Full Island

(Artikel)
Rian Voß, 29. Januar 2012

Full Island

Monkey Throttle? Auf jeden Fall: Deponia!

"Neues Spiel von Daedalic? Lol, kann ja nur ein Adventure sein." Und so ist es auch! Aber hey, nicht so abwertend. Die Leute verstehen, was sie da machen, verdienen Geld damit und heimsen ordentlich Preise ein. Und das mit Adventures! Wenn mir das einer vor ein paar Jahren erzählt hätte, hätte ich laut gelacht. Wenn man einem dann aber die volle Bandbreite an Abenteuern vorgelegt hätte, die ganz offensichtlich den Versuch an den Tag legen, an der massiven LucasArts-Adventurebibliothek qualitativ wie quantitativ zu kratzen, dann bliebe einem dieses Lachen wohl ziemlich schnell im Halse stecken. Glücklicherweise weiß der neue Titel von Daedalic, Deponia, wie man ganz schmerzfrei so einen verkrampften Lacher lockert und glückselig in die Freiheit entlässt. Naja, vielleicht nicht ganz schmerzfrei.


Denn wenn einer die Stirn vor lauter Facepalms rot zum glühen bringt, dann ist das Protagonist Rufus. Dieser junge Herr ist an und für sich schon ein Brandstifter, Faulpelz, Träumer, Schwerenöter und lässt zu keinem Moment auch nur die kleinste Chance aus, um einen durch alle Gelenke ziehenden Wortwitz oder Kalauer rauszuknüppeln. Wenn man versucht, eine Warteanzeige mit einem Gegenstand zu kombinieren und er daraufhin betont langsam sagt, dass dieser Gegenstand nicht "geWARTet" werden muss, was noch durch ein kleines "Badumm-PSCH!" seine Abrundung findet, dann muss ich doch kurz meine Brille abnehmen und mir die Schläfen massieren. Aber das ist okay. Ich stehe auf so etwas. Das ist ganz genau mein Humor, möchte ich sagen!

Überhaupt hat sich Daedalic in Sachen Komik mit Deponia selbst überschlagen; ich habe mehr als einmal herzhaft gelacht oder genussvoll gestöhnt, als ich Rufus dabei beobachtete, wie er seinen Plan zum Verlassen des Schrottplaneten ausführte. Dieser beinhält nämlich das junge Mädchen Goal, einer Bewohnerin des angesehenen Ortes Elysium, welches er durch seine typische Ungeschicklichkeit aus großer Höhe aus einem Schienenfahrzeug gestoßen hat. Seitdem ist das arme Ding mehr oder weniger im Koma, bleibt es die meiste Zeit des Spiels auch, doch das hält Rufus trotzdem nicht davon ab, sie aus diesem oder jenen Grund zu verschleppen. Und hier und da zu verlieren, irgendwo runterzustoßen oder sie durch die Krallen eines Krans schlüpfen zu lassen, so dass ihr bewusstloser Körper an ein paar metallischen Gegenständen abprallt und schließlich in einer Schubkarre landet. Da ist bestimmt Garantie drauf.


Weitere Charaktere im gewohnt-abgedrehten (Gegensätzlichkeiten ahoi?) Daedalic-Stil sind natürlich wieder mit von der Partie, unter anderem der doppel-schizophrene Doktor Gizmo, welcher den Beruf des Dorfarztes, der Dorfpolizei und der Dorffeuerwehr in sich vereint, die sehr männliche, eventuell weibliche Empfangsdame Lotti (die mir persönlich eine Heidenangst einjagt), Rufus' frustrierte Exfreundin, der Bürgermeister, der in der Schreibtischschublade seines Büros schläft und viele mehr.
Umhüllt ist das ganze von einer Stimmung, die irgendwo auf dem Grat zwischen einer Monkey-Island-Atmosphäre und dem weniger bekannten Adventure Vollgas (Full Throttle) wandert - bunt, aber rustikal, voller Orte zum Entdecken, voller Schrott zum Kombinieren, ein bisschen spacig und mit einem Haufen kaputter Leute.

