LIMBO

(Artikel)
Rian Voß, 23. Oktober 2011

LIMBO

Wie Mario, nur monochrom und grausam!

Limbo hat was mit Gott zu tun. Es ist nicht ganz die Hölle, aber wirklich angenehm dann nun auch wieder nicht. Der Limbus ist nämlich so eine Art Wartezimmer für all diejenigen, bei denen man nicht weiß, wo man sie jetzt hinstecken soll. Was das nun mit dem Jump 'n' Rätsel vom dänischen Entwickler Playdead Studios zu tun hat, kann jeder in seinem eigenen Kopfkino vorführen lassen - das soll uns nicht daran hindern, einen Blick auf dieses durchdachte Indie-Spiel zu werfen.

Als Silhouette eines kleinen Jungen erwacht man in einem schwarz-grauen Wald. Ohne zu wissen, was eigentlich passiert ist und was passieren soll, bewegen wir den Protagonisten unter geisterhaften Ästen hinweg, springen in dieser musiklosen, nur von Schritt- und Atemgeräuschen durchbrochenen Stille über Hindernisse hinweg und schließen in der ersten Spielminute bereits mit der Erkenntnis, dass sich etwa abgetrennte Baumstümpfe und andere Gegenstände schieben und ziehen lassen, den Lehrgang über die elementare Spielsteuerung ab. Und dann bin ich in Begleitung eines wirklich hässlichen Schnappgeräusches in eine im Gras versteckte, kindsgerechte Bärenfalle gelaufen, woraufhin der Junge binnen Momenten leblos in sich zusammensackte. Sofort war mir klar, dass ich hier nichts geschenkt bekommen würde.

Und nichts anderes möchte Playdeads Erstlingswerk bezwecken. Irgendwann schafft man es ja doch mal aus dem Baumfriedhof heraus, aber auch die anderen Gegenden (Städte, Minen, Industrieanlagen) haben mit dem Ort unseres Erwachens eine gespenstische Atmosphäre gemein. Gespenstisch und bedrohlich, so dass der Spieler zu jeder Zeit die Ohren spitzt und sich paranoid vorantastet, um nicht in noch mehr versteckte Todesapparate zu geraten. Oder in die Fänge von biestigen Kreaturen, wie etwa der gigantischen Spinne, die den Jungen mit ihren fiesen, haarigen Beinen von Kopf bis Fuß durchbohren möchte und die selbst nach mehreren Verstümmelungen nicht aufgibt, uns nach dem Leben trachten zu wollen. Hier ist nichts freundlich, nichts heilig und die wohl angenehmsten Kreaturen sind die zahnbesetzten Blobs, die an der Decke kleben und uns Gehirnmanipulationsmaden vom Schädel fressen, wenn uns dieses eklige Gewürm gerade auf einen Teich zulenken und ertränken will.


Die Präsentation von Limbo, mit seinen bewusst unwirklichen Animationen, den verstörenden Geschöpfen, den absolut fließenden Übergängen zwischen den Arealen (es kommt einem so vor, als würde man einen einzigen, zusammenhängenden Level durchlaufen) und der geräuschintensiven Soundkulisse, hat mich schon nicht schlecht beeindruckt, aber viel mehr hat mich der Erfindungsgeist der Rätsel mitgenommen. Wie viele Indiespiele wird auch hier viel auf Physik gesetzt, aber ihre clevere Umsetzung in den Rätseln in Verbindung mit fehlerfreier Renn-und-Spring-Steuerung kommt wenigen anderen Spielen gleich. Ganze Räume drehen sich um die eigene Achse, so dass man herunterkullernder Innenausstattung ausweichen muss. Kisten werden Anhöhen heraufgeschoben, um sie dann auf einen Schaltern draufzurutschend als intelligenten Timer zu missbrauchen, Gravitations-Umlenker wollen zur rechten Zeit benutzt werde, um Material durch enge Spalten zu levitieren, Boote müssen aus umliegenden Gegenständen improvisiert werden...
Es gibt viel zu tun, kein Rätsel ist wie das letzte und vor allem kommen die Probleme, die sich einem stellen, als vollkommen natürlich herüber. Manchmal will einen jemand umbringen, klar, aber häufig muss man sich einfach nur durch eine schlecht behandelte Welt ohne böse Hintergedanken navigieren.

