Alan Wake

(Artikel)
Haris Odobašic, 29. Dezember 2010

Alan Wake

Gruselhammer mit Serienambitionen

Zu Alan Wake kann ich meine ganz persönliche Horrorgeschichte erzählen. Im Vorfeld des Releases dieses Spiels gab es einige mysteriöse Zufälle in meinem Leben, die sich nur auf eine dunkle Präsenz zurückführen lassen. Erst gab es beim Ebirukill den Zwischenfall, dass Benny wie besessen, als ich ruhig Pro Evolution Soccer spielte, aufsprang und meine Xbox mit einem Dropkick vom Tisch beförderte, so dass manche Wrestler neidisch geworden wären. Wie durch ein Wunder überlebte meine Xbox den Zwischenfall nur mit einem temporären RoD, während meine PES 2010-Disc zerbrach. Ich hätte ahnen müssen, dass etwas nicht stimmt, doch nachdem meine Konsole über einen Monat ohne zu meckern lief, dachte ich, dass es wirklich nur ein Zufall war. Bis meine Freundin meiner Konsole mit nur einer kurzen Berührung einen richtigen Ring of Death verpasste.

Wie hatte sie das bloß geschafft? Einen Tag später kam mein Alan Wake an und ich hatte keine funktionsfähige Konsole. Aus lauter Verzweiflung probierte ich den Handtuchtrick, der meine Konsole tatsächlich wieder funktionsfähig machte: für dreißig Minuten, ehe sich das Spiel in eine bizarre Version aus irgendeiner Paralelldimension verwandelte, mit bunten Texturen, die auf ein Sterben der Grafkkarte hindeuteten. Ein paar Tage später war die Konsole bei eBay verkauft und ich in Kanada.
Zeitsprung: Es ist Dezember und ich bin auf dem Ebirucome. Nachdem ich und Benny DEN Laden entdeckt hatten, in dem Alan Wake in der Limited Edition für 29,99€ schlummerte, wurden alte Erinnerungen wach. Ich MUSSTE verhindern, dass meine neue Reachbox dasselbe Schicksal ereilt, ich musste Alan Wake kaufen und durchspielen!

Wie ich schon in meinem Preview-Artikel letztes Jahr zusammengefasst hatte handelt Alan Wake von dem gleichnamigen Schriftsteller, der sich mit einer Schreibblockade und Schlaflosigkeit herumschlagen muss. Um ihm etwas Gutes zu tun, fährt seine Frau mit ihm in ein beschauliches Städtchen namens Bright Falls, umgeben von malerischer Idylle und wenig sonst. Schon nach kurzer Zeit allerdings fangen mysteriöse Geschehenisse an Alan Wakes Welt noch weiter durcheinanderzubringen -- mit dem Höhepunkt, dass Alan Wake am Steuer eines gecrashten Autos aufwacht, um festzustellen, dass ihm eine Woche fehlt, seine Frau verschwunden ist und zudem überall Seiten eines Manuskripts herumfliegen -- von Alan Wake, obwohl er sich nicht erinnern kann es jemals geschrieben zu haben.

In vielen Spielen hat man den Eindruck, dass eine gewisse Pornofilm-Logik angewendet wird: allzu oft fühlt es sich so an, wie als wenn die Story eigentlich nur ein Hintergrund sein soll, damit man eine Ausrede hat für die Action. Alan Wake wirkt in diesem Bereich um einiges natürlicher. Und sei es bei den Zwischensequenzen oder aber auch bei den Beziehungen der Charaktere untereinander, man merkt, dass die Entwickler sich redlich bemüht haben, dem Spiel viel Substanz zu verleihen. Gerade der Hauptcharakter kann auf voller Linie als gebrochener und ausgelaugter Mann, der vor einer Sackgasse in seinem Leben steht und noch dazu damit konfrontiert wird, seine Frau zu verlieren, überzeugen. Mit einem nur so vor Testosteron platzenden Übermann auf Weltrettungstrip hat Wake so gar nichts gemeinsam und das sorgt dafür, dass sein Charakter hohes Identifikationspotential bietet und stets glaubwürdig in seinen Taten bleibt.
Auch die meisten anderen Charaktere sind, selbst wenn sie nur kurze Auftritte haben, gut ausgearbeitet. So spürt man richtig die Freundschaft zwischen Wake und seinem Agenten Barry Wheeler, wenn sie gemeinsam durch Bright Falls' umgeliegende Wälde ziehen und einen dabei Zeuge einiger zum Schreien komischer Dialoge werden lassen.