An dieser Stelle kommt normalerweise in meinen Daedalic-Artikeln immer dasselbe Argument: Die Animationen sind doof, zu wenige oder zu abgehackt. Aber, oh je, der Tag ist gekommen! Die Engel treten aus ihren Wolken hervor und blasen in die Posaunen! Der Jüngste Tag! Daedalic hat gelernt, wie man gute Animationen in Adventures einbaut!
Und das beschränkt sich nicht mal auf Gehbewegungen oder Rufus' coole Art, Gegenstände miteinander zu verbauen, sondern alle naslang gibt es eine vollanimierte Zwischensequenz. Bei der allerersten bin ich schon vor Lachen fast vom Stuhl gefallen, als Rufus' nach guter, alter Looney-Tunes-Tradition am Bein wegen seiner eigenen Dummheit durch einen ganzen Haufen spitzen Metallmülls geschleift wurde. Dazu kommt noch ein geiler Soundtrack, schon ohne die Zwischen-Kapitel-Gesangseinlagen. Leute, macht doch sowas nicht! Durchgehend positive Reviews will doch kein Mensch lesen!

Als nächstes dachte ich mir dann: Nun, zumindest sind die Sprecher nur mittelmäßig. Aber auch an die gewöhnt man sich sehr schnell, sobald man ignoriert, dass man viele der Sprachtalente natürlich schon aus alten Spielen der Firma kennt. Ich hielt vor allem Rufus zuerst für fehlbesetzt, inzwischen kann ich mir aber niemand anderen mehr für die Rolle vorstellen.

Aber irgendwo muss es dann doch noch hapern. In diesem Fall sind es die Rätsel, denn während wahrscheinlich bisher noch kein Produkt von Daedalic so nahe an das bunte, unbeschwerte, bissige Monkey-Island-Feeling herangekommen ist, so hat sich irgendjemand ausgedacht, dass man auch dieselbe Art von Rätseln einbauen muss. Also: Nimm die Schnur, verbinde sie mit dem Haken, fülle den Luftballon mit Lachgas, verbinde mit Schnurhaken, stopfe in Kamin, Ballon öffnet Kaminklappe, Haken hält Klappe geöffnet. Oder: Nimm Dartpfeil, tauche in Narkotikum, kombiniere mit Trichter, erhalte Blasrohr, gehe zum Laden der Exfreundin, schieße von außerhalb auf sie, klaue ihre Gutscheine. Ich bin kein Liebhaber von solchen Gedankenverbiegungen um fünf Ecken, die erst dann Sinn machen, wenn man schon zwei Pints intus hat.
Schlimmer ist's allerdings, dass wichtige Hinweise, die man aus Dialogen mit NPCs zieht, einfach aus dem Dialogbaum verschwinden. In solchen Sachen vertraue ich normalerweise immer darauf, dass ich mir nicht großartig was aufzuschreiben brauche, aber wenn ein bestimmtes Detail weg ist, fühlt man sich dazu schon ziemlich genötigt. Zumal man ein Adventure nur selten am Stück durchspielt und auch gut und gerne mal ein paar Tage zwischen den Sitzungen verstreichen können. Teilweise wiederholen die anderen Spielfiguren solche Details beliebig oft - das macht es aber nur noch schlimmer, weil man sich denkt "Naja, für die eine Info lohnt's ja jetzt auch nicht, Zettel und Stift rauszuholen. Das merke ich mir bestimmt." Pustekuchen.


Aber Schluss mit dem Gejammere; das sind Einzelfälle. Im Großen und Ganzen ist Deponia ein Adventure von einem Kaliber, das selbst LucasArts in seinen besten Jahren nicht hätte überbieten können. Hut ab! Und dann liegt dem Spiel auch noch wie selbstverständlich der Soundtrack bei, während andere Schurken die Musik noch mal zum Vollpreis verschachern. Ts! Wenn auch nur ein bisschen altes Adventure-Blut durch eure Adern pumpt, dann kommt ihr an Deponia nicht vorbei. Rian

Kommentare

Kristin
12. April 2012 um 13:20 Uhr (#1)
Deponia ist kackschwer. :(
Rian
12. April 2012 um 21:40 Uhr (#2)
Schön, dass du das auch so siehst. xD
Gast
19. März 2024 um 08:05 Uhr
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27. Januar 2012
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