Achievements

(Artikel)
Benjamin Strobel, 13. Februar 2017

Achievements

Wie Erfolge mich vom Spielen abhalten

Als Microsoft 2006 mit dem Release der Xbox 360 das erste große Achievement-System etablierte, war den kreativen Köpfen hinter dieser Idee vielleicht nicht bewusst, was für einen Brocken sie damit ins Rollen brachten. Jedes Spiel sollte unabhängig von seinen internen Belohnungen auch in ein globales System eingebunden sein, das Erfolge und Punkte (den Gamerscore) für den Spieler freischaltet und auf seinem Konto speichert.

Warum machen uns Erfolge die Spiele so schmackhaft? Warum kann man nicht aufhören zu spielen, bis man eine bestimmte Trophäe ergattert hat? Und weshalb lasse ich Spiele links liegen, die mir keine Belohnungen versprechen?

Dieser Beitrag wurde erstmals am 8.1.2012 veröffentlicht.

Gehen wir zu den Anfängen: Die Idee war nicht völlig aus der Luft gegriffen. Seit es Computerspiele gibt, existiert auch der Highscore. Bei Spielen, die kein klares Gewinnen und Verlieren vorgeben, war es durchaus sinnvoll den Fortschritt in einem Punktesystem zu messen. Nehmen wir mal Pong. Das Spiel läuft prinzipiell endlos, bis man irgendwann versagt. Um hinterher zu schauen, wie gut man war, ist es sinnvoll etwa die Anzahl der Abpraller zu zählen, die man erfolgreich geschafft hat, oder auch die Zeit, die man durchgehalten hat. Das gleiche gilt für den Klassiker Tetris. Das Spiel läuft solange, bis man nicht mehr weiterkommt. Aber um seinen Freunden zu erzählen, wie gut man war, zog man einfach den Highscore heran.

Heute sind die meisten Spiele komplexer gestrickt als dass man die Spielleistung in einem einzigen Punktestand messen könnte. Stattdessen werden die meisten Erfolge (Achievements, Trophies) als Spielmeilensteine konstruiert (Erledige 100 Feinde, Besiege den letzten Boss ohne Schaden zu nehmen, Gehe in allen Rennen als Erster durchs Ziel etc.).

Aber es sind doch nur leere Punkte? Man bekommt nichts dafür, kein Bildchen, kein Musikstück, keine bessere Waffe im Spiel. Nur Plopp, du hast es geschafft! Eigentlich ein bisschen wenig. Erfolge sind nur kleine Tokens, mit denen uns das Spiel auf die Schulter klopft und sagt: Hast du fein gemacht!

Kurz mal nachgeforscht: Aus der Psychologie wissen wir, dass solche extrinsischen Belohnungen (solche, die von außen kommen) eine viel geringere Bedeutung für die Ausübung eines Verhaltens haben als intrinsische Belohnungen (das ist, wenn wir uns selbst innerlich auf die Schulterklopfen und uns darüber freuen, was wir erreicht haben). Aber warum halten die paar Punkte mich dann davon ab, Spiele einzulegen, die mir keine Punkte bringen? Da könnte ich mich doch super freuen, wenn ich Level schaffe und sie durchspiele. Aber irgendwie ist es nicht so befriedigend als währenddessen ein paar Achievements zu sammeln. Wenn ich durch mein Regal schaue, was ich mal wieder spielen könnte, stelle ich mir nicht die Frage, worauf ich mal wieder Lust habe. Ich frage mich: "Wo fehlen mir denn noch Erfolge?" und suche mir danach ein Spiel aus. Eigentlich schade.

Warum sind die Punkte so wichtig? Nicht für mich selbst, denn sie belohnen mich erst Mal nicht mehr als ich es selbst auch ohne sie kann. Da wirkt etwas Anderes. Kurz zurück zu den Highscores: Erinnert ihr euch, wie man zu Freunden rennt und sagt: "Hah! Den Highscore knackst du nie!" Na klar! Die Punkte stehen da ja nicht für mich. Früher wurden sie in den Speicherchips der Automaten in Spielhallen gesammelt und man konnte sich mit den anderen Besuchern der Halle messen. Heute geht das sogar weltweit. Man vergleicht sich zwar nicht sofort mit den Weltranglistenersten, aber zumindest mit den Profilen seiner Freunde. Wer hat die meisten Punkte? Wer ist der Beste in welchem Spiel? Diese Fragen müssen nicht mehr unbedingt in Duellen Spieler gegen Spieler geklärt werden. Ein kurzer Blick auf das Profil genügt und man weiß: Einer hat es drauf oder eben nicht.

