Rayman Origins

(Artikel)
Haris Odobašic, 14. Dezember 2011

Rayman Origins

Ohne Gliedmaßen an die Spitze

Wenn man an die richtig guten Jump 'n' Runs der 90er zurückdenkt, kommt man nicht darum hinweg Rayman 2 zu erwähnen. Der von Michel Ancel geschaffene Franzosenplattformer mit dem arm-, bein- und halslosen Blondschopf in der Hauptrolle hatte unerwartet gut den Sprung in die dritte Dimension geschafft und stellte sich als ernsthafte Konkurrenz für Spiele wie Mario 64, Banjo & Kazooie oder Sonic Adventure heraus, mancherorts sogar als das Beste unter diesen Titeln bezeichnet. Und dann widmete Michel Ancel sich anderen Projekten, irgendwie hat er auf'm Klo mal dieses obskure Beyond Good & Evil designed, und überließ anderen Leuten die Verantwortung für Rayman. Bis zu diesem Jahr, denn bei Rayman Origins hat er wieder das Heft in der Hand!

Schon früh wird klar, dass Origins zu den Wurzeln zurückkehrt. Die bescheuerten Rabbids, die manch einer lustig finden mag, ich persönlich aber schnell als nervig empfand, sind nirgendswo zu sehen! Stattdessen gibt es ein wiedersehen mit vielen traditionellen Rayman-Charakeren, beispielsweise gut bestückten Feen, die man aus dem allerersten Rayman kannte, die es zu retten gilt oder Globox, Raymans treudoofer Kumpel.


Rayman Origins ist dabei ein Plattformer der alten Schule mit vielen Anleihen an die 16-bit-Zeit. Gegner werden gekonnt per Sprung geplättet oder mit einer simplen Attacke weggehauen, während das anspruchsvolle Level-Layout an jeder Ecke zum Erforschen anregt und mit Geheimnissen lockt. Selbstverständlich gibt es Sammelobjekte, die euch neue Gebiete, Charaktere oder besonders schwere Level, bei denen ihr eine Kiste durch einen wilden Parkour verfolgt, freischalten. Zwischendrin dürft ihr auch mal auf den Rücken einer Art Moskito hüpfen, mit dem ihr dann kurzweillige Side-Scroll-Shooter-Passagen absolviert.
Gleichzeitig strotzt jedes Element des Spieldesigns voller Hingabe der Entwickler. Sei es die sanfte Lernkurve in der ersten Hälfte des Spieles, die einen erst Stück für Stück die einzelnen Moves von Rayman erlernen lässt, oder die schiere Detailverliebtheit, zum Beispiel durch die vielen lustigen Animationen und der wunderschönen, handgezeichneten Grafik. An jeder Ecke versucht euch das Spiel wenigstens ein Schmunzeln zu entlocken und wenn mal eben ein Dinosaurier mit Kellner-Tablett an euch wie auf Schlittschuhen vorbeirutscht oder eine Bratwurst genüsslich in einem Topf ihr Bad nimmt, nur um Sekunden später von euch als Sprungbrett missbraucht zu werden, dann gelingt das dem Spiel auch wunderbar.

All das sind schon die Bestandteile eines großartigen Jump'n'Runs -- und dann kann man Rayman auch noch im Ko-op zu viert spielen. Dadurch, dass man sich ständig gegenseitig wiederbeleben kann, sinkt der Schwierigkeitsgrad zwar etwas, aber gleichzeitig steigt der Spielspaß massiv an - was sicher auch an dem Chaos liegt, das sich proportional zur Spieleranzahl erhöht. Denn man kann zwar zusammenarbeiten, indem man beispielsweise einen Turm aus allen Charakteren baut, um schwer erreichbare Stellen auch ohne Sprunggeschick zu erreichen, gleichzeitig passiert es aber nicht selten, dass man in aller Eile, einen Gegner zu erwischen oder ein paar der einsammelbaren Lums vor der Freunden zu erhaschen, sich gegenseitig schlägt, was im Idealfall ohne Konsequenz bleibt. In anderen Fällen kann man dann aber auch schon mal in Abgrund, Stachelfalle oder im Körper eines Gegners landen, was zur Folge hat, dass man zu einer gewaltigen Seifenblase mutiert -- die aber jederzeit zerschlagen werden kann, um euch wiederzubeleben. Daher sind solche Missgeschicke auch selten frustrierend, sondern eher amüsant.
Gerade wegen dem immensen Spielspaßfaktor im Ko-op ist es deswegen absolut unverständlich, wieso die Entwickler Rayman keinen Online-Multiplayer spendiert haben.


