Bastion

(Artikel)
Haris Odobašic, 25. Juli 2011

Bastion

One day that wall is gonna fall

Bastion ist das vielleicht innovativste Spiel dieses Jahr und das ganz ohne irgendwelche Physik-Spielereien oder andere Gameplay-Gimmicks. Supergiant Games erstes Spiel erreicht das, indem es die Rolle des Erzählers in Spielen revolutioniert und damit eine Art des Storytellings schafft, die mit keinem anderen Medium außer dem der Videospiele realisiert werden könnte: einem interaktiven Erzähler, der auf den Spieler und seine Taten reagiert.

Die Stimme des Erzählers ist auch das Erste, was ihr hört, ehe ihr in die Welt von Bastion gelassen werdet. In der Rolle des Hauptcharakters, der im Spiel nur The Kid genannt wird, wacht ihr auf in der Welt von Caelondia - einer Welt, in der nach einer schrecklichen Katastrophe nicht nur fast das gesamte Leben ausgelöscht wurde, auch ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Das merkt ihr schnell, wenn ihr euch umschaut, nur um festzustellen, dass fester Untergrund eine Rarität geworden ist und die Welt nur noch aus fliegenden Erdklumpen zu bestehen scheint. Lauft ihr ein paar Meter, seht ihr aber zum ersten Mal einen netten Effekt, der euch das gesamte Spiel über begleiten wird: der Boden baut sich unter euren Füßen auf. So gebt ihr Schritt für Schritt der Welt ihre Form wieder.
Früh dürften dabei die Kontraste auffallen, die das Spiel bietet. Denn auf der einen Seite ist die Stimmung bedrückend und die Thematik des Spiels ernst, andererseits ist das Art-Design in einem Anime-Look gehalten und sehr bunt, vollkommen handgezeichnet und wunderschön. Aber vielleicht ist ja auch dieser Gegensatz einer der Aspekte, der die Faszination von Bastion ausmacht.


Es dauert nicht lange ehe euch die namensgebende Bastion, eine fliegende Insel und der höchste Punkt in Caelondia, die das letzte bisschen Zivilisation darstellt, begegnet. Außerdem ist sie euer Ausgangspunkt, denn zwischen euren Ausflügen in die Welt nach der Katastrophe kehrt ihr immer wieder zur Bastion zurück, die mit fortschreitender Spieldauer durch euch immer weiter aufgebaut werden kann, um beispielsweise eine Schmiede zu beherbergen, in der ihr eure Waffen verbessert, oder eine Brennerei, in der ihr euren Charakter mit Spirituosen ausstattet, welche euch Boni geben.

Fortan reist ihr durch Caelondia, auf der Suche nach Cores und Shards, mächtigen Steinen, die eure einzige Hoffnung nach der Katastrophe verkörpern. Dabei werdet ihr durch unterschiedliche Gebiete geführt, von Sümpfen und verschneiten Bergen quer durch einen Dschungel und über desolate Stadtstriche hinweg, immer die Welt mit jedem eurer Schritte wieder aufbauend und auf der Suche. Dabei begegnen euch aber auch allerlei Monster, Überlebende der Katastrophe, die manchmal auf eurer Seite sind, meistens aber versuchen euch ans Leder zu gehen. Dabei ist sowohl das Level- als auch das Gegner-Design sehr abwechslungsreich und gepaart mit der hohen Qualität der handgezeichneten Grafiken des Titels eine echte Augenweide.


Kommt man auf den Sound zu sprechen, kommt man nicht daran vorbei Logan Cunningham, die Stimme des Erzählers, mit dem ein oder anderen Superlativ zu überschütten, denn seine tiefe, leicht-rauchige Stimme ist das, was Bastion seine Seele gibt und seine Stimme ist das Element, welches den Spieler immer wieder kopfüber in die Welt des Spiels eintauchen lässt. Egal ob es kurze, trockene Kommentare sind oder wenn er dem Spieler etwas über seine eigene Herkunft näherbringt, Cunninghams Darbietung ist ohne Makel. Und zum Glück haben die Entwickler so viel Audio aufgenommen, dass sich auch kaum eine Wiederholung in seiner Narration findet. Dafür hat der Erzähler aber viel zu sagen: sei es zu den Monstern, die euch begegnen, der Hintergrundgeschichte der einzelnen Orte oder einfach nur das Kommentieren der Aktionen des Spielers - bei Bastion ist Zuhören die halbe Miete, um das Spiel vollkommen genießen zu können.
Doch wenn der Erzähler den Ton angibt, dann schafft die Hintergrundmusik wunderbar diesem zum folgen. Der Soundtrack fängt immer die derzeitige Stimmung perfekt ein und auch in ihm finden sich die vorhin erwähnten Gegensätze. So werden in manchen der Liedern elekronische Musik mit orientalischen Instrumenten wie der Sitarre kombiniert, was nicht nur zum Spiel passt, sondern auch überraschend gut klingt. Insbesondere ein Stück hat es mir angetan und zählt zu den schönsten Liedern, die man so in einem Videospiel gefunden hat. Ohne zu viel verraten zu wollen kann ich euch versichern, dass ihr, wenn ihr Bastion spielt, sofort merken werdet, welches Lied ich meine.