Wer dann noch Spaß daran hat, sich zu überlegen, was die Entwickler einen eigentlich mit der "Story" des Spiels sagen wollen, der sei hier nicht aufgehalten. Einen Tipp gibt's direkt von Playdead: "Uncertain of his sister's fate, a boy enters Limbo." Ich selbst habe zur Schulzeit genug in Kafkas "Der Process" heruminterpretiert um zu wissen, dass sich das manchmal nicht lohnt und man das erlebte Werk einfach nur auf sich wirken lassen sollte.

Einziger Wermutstropfen ist letzten Endes die zum doch derzeit recht teuren Kaufpreis von 1200 MS-Points bzw. 15 Euro ziemlich kurze Spielzeit von wenigen Stunden, die sich einzig durch die Suche nach versteckten Gegenständen noch ein wenig aufwerten lässt. Dabei wende ich ein, dass die Spielzeit für das Spiel vollkommen in Ordnung ist - noch länger und es würde gestreckt wirken - allerdings wäre ein Preis von 10 Euro für die knappe Unterhaltungsspanne doch angemessener. Aber künstlerischer Wert ist ohnehin unbezahlbar, nicht wahr? Rian

Kommentare

heilerderwelten
Gast
14. Januar 2012 um 12:57 Uhr (#1)
Nach NieR das zweite Spiel,
welches ich auf deine "Empfehlung" hin gekauft habe Rian
und ähnlich wie NieR, ist LIMBO eine stilistische Offenbarung.

Aber fange ich mal beim, für mich, mitreißendsten Aspekt an,

DEM TOD!

Als ich nichts ahnend,
den namenlosen Jungen, in die erste Bärenfalle hineinmanövrierte,
bekam ich auf den Schock hin, fast einen Herzinfarkt.

Ich musste danach erstmal ein paar Sekunden das Passierte reflektieren
und zu dem Schluss kommen, dass LIMBO mir sicher noch
den ein oder anderen mentalen Knacks bescheren wird.

~ Randnotiz:

Das letzte mal, dass mich ein Spiel so paralysierte,
war Resident Evil 4, als mich Doktor Salavador bei voller Gesundheit,
mit seiner Kettensäge enthauptete...bzw. Leon,
es fühlte sich allerdings so an,
als hätte der Irre mir die Säge durch den Hals gejagt.


Zurück zu LIMBO.

Nach dem Ersten, der insgesamt sieben Tode des Jungen,
(Ich selbst starb während des Spieles sicher 1000 Tode )
wurde ich recht schnell paranoid
und vermutete hinter jedem vergammelten Baumstumpf einen gar grausigen Tod.
(..eigentlich wie in Demon´s Souls...hm)

Glücklicher Weise stellte sich heraus,
dass meine Paranoia unbegründet war,
denn nur hinter jedem dritten vergammelten Baumstumpf lauerte ein gar grausiger Tod.

Ich geh nun nicht spezifisch auf die Bedrohungen ein,
soviel sei allerdings gesagt: Kinder, Gliederfüßer und Elektrowerkzeuge,
werde ich nie wieder so sehen können,
wie in meinem beschaulichen, rosaroten Kosmos,
in dem ich vor LIMBO lebte.

Ich habe seit gestern etwa 6-7 Stunden, nachts und das Meiste am Stück gespielt.

Ich habe mir an jedem Abgrund, vor jedem runterhängendem Ast
und bei jedem neuen Bildschirm, fünfmal überlegt wie
und ob ich überhaupt einen weiteren Schritt, nach rechts setzen soll.

Ich habe Bedrohungen vermute wo (wahrscheinlich?) gar keine waren
und wenn ich dann doch mal den Jungen in den Freitod schickte,
kam ich mir richtig dreckig vor.

Es ist für mich schwierig zu beurteilen,
warum ich mich dann schlecht fühlte.

Der Junge ist eine enigmatische Gestalt,
genauso rätselhaft, wie die Welt in der er wandelt.
Dementsprechend tue ich mich schwer damit,
dem Jungen Empathie entgegen zu bringen.

