Stop Online Piracy Act

(Artikel)
Joshua Peters, 18. Januar 2012

Stop Online Piracy Act

Und der schwarze Tag fürs Internet

Heute (oder gestern, je nachdem) wird gestreikt. Nicht etwa bei den Zugfahrern, Ärzten, Lehrern, Kindergärtnern, Piloten oder wer sonst noch regelmäßig streikt, sondern im Internet. Ja, ihr habt richtig gehört, im Internet. Wie das geht? Naja, viele Seiten zeigen heute nur einen Bildschirm an, dass sie heute nicht da sind und dass SOPA und PIPA doof sind. Das finden wir auch und deshalb gibt's hier einmal ein bisschen Aufklärung. Auch wenn es das Gaming vielleicht nur am Rande betrifft, so gehört ein unzensiertes Internet doch zu unserer Kultur - und außerdem würden die Amis bestimmt nicht mehr in den Genuss des DPads kommen, wenn sich der Gesetzesentwurf durchsetzt.

Wikipedia für einen Tag down = viele ungemachte Hausaufgaben.

Ihr mögt vielleicht schon davon gehört haben, dass die Amerikaner gerade an ihren Gesetzesentwürfen zum SOPA und PIPA arbeiten. PIPA ist zwar schon etwas länger im Gespräch, wird jetzt aber immer mehr ein Thema. SOPA steht für Stop Online Piracy Act und PIPA für PROTECT IP Act, wobei das auch wieder eine Abkürzung ist, welche für den eingängige Namen "Preventing Real Online Threats to Economic Creativity and Theft of Intellectual Property Act" steht. Besonders hinterher ist hier die "klassische" Unterhaltungsbranche, also die Film- und Musikindustrie. Kann man ja auch irgendwie nachvollziehen, denn die machen ja schon einiges an Verlusten, die Filmindustrie wahrscheinlich noch mehr als die Musikindustrie. Vorteile aus diesen Acts können aber alle ziehen, die irgendwo, irgendwie auf irgendetwas Urheberrechte haben und genug Geld. Aber was machen diese Acts denn eigentlich?

Im Prinzip geht es darum, dass die amerikanische Unterhaltungsindustrie den Banhammer für das Internet in die Hand gedrückt bekommt. Und mit diesem können sie auf alles einschlagen, von dem sie glauben, dass es ihre Urheberrechte verletzt. Diese Macht rührt vor allem von der Uneindeutigkeit des Vokabulars und der technischen Laienhaftigkeit der Entwerfer, die anscheinend keine Ahnung hatten, wie das Internet überhaupt funktioniert.
Das "Bannen" geschieht natürlich nicht sofort, man bekommt vorher noch eine Warnung, aber wenn sich dann nichts ändert ist Schluss mit lustig. Die Seiten werden dann von den Providern für die Amerikaner gesperrt und werden auch nicht mehr in Suchmaschinen angezeigt. Zudem werden die Seiten verklagt und müssen hohe Strafgelder bezahlen, da Urheberrechtsverletzung als schwereres Verbrechen als bisher gewertet wird. Viele Seiten werden sich das nicht leisten können und müssen vom Netz gehen, ganz zu schweigen von den erhöhten Kosten für neue Start-Ups, die sich erst mal legal gegen SOPA absichern müssen. Solle eine Seite doch über genügend Geld verfügen, so wird sie nicht einfach nur nicht mehr für die Amerikaner angezeigt, das wär ja noch einigermaßen okay, auch wenn die USA dann eine Art Internet-China-II wird, nein, auch sämtlichen amerikanischen Werbefirmen und Geldinstitute kann die Zusammenarbeit mit der Website verboten werden, was vielen Seiten dann doch das Genick brechen dürfte. Großteil der Einnahmen über Spenden durch PayPal? Jetzt nicht mehr!

Auch einige Webcomics wollen auf SOPA/PIPA aufmerksam machen.

Im übrigen wird Providern, die von vornherein gegen verdächtige Seiten vorgehen, Straffreiheit gewährt. Klingt gut, oder? Muss die Industrie nur noch selbst nach "Verletzungen" suchen, wenn sie eine Seite unbedingt loswerden wollen. Eine Seite haftet nebenbei auch noch für die Beiträge der Benutzer. Das heißt, wenn einer von euch einen RapidShare-Link in die Kommentare postet, sagen wir mal zu einem Sherlock-Holmes-2-Download, und wir das nicht schnell genug löschen, dann sind wir weg vom Fenster, weil wir unausreichende Maßnahmen zum Schutz des Urheberrechts ergriffen haben. Betroffene Seiten sind wir zum Glück nur, wenn man es ganz böse mit uns meint, denn die Gesetze gelten nur für Webseiten, die an Amerikaner gerichtet sind, aber hey - sie können draufgehen, also warum sollte es nicht an sie gerichtet sein? Oh! Da ist ja Jack Sparrow im Header! Das wird Disney aber gar nicht gefallen. Um das loszutreten, müssten wir schon irgendwem arg ans Bein gepinkelt haben, aber jetzt denkt mal an Facebook, YouTube und Co. - das sind auch diejenigen, die jetzt auf den Barrikaden stehen. Wenn man jeden der User dauerhaft überprüfen muss, selbst bei Online-Mailingdiensten, dann war es das mit dem freien Internet. Wenn nicht viele Dienste sogar einfach aufhören zu existieren, weil es sich kostenmäßig einfach nicht mehr rechnet.