Dieser soziale Vergleich entwickelt eine schnelle Eigendynamik und dank gegebener Plattformen noch leichter als je zuvor. Und der Druck ist so stark, dass ich lieber Punkte sammele, anstatt etwas zu spielen, das mir eigentlich viel mehr Freude machen würde. Immer wieder kaufe ich mir ein Spiel für die Xbox 360, denn dort sitzt meine Geißel, der Gamerscore. Da ich damit angefangen und die meisten Freunde dort habe, ist mir dieser Punktestand wichtig, Trophäen und anderes interessiert mich weniger.

Dann wollte ich mir endlich Modern Warfare 3 zulegen. Meine innere Stimme flüstert mir zu: "Hol es dir für die Xbox! Dann bekommst Achievements!"

Aber ich argumentiere dagegen: "Es ist ein Shooter, der für den PC entwickelt wurde und die Vorgänger hast du auch schon mit der Maus gezockt. Bleib beim PC."

Die andere Stimme bleibt hartnäckig: "Du würdest den Singleplayer sicher gar nicht anrühren, wenn es nicht darum geht, Gamerscore zu sammeln!"

Und dann ist es mir plötzlich klar: Genau! Ich möchte den Singleplayer nicht spielen! Warum sollte ich mich also damit quälen? Dieser Unsinn soll ein Ende haben! Ich kaufte mir MW3 also für den PC, einfach um den meisten Spaß beim Spielen herauszuholen. Um den Multiplayer-Modus zu genießen und den Einzelspieler zu vergessen. Weil ich endlich den Zwang des Gamerscores überwinden will. Ich will nicht mehr nur Erfolge sammeln. Ich will wieder spielen. Nex

Kommentare

Rian
08. Januar 2012 um 18:48 Uhr (#1)
Ich finde, es gibt da immer ein kleines Missverständnis bezüglich des Begriffs 'Metagame' bei Leuten, die nicht dahinterkommen, warum Gamerscore so wichtig ist, das Wort aber trotzdem benutzen: Wer Gamerscore sammelt, der spielt. Er spielt das Spiel und er spielt außerdem noch das andere Spiel, bei dem sich das Spielen von Spielen in ein Spiele-Framework einbettet. Das kann man noch höher schalten und in einem Netzwerk verschiedene Gamerscores, wie die vom PSN oder dem Steam Network, zusammenschalten. Dann hätten wir ein Metametagame!
Ben
08. Januar 2012 um 18:58 Uhr (#2)
Ich bin nicht sicher, inwiefern du dich auf den Artikel beziehst, aber um mich auf dich zu beziehen: Ich finde es schade, wenn das Metagame wichtiger wird als das Game.