All die Stärken von Rayman Origins werden zusätzlich durch gelungene Soundeffekte und großartige Hintergrundmusik untermalt. Alle Charaktere unterhalten sich in komischer Brabbelsprache, was unheimlich lustig anzuhören ist, während jede Welt ihre eigene Musik spendiert bekommen hat. Hier hat Ubi echt in die Vollen gegriffen, und bietet von atmosphärischem Jazz, der fröhlich im Hintergrund dudelt, über an die Aborigines erinnernde Urwaldtrommeln bis hin zu Beats, die auch auf der Tanzfläche nicht vekerht wären, für jeden Moment die passende Berieselung. Mein persönlicher Favorit ist aber ein Stück, dass im Level Gourmand Land, einer Art infernalen Küche, spielt: erst heizen euch mexikanische Salsa-Rhythmen ein, begleitet von wilden "Aye aye aye"-Rufen mit einer Stimme, die nach einem prepubertären Jungen klingt, der einen Heliumballon zuviel eingeatmet hat, ehe ein Sänger einsetzt, bei dem man sich ernsthaft fragen muss, ob Ubi hier den Origina-Trololo-Mann reaktiviert hat für ein paar Aufnahmen. Und dann singt der auch noch genau so einen Quatsch, dass ich keine andere Wahl hatte als in Folge meines Lachkrampfes in das nächste Lavabecken zu springen.

Das Endprodukt ist ein Spiel, das auf demselben Niveau spielt wie Nintendos moderne 2D-Plattformer auf der Wii -- wenn nicht sogar besser. Rayman Origins ist nicht nur ein Beweis dafür, dass alles, was Michel Ancel anfässt, zu Qualitäts-Gold wird, sondern vor allem eine zwar manchmal hektische, gelegentlich chaotische aber immer lustige Spielspaßbombe für jedermann. Wir haben hier das beste Rayman der letzten zehn Jahre. Evil

Kommentare

Rian
19. Dezember 2011 um 09:36 Uhr (#1)
Inzwischen wird gesagt, dass die Verkäufe von Rayman Origins die Entwicklung von Beyond Good & Evil 2 beeinflussen / beschleunigen könnten. Während ich bei Beyond Good & Evil HD noch verstehen kann, dass es dort für Ubisoft interessant ist, über diese Verkäufe ein ökonomisches Gefühl für einen Nachfolger zu bekommen, eskaliert das ganze Prinzip doch schon ziemlich. Es ist, als würde Ubi BG&E2 als Geisel halten, was einfach nur eine beschissene Idee ist, nicht nur für Fans, sondern auch für Ubis Image.
Rian
22. Februar 2012 um 19:12 Uhr (#2)
Origins für PS Vita ohne Multiplayer: Failure.
Ben
23. Februar 2012 um 13:47 Uhr (#3)
Ich kann Rian nur zustimmen! Großartiges Spiel - aber warum fehlt der Koop-Modus?
Gast
19. März 2024 um 06:53 Uhr
GASTNAME
E-MAIL (nicht öffentlich)
      
SICHERHEITSFRAGE
Mit wie vielen "d" schreibt sich "dailydpad"?
ANTWORT

Themen

Review
Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

Gefällt dir unser Artikel?

Spiele des Artikels

RELEASE
25. November 2011
PLATTFORM
Nintendo 3DS
Plattform
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
Playstation 3
Plattform
PS Vita
Plattform
Wii
Plattform
Windows Phone
Plattform
Xbox 360
Plattform

Ähnliche Artikel