Brauchen wir 3D?

(Artikel)
Benjamin Strobel, 24. Januar 2011

Brauchen wir 3D?

Ein stereoskopischer Blick auf die Welt

Seit einigen Jahren ist Hollywood nicht mehr zu bremsen: 3D-Kino ist der alte neue Hit! Die 80er sind längst vergessen, heute ist ja alles besser! Die Technologie hat schließlich Fortschritte gemacht. Auch die Spiele-Industrie kann sich seit geraumer Zeit dem 3D-Einfluss nicht mehr entziehen: Sony plant 3D für die PS3 und produziert schon fleißig entsprechende Fernseher. Schön, dass man auch gleich die Brillen dazu verkaufen kann! Und Nintendo steigt als technologischer Vorreiter mit dem 3DS ("Ganz ohne Brille!") in den Ring. Aber stopp mal! Werfen wir meine Ironie über Bord und fragen uns: Brauchen wir 3D?

Anaglyph-Brille
Zuerst noch eine andere Frage: Was ist das eigentlich für ein Effekt? Vereinfacht dargestellt werden zwei Bilder so dargeboten, dass jeweils eins pro Auge wahrgenommen wird. Durch leichtes Versetzen der Bilder hat das Gehirn dann den Eindruck, es handle sich um einen Hinweis auf räumliche Tiefe - nur durch unterschiedliche Entfernung der Objekte erscheinen diese in beiden Augen unterschiedlich stark versetzt. Stereoskopische 3D-Bilder werden schon seit Längerem in der Wahrnehmunsgforschung genutzt und erfuhren in den 80er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts einen kleinen Höhepunkt: 3D-Brillen wurden zum Gimmick, das man etwa dem Yps-Heft beipackte und lieferte den neugierigen Käufern direkt ein paar nette Bildchen mit dazu. Durch die Nutzung im Film wurde es dann schon interessanter, aber die technischen Mittel waren unausgereift: Die klassischen Anaglyph-Brillen (Rot/Grün, ein entsprechendes Anaglyph-Bild seht ihr im Header) erzeugten oft nur schwammige Bilder in matten Farbtönen. Auch mit neueren Techniken blieben 3D-Kinos in folgenden Jahren nur viertelstündige Attraktionen in Freizeitparks.

Einige Jahre später taucht die ganze Idee aber von Neuem auf. Warum eigentlich? Ist ja wie mit Mode. Schlaghosen werden wieder In? Na dann können wir auch 3D nochmal raushauen! Ich messe James Camaron da auch besondere Schuld zu. Seine sauteuren Kameras werden schließlich ständig verliehen, um weitere Filme in 3D zu produzieren. Okay, es ist ein netter Effekt, der dem medialen Erleben eine zierliche Facette hinzufügt. Aber niemand würde sagen, es macht einen Film (oder ein Spiel) tatsächlich besser. Ganz im Gegenteil, ich höre dauernd nur Beschwerden:

3D ist zu teuer. Sonys Fernseher kosten im dreistelligen Bereich, aber wer so viel Asche hat, kann sich bestimmt auch die Brillen für 120 Euro dazu leisten. Sogar ein einfacher Kinobesuch wird da zum finanziellen Fiasko: 15 Euro muss man in der Regel hinblättern und die Brille am Ausgang brav wieder abgeben.

3D ist anstrengend. Augenschmerzen, Schwindelgefühl, Kopfschmerz bis hin zu Übelkeit. Und das ist keinesfalls selten. Aktuelle Studien haben herausgefunden, dass jeder Vierte regelmäßig unter diesen Symptomen leidet, wenn 3D-Material konsumiert wird. Nintendo empfiehlt 3DS-Nutzern übrigens auch, alle 15 Minuten eine Pause zu machen. Und für kleine Kinder soll man den Effekt lieber ganz abschalten. Das Wort "schädlich" wird zwar immer vermieden, aber wirklich gesund kann es auch nicht sein. Ob man davon auch schwanger wird?

Weitere 12% können 3D gar nicht sehen. Da kann es die verschiedensten Gründe geben. Und wenn die restlichen über Kopf- und Augenschmerzen klagen, schwindet der Markt schon gewaltig.

3D hat schon einmal aus denselben Gründen versagt. Hat denn niemand aus der Geschichte gelernt? Die Effekte sind auch heute noch nicht ausgereift. Es steht überhaupt in Frage, ob es möglich ist, stereoskope 3D-Displays zu erzeugen ohne Nebenerscheinungen der Anstrengung mitgeliefert zu bekommen.

In Spielen wird 3D allenfalls ein nettes Gimmick bleiben. Schließlich enthält eine stereoskopische Darstellung keine relevanten Informationen außer ein leichtes retinales Versetztsein der Bilder, das als Tiefe gedeutet wird. Für das Gameplay oder irgendein Spielprinzip lassen sich diese Hinweise also nicht nutzen. Die hohen Preise für 3D-Produkte können so keinesfalls gerechtfertigt werden. Und schon gar nicht, wenn man sich die Kopfschmerzen gleich mit einkauft. Nex

