Prince of Persia

(Artikel)
Rian Voß, 22. Dezember 2011

Prince of Persia

Was ging schief?

Auch Gameplay-Features verlieren irgendwann ihre Daseinsberechtigung. In Prince of Persia: Sands of Time wurde die famose Zeit-Rücksetz-Automatik eingeführt. Sterben, zurückspulen, wuppwuppwupp, alles wieder heile. Das kann man drei Teile lang machen, aber danach wird's allmählich müßig. Da also 2008 ohnehin so ziemlich unter dem Stern der immer noch umherschwappenden Reboot-Welle stand, wurde der Prinz neu aufgesetzt. Weg mit allen bekannten Charakteren, weg mit der Hintergrundgeschichte, weg mit dem Grafikstil und weg mit dem Sand. Herausgekommen ist das neue Prince of Persia, welches so unendlich viele Sachen richtig machte, quasi einen designtechnischen feuchten Traum darstellte, von dem viele moderne Titel immer noch weit entfernt sind. Nur ein einziger Fehltritt stellte sich dem kritischen Siegesmarsch in den Weg: Der Tod.

Besser gesagt: Seine Abwesenheit. Das PoP von 2008 ist - das meinte ich übrigens ehrlich - ein unheimlich gut durchdachtes Spiel, welches in jeder Faser seines Seins nur eine Bestimmung hat: Den vollkommen unbestechlichen Spielefluss. Was Uncharted und Modern Warfare über die Krücken der Skript-Sequenzen zu bewerkstelligen versuchen, ist diesem Spiel so sehr in Mark und Bein geschrieben, dass man gar nicht anders kann, als in den Sog eines spielerischen Automatismus zu verfallen.

Die Geschichte bringt das Wasser zum Fließen: quasi aus dem Nichts reitet der Prinz mit seinem Esel Farrah (eine hervorragende Anspielung auf die vorigen Teile) schatzbeladen geradewegs in ein Tal, welches dummerweise einer vergessenen Zivilisation angehört, die den eingesperrten, dunklen Gott Ahriman bewacht. Von den Wächtern sind nicht mehr viele loyal geblieben, nur die Prinzessin Elika ist standhaft, erwehrt sich den verborgenen, heimtückischen Motiven ihres Vaters und bittet den Prinzen ("Ihr habt mir nicht Euren Namen verraten." "Stimmt." Gespräch zu Ende.) um Hilfe, die Generäle des aus dem Tempel heraussickernden Ahrimans zu befreien, um die heiligen Stätten wiederherzustellen und Ahriman auf's Neue in seinem Kerker zu versiegeln. Mürrisch willigt unser Protagonist ein, denn wenn die Welt zugrunde geht, kann er seine ganze Kohle ja nicht mehr raushauen.
Im Laufe des Spiels kommt im Dialog der beiden Charaktere - neben Elikas Vater, Ahriman und den Generälen übrigens die einzigen, die der Sprache mächtig sind - immer wieder etwas mehr an Hintergrund zum Vorschein. Das hätte jetzt noch Bonus-Flusspunkte gegeben, wenn wirklich jede Dialogzeile während des Hüpfens und Springens ablaufen würde, aber leider muss man zum Reden eine Schultertaste drücken. Nichtsdestotrotz ist es eine Wonne Elika und dem Prinzen bei ihren putzigen, manchmal stark sarkastischen Unterhaltungen zuzuhören, auch wenn Nolan North zu amerikanisch klingt, um einen guten Perser abzugeben. Nichtsdestotrotz geben die beiden ein sehr gutes, wenn auch gegensätzliches Team ab.