Die Tatsache, dass mir sein Tod trotztdem so nahe geht,
könnte am eigenen Versagen liegen,
daran sein Ableben selbst verursacht zu haben,
zu dämlich gewesen zu sein, die Herausforderung beim ersten Versuch
überwunden zu haben.
(...und wieder kommt mir Demon´s Souls in den Sinn)

Während der gesamten Spielzeit,
konnte ich mich eigentlich nur auf 2 Tatsachen stützen.

1. DIE WELT IST GEGEN DICH!
Alles will dich umbringen...

2. Du musst versuchen,
so weit wie möglich nach rechts zu laufen.
Dann siehst du schon irgendwann mal das Ende...

Das waren die einzigen Konstanten,
auf die ich mich wirklich verlassen konnte.
Ganz gleich ob sich mir irgendetwas ins Hirn bohrte,
um meine Steuerung zu sabotieren
oder ob sich auf einmal die Gavitation verabschiedete
und ich in den Himmel "fiel".

Jetzt nach dem ich diese psychische Marter hinter mich gebracht habe,
quählt mich dass, was eigentlich mein geschundenes Spielerhirn wieder beruhigen sollte...

DAS ENDE!

Es ist genauso wie die Geschichte um den Jungen,
die "Gegner" und die ganze Welt,
unheimlich frustrierend.

Man kann alles hineininterpretieren,
dass Bruder und Schwester schon von Beginn an tot sind
und man die Reflektion der letzten Minuten des Jungen,
kurz vor seinem Tod "nachspielen" muss.

Es könnte ein Fiebertraum des geisteskranken,
sadistischen Mädchens sein, die den Jungen durch die Hölle jagt.

Es könnte eine Prüfung des Limbus sein,
die den beiden bei gelingen, die Pforten ins Paradies öffnet.

Genau so gut könnte es aber auch gar nichts sein!

Man wird genau wie der Junge, im Ungewissen gelassen.
Man wird paranoid und zweifelt alles an was man denkt gewusst zu haben.
Man verlässt LIMBO mit der Erkenntnis zwar großes geleistet zu haben,
zerbricht allerdings daran, am letzten großen Rätsel gescheitert zu sein
und das ist einfach nur frustrierend...


~ Heiler ~


P.S. Trotzdem will ich die Erfahrung nicht missen
und somit war auch deine zweite "Empfehlung" ein Treffer. ^^
Rian
15. Januar 2012 um 17:24 Uhr (#2)
Die Spinne. *schauder* Grausam-gute Soundkulisse.
Ewitt
Gast
07. April 2012 um 19:16 Uhr (#3)
Hier sei mal hinzugefügt, dass es den Limbus erst nach Einführung durch die Kirche gab. Diese hatte nämlich ein problem: Wohin nur mit denen, die man nicht einordnen konnte.

Trotzdem ein sehr schönes Spiel - leider etwas kurz, aber durchaus eines des besten Spiele, das ich je gespielt habe und ich bin seit vielen vielen Jahre ein Gamer -noch zu C64 Zeiten gestartet, muss ich doch feststellen, dass Games mit einer derartigen Tiefe sehr selten geworden sind. Meist ist es nur ein Aufgus anderer Werke. Selbst Spieleschmieden wie ID-Soft haben mit Rage ein Spiel herausgebracht, das mich nur noch an Borderlands, Fallout 3 etc. erinnert. Alles schon dagewesen? Wohl kaum, eher liegt bei den meisten Spielherstellern ein umschauen, was andere gemacht haben und damit Erfolg hatten vor. Schade eigentlich...
Rian
07. April 2012 um 23:34 Uhr (#4)
Es wird seit jeher viel geklaut - kaum einer wird sich in fünfzehn Jahren noch an Rage erinnern, genauso wie kaum einer den ganzen Durchschnittskack für den SNES auf der Kappe hat. Irgendwann konvergiert das kollektive Spielegedächtnis einer Konsolengeneration auf eine Handvoll exquisiter Titel, bei denen man sagt "DIESE Spiele sind zeitlos!" oder zumindest "Hier hat alles begonnen!"
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25. April 2024 um 12:42 Uhr
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