Das Metagame soll sich ja auf seine Bestandteile, die einzelnen Spiele, beziehen. Aber wenn ich die Elemente nur noch als Mittel zum Zweck sehe, geht es auch wieder am Sinn vorbei, denke ich. Und in manchen Momenten hab ich mich eben dabei ertappt, dass es so war: "Eigentlich willst du das jetzt nicht machen.. aber naja, Achievements."
Jozu
08. Januar 2012 um 20:28 Uhr (#3)
Wenn man irgendetwas gerne und viel tut, vielleicht sogar gut dabei ist, dann versucht man sich doch auf einer höheren Ebene mit dem Spiel auseinander zu setzen, oder? Ich beobachte das sehr viel bei Sammelkartenspielen wie Magic, oder sogar beim simplen Pokémon Sammelkartenspiel. Auch in Videospielen wie BalzBlue und Smash Brothers kommt das viel vor. Ich finde es gerade schwierig, es in die richtigen Worte zu fassen, aber ich denke, dass es auch beim spielen eben die gibt, die anders daran gehen. Sie wollen nicht gut in einem bestimmten Spiel sein, sondern gut im Spielen. Und die Achievements sind ein guter Indikator dafür... Klar ist das ein Stück weit, was du sagtest, aber ich merke ja an mir, dass ich zwar einige Spiele habe, die ich wirklich gerne spiele, aber viele auch einfach nur abernte um am Spiel um die Gamerscore teilzunehmen. Es ist ein bisschen so wie mit Casual und Turnierdecks beim Magic. Du spielst dein Casual Deck viellecht super gern, allein schon weil dir das Prinzip gefällt, auch wenn du nicht gewinnst (Gamerscore sammelst) musst doch doch. viel öfter dein witzloses Turnierdeck auspacken, das dir zwar keinen spaß macht, aber du gewinnst bei etwas, das dir was bedeutet (sammelst gamerscore). Man spielt halt nicht mehr Videospiele, sondern spielt Videospiele-Spielen. Außerdem bin ich der Meinung, dass Katargho zerstört werden muss.
Jozu
08. Januar 2012 um 21:06 Uhr (#4)
(Oh Gott - Keine langen Comments mehr per Handy.)
Rian
08. Januar 2012 um 21:16 Uhr (#5)
Hatte mich tatsächlich weniger auf den Artikel bezogen als mehr auf Leute, die kein Verständnis für Gamerscore aufbringen können. Dachte nur, das wäre mal eine gute Gelegenheit :D

Ein viel größerer Motivationskiller als Achievements ist bei mir eigentlich der Gedanke, ob bei uns schon ein Artikel darüber geschrieben wurde. Ich kriege ja fast ein schlechtes Gewissen, wenn ich etwas zocke, das sich hier kaum verarbeiten lässt. Wenn ich über abstrakte Konzepte schreibe, dann ist das meist ein guter Indikator dafür, dass in letzter Zeit mein schlechtes Gewissen versagt hat, ich aber aus den gespielten Titeln aber immerhin noch irgendwas rausgezogen habe.
Haris
09. Januar 2012 um 07:01 Uhr (#6)
Haha, das kenne ich auch XD Wenn ich irgendwo ein Spiel billig sehe kommt immer die Überlegung "Kann ich auch darüber schreiben?" dazu. Deswegen wurde so manches Spiel nicht gekauft, oder gekauft und dann nicht gespielt.

Ich muss zugeben, dass es bei mir kurz eine Phase gab, wo ich auch mal Schrott in die Box gelegt habe für schnelle Achievements. Das waren Spiele die ich ohne dieses System nicht mal schief angeguckt hätte, aber andererseits gelang es mir gerade durch diese zusätzliche Belohnung, aus diesen Spielen tatsächlich "Spaß" zu extrahieren. Ich lachte über die schlechte Qualität und freut mich am Gamerscore der hochzählte.

Mittlerweile spiele ich auch nur das, was ich wirklich spielen will. Ich habe ungenutztes Potential für sicherlich mehr als 1000 Punkte GS, alleine schon durch die ganzen Kinect-Apps, aber anders als noch vor ein paar Jahren kann ich mich nicht mehr dazu motivieren dieses Potenzial voll abzurufen, obwohl mir ständig im Hintergrund der Jozu droht.

Gleichzeitig sind Achievements für mich schon ein gewisser Motivations- und Kaufentscheidungsfaktor. Ich ertappe mich immer wieder dabei wie ich Spiele bevorzugt auf der Xbox zocke, weil die Achievements für mich doch mittlerweile einen wichtigen Teil der Spielerfahrung ausmachen. Da müsste es schon wirklich extreme Unterschiede zwischen den Spielen geben, dass ich wirklich eine andere Version in Erwägung ziehe. Selbst Skyrim, Oblivion, Fallout und co. würde ich nicht auf dem PC spielen wollen, trotz der großartigen Modbarkeit. Da hätte ich vor 2005 aber noch klar zur Computer-Version gegriffen.
Kurioserweise habe ich gerade gestern noch mit dem Gedanken gespielt, mir Halo 2 für den PC zu kaufen. Ich habe das Spiel leider nicht mehr und nachdem ich Halo wieder gezockt habe juckt es mich richtig in den Fingern, vor allem weil Halo 2 der Teil ist, den ich am wenigsten von allen Halos gespielt habe. Aber nur die PC-Version hat eben auch Achievements ...

