Guitar Hero 6

(Artikel)
Haris Odobašic, 17. Juni 2011

Guitar Hero 6

Es kann nur einen geben

Wieso fristen eigentlich so Spiele wie die Bemani-Serie oder die DDR-Reihe ein Nischendasein? Jeder, der sich mal daran gewagt hat, dürfte doch die Eingängigkeit und den hohen Kurzweilfaktor belegen können. Wenn man sich anschaut, was die zwei derzeit wohl größten Musikspielserien hinlegen, wird diese Frage jedoch schnell beantwortet: Wer seine Spiele bis zum Geht-Nicht-Mehr milkt, der hat am Ende nur noch eine Hardcore-Fanbasis übrig, die bereit ist jährlich -- oder teilweise sogar pro Quartal -- den Preis für einen neuen Teil der Serie zu zahlen. Der Markt schrumpft und irgendwann fehlt einfach die Kundschaft, um beide Spieleserien in relevanter Anzahl zu verkaufen. So wie es zur Zeit aussieht, dürfte Guitar Hero, vertreten durch den neuesten Teil mit dem Untertitel Warriors of Rock, dabei den Kürzeren gegen Rock Band ziehen.

Das wohl größte Problem ist, dass bei Musikspielen das Gameplay sehr schnell ausgereizt ist. Anders als bei Sportspielen, die auch regelmäßige Iterationen haben, kann man bei Guitar Hero bzw. Rock Band nicht einfach ein paar Variablen tweaken und von einem brandneuen Gameplay sprechen. Alleine schon dadurch, dass man die Kunden in die Plastikinstrument-Abhängigkeit getrieben hat, kann man an der Hauptperipherie nichts verändern, was wiederum zur Folge hat, dass man für immer auf fünf Tasten beschränkt ist, die man in beliebiger Reihenfolge hintereinander auf den Spieler zukommen lässt. Ein anderer Punkt sind die Setlists. Bei 60 - 80 Songs pro Release ist man gezwungen eine möglichst breite Auswahl zu treffen, um möglichst viele Leute zufriedenzustellen: das Resultat ist, dass man meist nur eine Handvoll Lieder findet, die einem persönlich so gut gefallen, dass man sie gerne mehr als einmal spielen würde.

Rock Band hat hier einen neuen Ansatz gebracht: das Rock Band Network. Die Mächtigkeit der XNA-Plattform ausnutzend, ermöglicht dieses neue Rock Band-Feature Bands direkt neue Songs für die Plattform bereitzustellen. Eine unheimlich hohe Ladung an Musik, teilweise auch von unbekannteren Artisten, findet sich zum Download auf der Xbox 360 und dürfte damit sehr viele Geschmäcker bedienen. Guitar Hero beschränkt sich auf mehr oder weniger regelmäßigen DLC.

Nicht wirklich geholfen wird dem Spiel, dass der Karrieremodus uninspiriert wirkt. Wie eh und je spielt man sich von Setlist zu Setlist, immer ein bestimmtes Sterneziel vor Augen, um weitere Songs freizuschalten. Ein paar Sequenzen hier und da sollen so etwas wie eine Story vorgaukeln, doch oftmals wünscht man sich nur, die Zeitverschwendung in Videoform schnell wegdrücken zu können. Bis auf zwei Highlights, den Endkampf und ein Intermezzo mit der kanadischen Band Rush, ist die Karriere gewöhnlich und stellenweise sogar fade.
Die wohl einzige andere relevante Neuerung, dass unterschiedliche Charaktere Spezialfähigkeiten wie beispielsweise einen höheren Multiplikator oder einen Schutzschild, der einfache Fehler abfängt und den Combo-Meter weiterlaufen lässt, haben, dürfte Puristen stören, macht es aber Neulingen etwas einfacher den Einstieg zu finden.

Es dürfte die Zeit gekommen sein, sich von Guitar Hero zu verabschieden. Auch wenn man mit Rushs epischem 2112 einen der wohl besten Songs der bisherigen Plastikgitarren-Geschichte auf der Scheibe hat, der im Storymodus zudem sehr ansprechend eingebaut ist, um diesem rund 20-minütigen Meisterwerk gerecht zu werden, lässt weniger darüber hinwegtäuschen, dass es nun schon zum wiederholten Male versucht wurde, einen kaum noch aufzuhaltenden Verwesungsgestank mit kosmetischen und oberflächlichen Änderungen zu überdecken. Dabei ist Guitar Hero noch immer spaßig, dürfte Neulinge so begeistern wie es Guitar Hero 1 und 2 bei den alten Hasen geschafft haben und kann im Multiplayer jeden Abend retten. Nur leider hat es mittlerweile etwas ganz Wichtiges verloren angesichts der Entwicklungen auf dem Videospielmarkt: die Daseinsberechtigung. Die Spiele von Harmonix haben die Limitierungen ihres Genres erkannt und versuchen so gut wie möglich auszubrechen, beispielsweise dadurch, dass man mit Rock Band 3 so weit ist, über das Spiel richtig Gitarre spielen lernen zu können.

GH: Warriors of Rock wirkt resigniert, scheinbar hat man bei Activision eingesehen, dass man dem Innovationswillen der EA-Konkurrenz in diesem Bereich nicht mehr folgen kann und versucht jetzt noch den letzten Tropfen aus dem vormaligen Genre-Primus zu ziehen, ehe der Vater der Plastikinstrumente in den Geschichtsbüchern verschwindet. Mittlerweile wäre dies kein großer Verlust mehr, denn es kann halt nur einen geben: Rock Band. Evil

Kommentare

Rian
17. Juni 2011 um 21:51 Uhr (#1)
Soweit ich das sehe, ist das Plastikinstrument-Genre ohnehin tot bzw. in der Höhepunkt-Sackgasse angekommen. Soweit ich weiß, wurde das Guitar Hero-Franchise auf Eis gelegt oder "intern" verkauft und man kann an dem ganzen Spielprinzip, wie du sagtest, nicht mehr viel machen. Rock Band ist abwärtskompatibel, hat mit seiner dritten Iteration eine Musikliste, die kaum jemand finanziell oder zeitlich abarbeiten könnte, und das reicht ja wohl auch.
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18. April 2024 um 21:11 Uhr
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