Doch selbst wenn Bastion nicht von der Präsentation, der Story und der Atmosphäre her ein kleines Meisterwerk wäre, auch Aufgrund seines Gameplays hätte es eine Lebensberechtigung verdient: als Action-RPG macht es nämlich sehr vieles richtig. Ohne den Spieler mit extremer Komplexität zu erschlagen, ist das Spielgeschehen überraschend tiefgängig. Ihr sammelt zum Beispiel im Verlaufe des Spiels neun Waffen, wovon ihr jeweils immer nur zwei gleichzeitig tragen könnt. Diese Waffen reichen über einen riesigen Hammer und eine Machete für den Nahkampf bis hin zu verschiedenen Schießeisen und sogar einem Flammenwerfer. Da sich aber jede Waffe anders spielt, hat man als Spieler viele Möglichkeiten, Kombinationen auszuprobieren und für sich selbst die perfekte Waffenwahl zu finden. Das man die Waffen zusätzlich noch in der Schmiede verbessern kann, vertieft diesen Aspekt der Waffenwahl noch weiter, da man zwar bis zu fünf Upgrades pro Waffe machen kann, man aber auf jeder Stufe zwischen zwei Upgrades wählen muss.


Auch der Umfang von Bastion kann sich sehen lassen. Abseits des roten Pfades der Geschichte kann man sich nämlich in den sogenannten Proving Grounds austoben: kurze Level, die für jeweils eine spezifische Waffe gedacht sind und in der ihr eure Fähigkeiten trainieren könnt, um Skills für die Waffen freizuschalten, besondere Spezialfähigkeiten, von der ihr jeweils nur eine zeitgleich benutzen könnt, die aber verheerende Wirkung haben.
Es gibt zudem noch drei Speziallevel, die in der Bastion versteckt sind, in der ihr euch gegen Wellen von Gegner verteidigen müsst. Diese Level sind dabei nicht nur eine willkommene Abwechslung und eine gute Herausforderung, der Erzähler nutzt diese auch, um euch die Hintergrundgeschichte der Spielfiguren zu erläutern, weswegen ihr diese drei Level nicht verpassen solltet.
Nach dem erfolgreichen Durchspielen schaltet ihr außerdem noch ein "New Game Plus" frei - die Möglichkeit, das Spiel nochmal von vorne zu starten mit all euren Waffen und Fähigkeiten. Diese Option werdet ihr nach dem Durchspielen auf jeden Fall wahrnehmen wollen, glaubt mir.
Schließlich haben noch die Leute, denen Bastion zu leicht ist, die Möglichkeit über den Schrein, eines der Gebäude die man in der Bastion bauen kann, ein paar Modifikatoren zu aktivieren, ähnlich den Schädeln in Halo, die eure Feinde stärken, euch dafür aber mit einem Erfahrungs- und Geldbonus belohnen.

Microsofts Summer of Arcade ist jedes Jahr vollgepackt mit qualitativ hochwertigen Indie-Spielen und Bastion reiht sich mühelos in die Reihe ein, die mit Titeln wie Braid, Shadow Complex oder Limbo schon hochkarätig besetzt ist. Bastion bietet eine einzigartige Erfahrung, die auf allen Ebenen überzeugen kann, doch der vielleicht größte Erfolg des Debutspiels von Supergiant Games liegt darin, eine perfekte Symbiose aus traditionellem Gameplay und neuartigem Storytelling geschaffen zu haben, bei der beide Teile sich perfekt ergänzen ohne dass ein Element die zweite Geige spielen muss. Das macht Bastion im Endeffekt vor allem zu einem: einem großartigen Beweis dafür, dass Videospiele Kunst sind. Evil

Kommentare

Rian
26. Juli 2011 um 14:06 Uhr (#1)
Ich muss sagen, dass für mich wirklich selten ein einziges Voice Talent so eine Motivation darstellt, ein Spiel nicht nur einmal, sondern auch zweimal durchzuspielen. Synchronsprecher wie Nolan North als Nathan Drake oder Jennifer Hale als weiblicher Commander Shepard sind zwar Leute, die ein Spiel hervorheben und erst für die Ohren so richtig angenehm machen, aber Bastion wäre ohne Logan Cunningham definitiv nicht dasselbe Spiel. Das kann man jetzt interpretieren wie man möchte, aber ich würde vorschlagen, es auf eine positive Weise hinzunehmen. Bastion ist, als würde man am Lagerfeuer einem alten Mann mit rauchiger, aber angenehmer Stimme dabei zuhören, wie er fabelhafte Geschichten von anderen, lang vergessenen Welten erzählt. Nur dass man dazu noch ein gutes Spiel bekommt.
Gast
28. März 2024 um 17:59 Uhr
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