Interessanterweise wirken andere, ähnliche, Systeme, seie es auf der PS3, bei Steam oder sogar bei Kongregate, überhaupt nicht auf mich. Ich schaue mir in diesen Fällen meist nicht mal an wofür es Erfolge gibt -- habe auch keine Reaktion wenn ich versehentlich was freischalte. Vielleicht, weil sie nicht "das Original" sind? Oder ich genau weiß, dass die Punkte bei Steam oder die Trophy auf der PS3 eben rein gar nichts für meinen wirklichen Gamerscore bringt.

Mittlerweile sind Achievements für mich in den meisten Fällen Herausforderungen. Teilweise hat man sich ja schon selbst beim Spielen solche Herausforderungen gestellt: ich fand es früher unheimlich toll Splinter Cell auf dem härtesten Schwierigkeitsgrad ohne jemanden zu töten durchzuspielen. Oder bei manchen RPGs meine Charaktere maximal zu trainieren, ihnen das beste Equipment zu besorgen, den härtesten Boss platt zu machen. Nun kriegt man eben Gamerscore dafür.
Deswegen sind mir gerade die Achievements ein Dorn im Auge, die "nichts" bringen. Call of Duty ist ja dafür bekannt, in jedem Level irgendwelche lustigen Päckchen und ähnliches zu verstreuen, die rein gar nichts bringen außer Gamerscore. Es wird nichts freigeschaltet, man kriegt keine Hintergrundinformationen zur Story oder ähnliches zu lesen, nicht mal einemickrige Konzept-Zeichnung darf man begutachten. Das sind Sachen, die man ohne Achievements nciht gesammelt hätte, wieso sollte man es also jetzt tun? Das sind dann eben auch Aspekte, bei denen das Meta-Game-Konzept der Erfolge bis zum geht nicht mehr ausgereizt wird. Das sind dann Momente, wo man eben nur noch das Metagame spielt, fast komplett losgelöst von dem "eigentlichen" Spiel.

Andererseits sind Achievements eben auch eine gute Möglichkeit etwas tolles zu schaffen und dann auch noch einen Beweis dafür zu haben. Ich kenne kaum eine schwere Stelle in einem Spiel als den Epilog in Call of Duty 4, wo man auf dem Flugzeug eine Geisel befreien muss. Das Achievement dies auf dem härtesten Schwierigkeitsgrad zu schaffen hat mich sicher zwei Stunden gekostet. Am Ende, als ich es aber geschafft hatte, war ich unendlich froh darüber und es ist noch heute eine der Spielerrungenschaften auf meinem Gamer-Lebenslauf, auf die ich am meisten stolz bin. Ohne Achievements hätte ich das wahrscheinlich nie probiert, und wenn doch, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Freude auch nur ansatzweise ähnlich hoch gewesen wäre wie eben nach dem administrieren der psychologischen Belohnung in Form des bekannten Plopp-Geräuschs mit 50-G-Pop-Up.

Achievements haben verändert wie wir spielen, ohne Frage, und ich würde mir wünschen, dass die Achievements etwas standartisiert werden, alleine schon um die Vergleichbarkeit zu erhöhen. Aber gleichzeitig sehe ich ihnen eine positive Entwicklung das schon angesprochene Highscore-Konzept effektiv in das 21. Jahrhundert zu bringen. Ich würde sie nicht mehr missen wollen.
Rian
09. Januar 2012 um 20:29 Uhr (#7)
Dieser Gratisartikel wurde gesponsert von KrabbeDeutschland, dem größten Hersteller für WLAN-Kabel.
Rian
09. Januar 2012 um 20:36 Uhr (#8)
Achievements waren übrigens auch ein guter Grund, warum ich Nier so viel gespielt habe. Also, auch. Ich wollte jeden Tropfen Spaß aus diesem genialen Spiel wringen, weswegen es bis dato auch das einzige Spiel ohne Add-ons oder Mappacks ist, in dem ich alle 1000GS besitze.
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