Damit kommen wir auch zur Steuerung, diesem intuitiven Wunderwerk. Jede Taste ist nicht wie so üblich einer Aktion, sondern einem ganzen Handlungstypus zugewiesen, ähnlich dem inzwischen leider überladenen Marionettenprinzip von Assassin's Creed. Eine Taste für alles, was mit Akrobatik und Sprungeinlagen zu tun hat, eine Taste für alle Angriffe, die nächste für alles, wo der Prinz seinen Klauenhandschuh benötigt und die letzte Taste für Aktionen, die Elika auf den Plan rufen. Dieses Kontrollmuster überträgt sich auf Kämpfe und Klettereien gleichermaßen, so dass sich ein superschnelles Lernprinzip wie einst bei Mario einstellt:
Man startet den ersten Level, man läuft nach rechts, weil dort mehr Platz ist. Man sieht den Block, man springt mit der Taste, auf der der Daumen ohnehin schon liegt, von unten an ihn heran. Man findet den Pilz, das wichtigste Gut. Im Grunde spart man sich so jedes Tutoriallevel, das einem erst eine halbe Stunde lang mit ewigen Textpassagen sämtliche Laune verdirbt. Ok, PoP verzichtet auch nicht ganz auf ein paar einführende Worte, aber genauso gut hätte man das auch der Neugierde des Spielers überlassen können. An der Tastenbelegung ist einzig die Dialog-Taste so abgesondert platziert, dass man fast denken könnte, es wäre Absicht gewesen - schließlich ist das rein optionale Zwiegespräch zwischen Prinz und Elika auch eine Art Vollbremsung.

Ansonsten steuert sich der Prinz aber besser als je zuvor. So rammt er seine Finger bei einem leicht verpassten Sprung in die Wände und ruckt noch einmal nach oben, ein grau werdender Bildschirm zeigt an, dass es hier Zeit für einen Doppelsprung wäre und selbst die haarig aussehenden Decken-Überkopf-Kletter-und-dann-Wand-Raufschwing-Passagen sind leicht zu bewältigen, wenn man sich denn vorher einigermaßen einen Plan gemacht hat. Wenn man genau aufpasst und es zulässt, dann baut man sogar unbewusst eine Verbindung zwischen unserem Pärchen auf, einfach nur indem man den Prinz nach einer Bergsteigerei kurz warten lässt. Elika kann zwar auch sehr gut alles alleine und trottet ihrem starken Mann in jeder Situation ohne Fehler hinterher, aber wenn man für einen Moment innehält, bietet ihr der Prinz die Hand an, um ihr zu helfen. Das passiert so beiläufig, dass man sich fast schon die Augen reiben muss.
Derselbe gute Rhythmus ist auch in den hier und da gestreuten Kämpfen gegen immer nur ein Monster zur Zeit wiederzufinden, doch an dieser Stelle wird gerade auffällig, dass Ubisoft ein bisschen zu großzügig mit einem gönnerhaften Schwierigkeitsgrad war, da sich die meisten Kämpfe durch eine einfache Parade mit anschließendem Abhandeln der Lieblings-Standard-Kombo des Spielers gewinnen lassen. Parade, Angriff, Elika, Angriff, in die Luft schmeißen, Angriff, Elika, Angriff, zu Boden werfen, repeat. Das zieht unglaublich viel Energie und der Spaßfaktor hält sich in Grenzen, da reißen auch die teilweise recht ausgeklügelten Bosskämpfe nicht viel raus. Jedes Zelda, wo man eine Bombe in das geöffnete Monstermaul schmeißen muss, ist spannender.