Kommentare

Haris
25. Januar 2011 um 00:45 Uhr (#1)
Ich stimme vollkommen zu, dass zurzeit 3D noch absoluter Schmarn ist. Die Technologie sorgt nicht unbedingt für ein viel tolleres Erlebnis und das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt vorne und hinten nicht. Aber wer weiß, in 5 oder 10 Jahren, wenn bsp. die Technik die beim 3DS eingesetzt wird um Brillen obsolet zu machen erwachsen geworden ist, so dass man sie bei Fernsehern einsetzen könnte, kombiniert mit einer Verbesserung, dass der Effekt auch bei Bewegung noch erhalten bleibt, könnte 3D sich wirklich etablieren. Man stelle sich hier am ehesten bsp. ein Kinect Kampfspiel vor, wo man durch den 3D Effekt eben auch die Gegner vor sich "sehen" kann. Aber das ist jetzt noch Sci-Fi ...
KenDeep
25. Januar 2011 um 15:00 Uhr (#2)
Auf der Frage hin "brauchen wir 3D" kann man eigentlich auch nur auf eine voherige Zeit verweisen und dort fragen "brauchen wir Photo-Kameras?".
Sie haben damals unmengen an Summen gekostet und waren äußerst unpraktisch(Lichtaufnahme hatte 1 Minute gedauert, Menschen-Aufnahmen waren dadurch undenkbar) - heute können wir nicht mehr ohne.
Wie Evil bereits sagte muss man darauf warten wie sich das ganze Entwickelt. Ich glaube auch kaum dass damals jemand mit PCs eine ganze Sammlung an Generationen von Videospiel-Firmen gerechnet hat.
Rian
25. Januar 2011 um 16:24 Uhr (#3)
Brauchen wir Brillen mit Scheibenwischern? -> Nein. Natürlich kann man jetzt noch nicht sagen, ob 3D eine Modeerscheinung bleibt oder sich tatsächlich sich weiterentwickelnde Technik dahintersteckt. Aber da der Effekt immer noch kein wirkliches 3D darstellt, also überhaupt nichts mit virtueller Realität zu tun hat (zusätzliche Tiefeninformationen etc.), sehe ich da keinen Entwicklungsspielraum. Kameras sind da ein schlechter Vergleich, weil da von Anfang an klar war, dass es dort Spielraum gibt. Fake-3D hat es, so wie ich das sehe, nicht.
Jozu
25. Januar 2011 um 16:40 Uhr (#4)
Zudem ist Fotographie ja etwas nützliches das sich lohnte zu verbessern, weil es viele potentielle Anwendungsbereiche gab. Fake-3D hingegen hat nicht nur wenig Spielraum sondern ist auch noch tierisch unnütz.
Damien
25. Januar 2011 um 16:47 Uhr (#5)
Zudem kommt noch das Argument, dass "3D" ja mehr Realismus suggeriert, aber letztendlich das genaue Gegenteil zutrifft.
Auf mich wirkt das Bild jedenfalls recht künstlich.

Rian
25. Januar 2011 um 17:46 Uhr (#6)
Wobei Fake 3D wahrscheinlich, in Zusammenhang mit einer Kinect-Kamera, eventuell tatsächlich den Mangel an zusätzlichen Informationen ausgleichen könnte.
Damien
25. Januar 2011 um 17:51 Uhr (#7)
@Rian:
Inwiefern?

Ben
25. Januar 2011 um 18:41 Uhr (#8)
@KenDeep
Du vergisst bei deiner Argumentation eine wichtige Tatsache: Die Arbeit mit Stereoskopie geht auf die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts zurück und ist somit genauso alt wie die Photographie. Vergleicht man nun diese beiden Bereiche, merkt man schnell, welche Entwicklung in den weit über hundert Jahren der Forschung und des Lebens ergiebiger war.

Das spiegelt im Übrigen sehr gut die Bedeutung der stereoskopischen Hinweisreize für die menschliche Wahrnehmung wieder. Unter dutzenden(!) anderen Tiefenhinweisen, die bereits mit einem Auge auswertbar sind, nimmt die stereoskopische Wahrnehmung nur eine kleine Rolle ein.
Rian
25. Januar 2011 um 18:50 Uhr (#9)
@Damien:
Naja, dadurch, dass die Kamera aufnimmt, wo eine Person hinguckt oder wie sie sich bewegt, können die "3D-Signale" geändert werden, so dass man wirklich den Eindruck bekommt, man hätte dreidimensionale Objekte vor sich, um die man dann sogar teilweise herumgehen könnte.
Damien
25. Januar 2011 um 19:29 Uhr (#10)
@Rian:
Die Kinect-Technologie wird dafür sicher nicht ausreichen. Ich glaube da sind wir dann eher im Bereich von Cyberbrillen mit ausgereiftem Headtracking. Aber wer weiß, vielleicht versucht's Nintendo ja noch mal mit einem neuen Virtual Boy. Mit dem Power Glove hat es ja schließlich 4 Generationen weiter auch funktioniert.
Ben
26. Januar 2011 um 10:45 Uhr (#11)
Würde auch vermuten, dass im Headtracking mehr Musik steckt als im Stereo 3D. Hier möchte ich nochmal an einen vergangenen Artikel von Rian erinnern: Wettrüsten um den Kopf. Da hat ein findiger Kerl mit einfachen Mitteln Headtracking auf der Wii realisiert. Es ist zwar immer nur für einen Spieler pro Schirm realisierbar, der Effekt ist phänomenal aber ein schlagender Tiefeneindruck. Sogar für Einäugige!
Damien
26. Januar 2011 um 21:48 Uhr (#12)
Am Beeindruckendsten ist, dass der Tiefeneffekt sogar über ein Video in 320p vermittelt werden kann.
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28. März 2024 um 20:10 Uhr
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