Sonic Unleashed

(Artikel)
Rian Voß, 29. März 2011

Sonic Unleashed

So gut und doch nicht

Sonic Unleashed war der absolute Wunschtraum eines jeden Sonic-Fans: Der Igel aus der Seitenansicht, schnelles Spiel, aber nicht hirnlos, überflüssige Aktionen wurden rausgeschmissen, fließender Wechsel zur Schulteransicht und flippige Musikuntermalung. Konnte man es irgendwie versauen? Nun, vielen Magazinen nach zu urteilen schon, was nicht zuletzt an den sehr umstrittenen Werehog-Leveln lag. Schließe ich mich dem allgemeinen Gejammere an? Nein, aber dem speziellen.

Dr. Robotnik will's mal wieder wissen: Er treibt irgendwas in seiner Raumstation, Sonic kommt, um die üblen Pläne des moralisch entgleisten Doktors zu verhindern, der blaue Igel gerät in eine Falle, Chaos Emeralds, blablabla. Ihr kennt das ja. Resultat: Der Planet teilt sich in sieben Stücke und heraus kommt das fiese Monster Gaia, wie aus einem Ü-Ei. Das Vieh ist allerdings noch nicht ganz fertig und zerfällt in seine Stücke. Problem gelöst? Ach nein, da kann man ja noch überall den Erdkern sehen. Also müssen Sonic und sein neu gefundener, amnestischer Freund Chip die sieben Gaia-Tempel aufsuchen, die energielosen Chaos Emeralds neu aufladen und die Welt zusammenpuzzeln. Oh, und nachts verwandelt sich Sonic jetzt in einen Wer-Igel.


Die generelle Präsentation von Sonic Unleashed bringt den Sega-Fanboy schon in den ersten Minuten zum freudigen Glühen: intuitive Oberfläche, kurze Ladezeiten (nicht so wie im schrecklichen Sonic The Hedgehog), Stadt-Level, in denen man mit NPCs für kleine Nebenquests plaudern und Nippes kaufen kann, Entry Stages, von denen aus es zu den "richtigen" Leveln geht und die an die Adventure Stages von Sonic Adventure erinnern, Farbenfreude und ein sonniger Klang aus der Musikbox.
Man merkt sehr gut, dass sich Sega stark auf die erfolgreichen Wurzeln berufen und so viel wie möglich vom ersten Sonic Adventure inspirieren ließ, was leider auch der Wiederkehr von Sonic Teams ganz persönlichem den Weg ebnete: Der Kamera. Schlimmer als je zuvor feiert sie ihr Comeback und lässt mich stellenweise vermuten, dass da doch irgendwo eine sadistische Absicht hinterstecken muss. Goodies wie Tag- und Nachtmedaillen sind manchmal derart versteckt, dass die Kamera einen epileptischen Anfall erleidet, sobald man ein Objekt hinter einer Kante findet - wenn sie sich denn überhaupt die Mühe macht, sich umstellen zu lassen. Entry Level-Erkundung mit dem handelüblichen Sonic macht dann auch nur bedingt Spaß, wenn man mit der Steuerung, die definitiv nicht für normales Plattform-Gameplay ausgelegt ist, nebst der grauenhaften Kamera, den Igel ständig von einer Klippe oder in einen Teich laufen lässt. Nach zwanzig Jahren ist der blaue Blitz natürlich immer noch Nichtschwimmer. Witzig ist ja, dass er zumindest früher noch ein paar Sekunden untergetaucht überleben konnte, während er seit 2000 immer sofort verreckt.

Die schlechte Kamera ist dann auch gleich einer der Hauptkritikpunkte der Nachtlevel, in denen Sonic als Wer-Igel durch die Gegend stampft und mit seinen Gummi-Armen (warum?!) die lebenden Fragmente von Dark Gaia bekämpft. Auch in seiner flauschigeren, langsamen Gestalt kann man das stachelige Säugetier kaum punktegenau von einer im Wasser schwimmenden Kiste zur nächsten hüpfen lassen, krumme, fixierte oder wackelige Kameraperspektiven machen das ganze Abenteuer dann zum Frusterlebnis. Das wäre allerdings noch nicht schlimm, wenn die Kämpfe nicht so langwierig und die Checkpoints nicht so breit gefächert wären: Da besiege ich nach fünf Minuten einen Mini-Boss und sehe eine kleine Hüpf-Route neben dem Hauptweg. "Aha, Loot!" Nach dem ersten Sprung war ich natürlich sofort tot und durfte am Checkpoint VOR dem Mini-Boss ansetzen. Dabei sind die Scharmützel gar nicht mal so schwierig zu bewältigen, sondern ziehen sich einfach nur in die Länge, so dass ein Nacht-Level gerne zwanzig bis dreißig Minuten beansprucht.
Aber ich will den Wer-Igel gar nicht vollständig schlecht reden, denn der Wille, der dahinter steckt, ist ziemlich gut: Die Kombos klappen ordentlich, das Abwehrsystem ist gnädig und die Sprungpassagen, wo man mit der B-Taste Kanten ergreifen muss, klappen auch oft gut und geben Erfolgserlebnisse (abgesehen von den wenigen Stellen, wo man nicht sieht, wo man hinfliegt, und in einem Sekundenbruchteil plötzlich die Taste drücken muss - oder man stirbt). Es steckt nur leider kein außergewöhnlicher Anspruch dahinter, da Kämpfe zu Buttonmash-Block-Orgien degenerieren. Der eigentliche Spaß eines Nachtlevels liegt darin, die Umgebung zu erkunden, und dieser Spaß kommt leider nur zum Vorschein, wenn die Kamera mitspielt.