Der einfache Schwierigkeitsgrad, einerseits von den Kämpfen, andererseits von den Kletterpartien, lässt sich vielleicht als Grund dafür Ankreiden, dass Prince of Persia sich nach einer gewissen Weile so anfühlt, als würde man alleine eine Tüte Chips essen: Zuerst ist es richtig toll und man hat Bock und man muss jeden Chip aus der Tüte einzeln herauswuseln, aber irgendwann ist einem das zu doof und man reißt die Tüte auf und isst weiter, aber jetzt ist das fast schon so wie sich von jemand anderem füttern zu lassen. Das Chips-Essen passiert vollkommen automatisch, man denkt gar nicht mehr darüber nach und irgendwann ist man bei der Hälfte der Tüte und man hat eigentlich gar nicht mehr so richtig Lust auf Chips, aber jetzt ist die Tüte ja schon angebrochen und wegschmeißen will man ja auch nichts.
Der wahre Grund, warum sämtliche guten Eigenschaften - dazu zählt auch das belohnende Einsammeln der Lichter zum Aufleveln der Fähigkeiten und selbstverständlich der heute noch ungebrochen herrlich aussehende Grafikstil - unterm Strich das Gesamtbild vermiesen, ist allerdings das Fehlen einer Bedrohung. Elika als unser Magic Girl, welches wir nicht mal vor Schaden bewahren müssen, rettet uns bei jedem unserer Fehltritte den Allerwertesten. Wir stürzen zu Tode? Elika fängt uns. Ein Schleimgnoll hackt uns in Stücke? Elika bringt uns zurück. Ganz ohne Ladezeiten oder sonstige Strafe. Vielleicht muss man noch zehn Sekunden Fußweg zurücklegen, aber ansonsten tut's nicht mal im Ansatz weh. Jedoch ist ein Videospiel ohne Bedrohung ein Spiel ohne Anreiz. Überall rückt uns etwas zu Leibe, überall geht etwas verloren. Bei Sonic läuft ein Timer hoch und drückt unseren zukünftigen Highscore, bei Halo fliegen einem die Plasmagranaten um die Ohren und drohen mit Zurücksetzung zum letzten Checkpoint. Selbst bei meinem liebsten Erholungsspiel, Just Cause 2, löst sich immer mal wieder eine Boden-Luft-Rakete, wenn ich eigentlich gerade ganz gemütlich in meinem gestohlenen Kampfjet über die Insel düsen will.
Insofern stellt Prince of Persia das Anti-Uncharted: Wo Nathan Drake eine lachhaft große Zahl von feindlichen Söldnern entgegengeschmissen wird und so für unverhältnismäßige Schwierigkeitsgradspitzen sorgt, die den sonst so einträglichen Spielefluss stören, verläuft Prince of Persia derart gleichmäßig, dass man nach zwei Stunden aufwacht und sich wundert, warum auf einmal viel mehr Bereiche der Karte freigeschaltet sind. War ich das...?

Dabei ist das Problem des hastige Resetten zu einer sicheren Position nicht neu. Es wird seit langer Zeit darum debattiert, dass das artverwandte Quicksaving Spiele regelrecht kaputt macht, indem sie den Spieler unvorsichtig werden lassen, weil er ja auf Knopfdruck in Sekundenschnelle zu einem geschützten Ausgangspunkt zurückkehren kann. Das absolute Gegenbeispiel war das erste Mafia, welches höchstens mal eine Zwischenspeicherung vergab, wenn die Mission besonders lang war. Also so ab einer bis zwei Stunden. Prince of Persia dagegen meistert das Prinzip des Quicksavings so gut, dass der Spieler nicht mal mehr selbst F5 und F9 drücken muss.


In der Regel bin ich auch trotz Vereinfachungen von Entwicklerseite her ein sehr vorsichtiger Spieler, der sich auch gerne mal ein bisschen länger Zeit nimmt. Bei Prince of Persia allerdings, auch wenn ich es überhaupt nicht möchte, schaltet mein Hirn irgendwann ab, übergibt den Händen die Kontrolle und so lasse ich den Prinz ohne groß nachzudenken gerne mal in die eine oder andere Klippe laufen. Kostet ja keine Zeit. Als Resultat wacht die Schaltzentrale aber abrupt wieder auf, ist grummelig und frustriert und fragt sich, warum die Motorik da gerade so eine Scheiße anstellt. Muss man denn alles selbst machen?!

Ich finde es sehr schade, dass Ubisoft die Weiterführung des Plots des Reboots abgebrochen hat. Meines Erachtens nach hat das generelle Spielprinzip und das Schicksal von Elika und ihrem Beschützer großes Potenzial zu einer wirklich absorbierenden Spielereihe. Wenn man aus einem abstrakten Blickwinkel draufschaut, ist dieses Spiel eine feingliedrig funktionierende Maschine, in der jedes Zahnrad perfekt ineinandergreift. Zu perfekt. Genau wie die erste Matrix. Aber zweite Chancen sind nun mal rar in der Spielewelt, da hat das Unterschätzen eines der mächtigsten Motivationsantriebe in virtuellen Welten seitens der Entwickler dieser Geschichte leider finanziell den Kopf gekostet. Schaut euch dieses in Vergessenheit geratene Prince of Persia einmal an, wenn ihr die Gelegenheit habt. Die Investition von inzwischen nur fünf bis zehn Euro ist nicht verschwendet. Rian

Kommentare

HeilerDerWelten
Gast
24. Dezember 2011 um 14:18 Uhr (#1)
Das erste PS3 Spiel in meiner wunderbaren Slim
und somit ihr Jungfernstecher.

