob in drei Phasen aufgeteilt:
1. Alltag in Westeros
2. Planungsphase
3. Durchführung des Plans

Die erste Phase, Alltag in Westeros, ist die Inkarnation von Zufall und Unberechenbarkeit: Es werden drei Karten aufgedeckt, die allumfassende Einschränkungen für diese Runde erklären oder bestimmte Ereignisse, wie etwa das Bieten um die Rang-Reihenfolge, auf den Plan rufen. Dazu kommen noch die Wildlinge, die nördlich der Great Wall ihre Truppenstärken aufbauen und nur darauf warten, in Westeros einfallen zu können. Sollte es mal zu einem Angriff der Barbaren kommen, können (wie bei Siedler von Catan mit Rittererweiterung) alle Häuser gleichzeitig ein gewisses Maß an Stärkemarkern opfern, um die Attacke zurückzuschlagen. Sollte die aufgebotene Anzahl nicht reichen, verlieren alle Häuser zwei beliebige Einheiten - was richtig, richtig weh tut, denn eine Einheit steht für eine ganze Legion, wovon jeder Spieler meist nie mehr als zehn auf der ganzen Karte besitzt. Wenn überhaupt. In den Westeros-Karten versteckt sich auch der "Appell"-Befehl, welcher die einzige Möglichkeit darstellt, in der Nähe von eigenen Städten und Festungen neue Truppen auf's Brett zu bringen. Sollte mal kein Apell kommen, gibt's auch keinen Nachschub. Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber es kann durchaus passieren, dass während des ganzen Spiels niemals jemand einen weiteren Soldaten auf's Feld bringen kann, deshalb muss man mit seinen Leuten schon umsichtig umgehen.

Die Planungsphase ist das Herzstück und unterscheidet sich in seiner Geheimniskrämerei am deutlichsten von der Konkurrenz. Hier gilt es zu erahnen, wie die eigenen Nachbarn handeln werden und wie man es am besten kontert. Verdeckt werden Befehle an alle Gebiete verteilt, in denen sich eigene Einheiten befinden. Diese sind derart, dass die Armeen einen Bonus auf Verteidigung bekommen, woanders hinmarschieren, einen Überfall auf angrenzende Gebiete ausüben, um gegnerische Befehle zu vereiteln, Umgebungen mit ihrer Kampfkraft unterstützen oder einfach nur neue Stärkemarker für ihren Lehnsherren erwirtschaften. In dieser Phase, sowie dem ganzen Rest des Spiels, hat man die Nebenaufgabe seine Mitspieler zu belabern. In der Anleitung wird diese "Spielmechanik" nur ganz tangential erwähnt, aber eigentlich handelt es sich um das wichtigste Feature - wenn man einen direkten Konflikt mit einem Haus durch Bestechung, Argumentation oder der Drohung von Sex-Entzug abwenden kann und den ehemaligen Feind dann noch dazu bringt, jemand anderen anzugreifen, dann ist das besser als alles, was man mit irgendwelchen Karten oder Zahlenboni erreichen kann - vor allem, weil man sich kaum auf sein Würfelglück in Schlachten verlassen kann. Schließlich gibt es in diesem Spiel keine Würfel.

Da das Spielfeld sehr klein ist und es viele prestigereiche Ziele zu erobern gibt, wechseln Ländereien häufig ihren Besitzer. Defensives Spielen können sich nur die wenigsten leisten, irgendwann MUSS man sich einfach kabbeln. Selbst wenn man sich auf dem Land für eine Vormacht hält, kann einem durch die sehr mächtigen Schiffsbrücken innerhalb eines einzigen Marschbefehls der Feind in den ungeschützten Rücken fallen. Und gerade wenn man angreift, muss man auch alle Register ziehen, sich besonders die Flanken mit potentiellen Verbündeten decken, Befehle aushebeln, die Truppen richtig positionieren und schlau zuschlagen - sonst verliert man die Gebiete wieder genauso schnell wie man sie erobert hat. Dabei kann man genauso leicht verarscht werden wie man selbst verarscht, schließlich sind Bündnisse rein mündlich und die Befehle werden erst aufgedeckt, wenn alle fertig sind (ähnlich wie bei Ikusa). Da kann es schon passieren, dass dem ein oder anderen Spieler die Kinnlade runterfällt, wenn er sieht, dass seine "Freunde" offensichtlich gerade seine Versorgungslinien kappen.

Das Ziel des Spiels ist es, am Ende der zehn Runden die meisten Städte oder Festungen zu beherrschen, aber man darf bis dahin niemals andere Trophäen aus den Augen verlieren. Schnell ist es passiert, dass man ein Land verliert, welches essentiell für die Truppenversorgung ist. Wird man dann in der ersten Phase dazu gezwungen, seine Versorgung nach unten zu regulieren, schießt man ganz schnell über sein Einheitenlimit für die eigene Armee und hat keine andere Wahl als sofort Truppen zu zerstören, die sich nun nicht mehr durchfüttern lassen. Der Witz ist, dass dies eine nachhaltigere Methode darstellt, seine Feinde zu schwächen, als der offene Kampf. Durch die Unterstützungskarten, die in jedem Kampf gespielt werden müssen, passiert es eher selten, dass man Einheiten verliert. Eher wird ein Trupp in dem Moment zerstört, in dem er sich in ein Gebiet zurückziehen muss, wo bereits ein anderer Teil der Armee stationiert ist und auf diese Weise die Heeresgrenze überschreitet. Wenn man das ein paar Mal miterleben muss, guckt man schon reichlich zerknirscht aus der Wäsche.

Wir besitzen leider nur die 1. Edition von Der Eiserne Thron, inzwischen ist jedoch schon die 2. Edition erschienen, die viele neue Elemente der Erweiterungen, wie etwa Belagerungswaffen, bereits integriert hat. Aber auch ohne diese Zusätze ist Der Eiserne Thron mehr als spannend und wird fünf Leute, besonders Anfänger, über viele Stunden an eine einzige Partie fesseln, deren Ausgang sich wirklich erst mit der letzten Runde entscheidet. Wer sich bei Risiko, Ikusa oder Axis & Allies immer über das Würfelglück seiner Mitspieler aufregt, sollte sich auf jeden Fall mal diese zufallsärmere Alternative auf dem Strategiebrettspielemarkt anschauen. Rian

Kommentare

Hagen
Gast
18. Oktober 2012 um 02:41 Uhr (#1)
Danke für diesen Post. Habe das Spiel seit längerer Zeit rumliegen, mich aber noch nie aufraffen können. Wird sich nun mit Sicherheit ändern...
Rian
19. Oktober 2012 um 00:50 Uhr (#2)
Freut mich, dass dir der Artikel gefallen hat. :) Kann nur empfehlen, dem Spiel mal eine Chance zu geben.
Gast
25. April 2024 um 10:41 Uhr
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Themengebiet - Was ist hier los? Brettspiele? Auf dem DPad? So ein Schwachsinn. Das ist doch kein Videospiel! Also früher, da hatten Videospiele-Journalisten noch Ehre. Integrität! Da hätten sie nicht einfach in einer lahmen Woche über irgendein Brettspiel geschrieben, das ihnen zugeflogen ist. Wahrscheinlich auch noch in der Stadtbücherei vom Grabbeltisch abgegriffen, wie? Naja, was soll's. Immerhin ist es noch ein Spiel. Nicht so wie wenn Kotaku über Anime schreibt.
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Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

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