Im Gegensatz dazu stehen die Tages-Level, die sehr viel Dynamik und Übersichtlichkeit bieten. Zu jeder Zeit kann man den Igel boosten lassen, um an Geschwindigkeit zu gewinnen, in der Seitenansicht ist das Geschwindigkeitsgefühl grandios und selten kommt man zum Stillstand, da einem empfohlene Tasteneingaben bezüglich Hindernissen, die man noch gar nicht sehen kann, auf dem Bildschirm angezeigt werden, und es gibt mehrere Wege, um das Ende eines Aktes so schnell wie möglich erreichen zu können. Ein besonderes Highlight der Tageslevel ist der nahtlose Übergang zwischen seitlicher und Schulter-Perspektive. Zoomt die Kamera hinter Sonic, dann hat man auf einmal ein Sonic Adventures-ähnliches Erlebnis mit mehr Bewegungsfreiraum, wobei ein Druck auf die Schultertasten Sonic nach rechts oder links hüpfen lässt, um schnell Hindernissen ausweichen zu können.
Leider scheint entweder das Sonic Team den normalen Spieler zu überschätzen oder ich werde langsam alt, denn es gibt auch in den Tages-Leveln viele Momente, wo man sehr leicht aufgrund einer verpassten Tasteneingabe zu Tode stürzt - meistens, weil ich mal geblinzelt habe. Einmal zu früh gesprungen, oder gar nicht, während dem Wechsel von einer Grind-Stange zur nächsten getroffen, und für Sonic geht es per Instant Kill in die Tiefe. Das ist bei weitem nicht so frustrierend wie bei den Nachtleveln, weil die Checkpoints näher beisammen liegen und die Tageslevel alle bei rund fünf bis sieben Minuten abgefrühstückt sind, allerdings kommt es dann doch mal vor, dass man von einer Stopp-Falle in die nächste stolpert (etwa wenn man eine Millisekunde zu früh boostet, bevor man einen Gegner rammt) und nichts ist schlimmer, als mit dem schnellsten Säugetier der Welt von einer Wand zur nächsten zu wanken.

Zusätzlich gibt es dann auch noch ein bisschen Rail-Shooter-Gameplay in Quick Time Event-Manier an Bord von Tails' Flugzeug, dem Tornado. Ganz unterhaltsam für Zwischendurch.

Aber mal weg vom Motzen, jetzt geht's in Richtung Lob: Da wäre zum einen die grafische Darstellung. Tages- sowie Nachtlevel sehen an sich bereits schön aus, wobei die Nachtlevel natürlich etwas unter der für Schnelligkeit getrimmten Engine leiden. Die Tages-Level hauen dafür ordentlich rein, sind bunt, freundlich und generell ein Kuss für's Auge.
Dem steht das musikalische Arrangement in Nichts nach. Ich würde sogar sagen, dass die Musik verdammt gut ist. So gut, dass ich mir beim Hören des Soundtracks, bevor ich das Spiel überhaupt spielte, das Einschalten des Endboss-Themas verbat, weil es so unglaublich gut klang und ich es gerne in-game hören wollte. Die Stücke sind breit gefächert, fangen international angehauchte Klänge wunderbar ein und sind der prominenteste Grund dafür, warum mir beim ersten SU-Trailer mordsmäßig einer abgegangen ist. Ein doppelter Dreifachdaumen für den Komponisten!

Des Weiteren sind die Zwischensequenzen, CGI sowie in-game, überaus erhaben, gespickt mit ulkigen Charakteren, interessanten Dialogen und einem Einblick in Dr. Robotniks Alltag. Viele der Charakter-Animationen sind beiläufig und subtil und verschönern das Gesamtbild der kurzen Filme. Auch hier gibt es also nichts zu maulen und ich stimme Chip dabei zu, dass Schokolade alle Probleme der Welt beseitigt.

Wenn es ein Sonic Unleashed 2 gäbe, dann würde ich es mir kaufen (selbst wenn der Wer-Igel wieder auftaucht). Die Hedgehog-Engine ist vielversprechend und ich gehöre unverbesserlich zu denjenigen, die glauben, dass das Sonic Team eines Tages seine Kameraprobleme in den Griff bekommt. Alle Fehler von Sonic Unleashed, die ich ansprach, sind Umsetzungsfehler - eklige Umsetzungsfehler zwar, aber die Gesamtkonzeption des Spiels ist meiner Meinung nach einwandfrei und darf für einen Nachfolger genau so erhalten bleiben. Rian

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18. November 2008
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