Dabei bin ich weder großer Fan von Ubisoft, (eher gegenteilig)
noch bin ich großer Fan von der Prince of Persia Reihe.
(nach The Two Thrones sogar noch gegenteiliger)

Was mich also dazu geritten hat mir PoP gleich als erstes zu kaufen,
ist nach logischen Maßstäben also recht schwierig auszumachen.

Zumal ich ein extrem wählerischer Käufer bin
und ich mir selbst Spiele, auf die ich richtig Bock habe,
erst nach sehr langer Zeit kaufe,
weil ich Impulskäufe zu vermeiden versuche.

Dem gegenüber steht allerdings der Fakt,
dass ich eine fanatische Stil-Hure bin
und wenn mich ein Gamedesign anmacht,
ignoriere ich auch gerne mal alle anderen Punkte.

Hat mich bislang zu Perlen wie:
El Shadai, Odins Sphere, Soul Calibur 2, PoP, Silent Hill 2,
NieR, Shadow of the Colossus, Okami und anderen Säuen im Perlenhaufen geführt.
(ich mag Fleisch ^^)

Allerdings auch zum ein oder anderen Blender...tja auch das kommt vor.

...da ich nun schon wieder vergessen habe, was ich ursprünglich wollte,
geh ich erstmal Fleisch essen.


~ Heiler ~
Rian
24. Dezember 2011 um 17:33 Uhr (#2)
Yeah, Fleisch! Ohne Fleisch geht auch, aber mit Fleisch ist besser. Aber ja, Stilhure. Ich kann es verstehen. Manchmal kauft man sich Spiele einfach nur wegen der Präsentation, die dann Bedürfnisse befriedigt, bei denen die herkömmlichen Titel nur mal gerade so anecken. PoP läuft diesen Sektor definitiv ab.

Aber hnnng, es gibt noch so viele Sachen, die ich gerne in diesen Artikel reingebracht hätte. Irgendwann werde ich für diesen Job bezahlt und dann habe ich genug Zeit, um neben einem Schreib- und einem Korrekturdurchgang auch mal einfach den ganzen Artikel wegzuschmeißen, um wieder von vorne anzufangen.
HeilerDerWelten
Gast
24. Dezember 2011 um 21:42 Uhr (#3)
Habe gerade den, als Frauenfilm abgetanen:

~ Wer ist Hanna ~

zuende geseh... nein,
dass käme der Erfahrung nicht gleich, bewundert ist besser.

Ich neige aus unerklärlichen Gründen zu Streifen wie Leon der Profi, Nikita
und eben Genanntem.
Hm... sollte vielleicht mal Mardock Scramble schauen,
soweit ich weiß ist die Protagonistin, eine kybernetische, rachsüchtige Bordsteinschwalbe.

Was das mit dem Thema zu tun hat fragst du dich?

Rein gar nichts, also weiter...

Ich hätte bei der, vor allem im Vergleich zu anderen "Videospiel Experten" siehe:
Area G... (Yeah! Area Games gebasche... lacht ^^)
hervorragenden virtuellen Pornoanalyse gedacht, (alle Welt liebt Brüste)
dass ihr gar fürstlich entlohnt werdet.

Wenn D- Pads redaktionelle Sklavenarbeit, zu solchen Ergebnissen führt,
habt ihr auf jedenfall etwas verdammt richtig gemacht Männers!

Ich stimme dann noch weiter Lobgesänge auf euch ein
und starte Demon´s Souls Durchlauf Nummero 3.

ICH BIN SPARTA!
(entgleitet meinem Mundwerk, während mich Skelettor in den Burggraben tritt...VERDAMMT!)

~ Heiler ~
Rian
25. Dezember 2011 um 13:32 Uhr (#4)
Sklavenarbeit ist schon richtig. xD

Ok, es gibt ein paar Inzentiva, so ganz lassen wir uns ja doch nicht hungern, aber von Bezahlung kann man echt nur reden, wenn man ansonsten in 'nem Pappkarton haust. Viel Spaß bei deinem dritten Durchlauf! Wenn ich die Zeit hätte, würde ich meine Kriegerlady Bob auch mal wieder auspacken und meinen zweiten starten...
Gast
16. April 2024 um 12:26 Uhr
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