Und auch ein Imageboard darf natürlich nicht fehlen...

Okay, klingt alles nicht so schön, aber wieso damit beschäftigen, wenn es eh nur die Raubkopierer so stark trifft - und am meisten die Amerikaner? Amerika ist eine "Großmacht" und ein starkes kulturelles Vorbild. Wenn die erst mal anfangen, gegen die freie Meinungsäußerung im weitesten Sinne vorzugehen und das Internet zu zensieren, wie es ihnen gefällt, wann wird es denn dann in Europa losgehen? Wenn alle anderen das machen, warum dann hier die Strapazen der freien Meinung über sich ergehen lassen? Ungarn ist da momentan ja eh nicht mehr so der große Fan von und Spanien hat erst letztes Jahr die Grundsteine für Internetzensur gelegt, auf drängen der amerikanischen Regierung hin. Als die Einmischung der Amis rauskam, war die spanische Bevölkerung auch nicht besonders begeistert. Verabschiedet wurde das Gesetz trotzdem.

Das Witzige ist ja auch, dass es die Raubkopierer nicht aufhalten wird, da nur der DNS-Service geblockt wird, aber man die Seite immer noch über ihre IP erreichen kann. Gebt z.B. mal 195.122.131.12 in der Addressleiste ein - keine Sorge, ist nichts Schlimmes. Somit können zwar die DAUs nicht mehr blöd vor sich hinladen (die werden meist sowieso erwischt), aber die, die es im großen Stil und wirklich schädlich betreiben, werden über Umwege natürlich weiter machen. Die Bilanz also: Die Großkriminellen laden weiter und wir haben kein z0r.de mehr. Und wenn die Spieleindustrie auch noch damit anfängt, kann jeder gebannt werden, der schlecht über ihre Spiele schreibt, denn irgendwo findet man bestimmt vage Copyrightverletzungen. Es läuft also auf eine unendliche Lobbytyrannei hinaus. Aber hey. Vielleicht nutzen sie ihre Machtposition ja auch gar nicht aus und alles wird gut. Ich bin bestimmt einfach nur schwarzseherisch. Wann haben Lobbyisten denn schon mal ihre Macht ausgenutzt?

Auch Ihr - Jozu

Kommentare

Rian
18. Januar 2012 um 23:57 Uhr (#1)
Ich bin froh, dass es zur Zeit recht positiv dafür aussieht, dass SOPA und PIPA in ihrer momentanen Ausarbeitung schlechte Chancen haben, tatsächlich durchzukommen, da sich viele Abgeordnete inzwischen öffentlich gegen die Gesetzesentwürfe äußern. Nichtsdestotrotz ist keine Zeit für Müdigkeit, denn Politiker, die uns ohne Fachwissen naiv Grundrechte absprechen wollen lauern an jeder Ecke. Versteht mich nicht falsch: Das Schützen von Urheberrechten ist wichtig - im Zeitalter der Information mehr denn je. Das heißt aber nicht, dass Geschädigte schalten und walten dürfen, wie sie wollen, um ihren Willen zu kriegen. Alles in Maßen.

Wenn ihr noch mehr Infos zu SOPA und PIPA wollt, die gibt es hier: americancensorship.org
Raphael
Gast
20. Januar 2012 um 19:24 Uhr (#2)
In den USA wirds noch besser: http://news.yahoo.com/homeland-security-given-green-light-monitor-american-journalists-072933420.html
Zitat eines gewissen Felix aus Berlin: "Lolwut?!"
Rian
20. Januar 2012 um 22:05 Uhr (#3)
Da kann ich Felix nur zustimmen. Ich meine... warum? Ich habe beide (relativ inhaltsgleichen) gelesen und mir fehlt so etwas wie... ein Grund? Ich kann mir nur vorstellen, dass auf diese Weise ausgeschlossen werden soll, dass Informationen, die die nationale Sicherheit gefährden, an die Öffentlichkeit geraten, aber sind die Journalisten dann nicht die falsche Anlaufstelle und man müsse eigentlich ausschließlich bei Landesbeamten ansetzen? Außerdem hat es einen sehr bitteren Beigeschmack, wenn es heißt: "Die National Security Agency hat amerikanische Reporter im Auge." Klingt nach Big Brother.
Haris
20. Januar 2012 um 22:41 Uhr (#4)
ich finde es ja extremer, dass das Ding ja scheinbar eben nicht nur auf Journalisten bezogen ist sondern auf so ziemlich jeden, der da im Web was schreibt. Blogger, Twitterer und Co. sind ja auch davon betroffen. Und der Nutzen ist vielfältig. Wenn beispielsweise bei einem Protest jemand per Twitter die Allgemeinheit informiert, ist er direkt im Raster drin und da hat die Regierung dann eben problemlos die Möglichkeit seine persönlichen Daten abzugreifen.
Dreed
20. Januar 2012 um 23:15 Uhr (#5)
Ich hoffe ich verletzte damit keine Urheberrechte und besiegele damit das ende des Dpads :-/
aber evt. ist es unsere einzige Hoffnung...
http://d24w6bsrhbeh9d.cloudfront.net/photo/1933358_700b.jpg
Rian
21. Januar 2012 um 00:29 Uhr (#6)
Mit der Macht des Grammar Nazi!
Gast
20. April 2024 um 08:57 Uhr
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