Interessant ist auch wie der Gruselfaktor eingebaut ist. Denn weder sind die Gegner in Alan Wake besonders gruselig, besessene Menschen oder fliegende Poltergeistobjekte, noch finden sich dutzende Schockmomente. Es ist eher die Atmosphäre, die einem beim Spielen so viel Angst macht. Will man wirklich von den festen Pfaden abweichen, auf der Suche nach Manuskriptseiten und Nachschub, auch wenn man genau weiß, dass dort jederzeit einer der Taken, so werden die von der dunklen Präsenz erfassten Menschen genannt, aus dem Nichts hervorgestürmt kommen könnte?

Besonderer Bedeutung kommt dabei auch dem Licht zu. Während in anderen Spielen Dunkelheit nur bedeutet, dass man nicht mehr sieht, was auf einen zukommt, bedeutet Lichtmangel in Alan Wake Schwäche. Denn ohne eine ordentliche Dosis Lichtbestrahlung lässt sich in Wake kein einziger Feind töten. Wer sich also aus dem Schein einer Straßenlaterne wegbewegt riskiert es, angegriffen zu werden. Darum ist auch die stärkste Waffe in Alan Wake nicht etwa die Schrotflinte sondern die Leuchtpistole, die gerne mal vier oder mehr Gegner auf einen Schlag ausschaltet. Dieser kleine Kniff im sonst traditionellen Action-Adventure-Spielprinzip lässt Alan Wake überraschend frisch wirken und ich kann mich nicht erinnern, mich jemals so sehr in einem Spiel über eine stärkere Taschenlampe gefreut zu haben.
Es ist nur etwas schade, dass das Spiel auf dem normalen Schwierigkeitsgrad (den man spielen muss, bevor man härtere freischaltet) dem Spieler zu viel Munition und Batterien zur Verfügung stellt. So hat man eigentlich nie einen Mangel, was aber gerade in einem Horrorspiel eine gute Möglichkeit ist, den Spieler noch das kleine Bisschen mehr unter Druck zu setzen.

Ein großes Lob verdienen die englischen Synchronsprecher, die ohne Frage einen großen Anteil daran haben, dass Alan Wake so schaurig-schön geworden ist. Gerade die Stimme von Alan Wake, Matthew Porretta, fängt die Gefühlslage des bedrückten Autors in jeder Szene perfekt ein und schafft es mit seiner Stimme niemals zu nerven, obwohl man Alan Wake wirklich häufig hört: neben den Zwischensequenzen ist der Hauptcharakter nämlich auch noch regelmäßig durch voice-overs, in denen er seine Gedanken preisgibt, zu hören sowie beim Vorlesen der 106 Manuskriptseiten, die im Spiel gefunden werden können.

Grafisch präsentiert sich das Spiel leider etwas zwiespältig. Während die Umgebungen sehr gelungen sind und sehr natürlich wirken und Licht- sowie Wettereffekte auch auf ganzer Linie überzeugen können, schwächeln die Charaktermodelle etwas. Während Bewegungsanimationen noch gut aussehen, wirken die Gesichtsanimationen etwas emotionslos. Gerade im Vergleich zu Heavy Rain, dem Spiel, dass sich im Bezug auf Storytelling am ehesten mit Alan Wake vergleichen lässt, wirkt die Grafik in dem Bereich leicht veraltet, was wohl auch der langen Entwicklungszeit des Remedy-Spiels geschuldet ist.
Dafür ist die restliche Präsentation von allerhöchster Güte. Die Serienstruktur mit einzelnen Episoden ist sehr gut umgesetzt. So erwartet einen am Anfang einer der Episoden ein "Previously On"-Video, genauso wie jede Folge ein schönes Outrolied besitzt. Insgesamt ist der Soundtrack überraschend gut geworden und bietet neben Songs bekannter Artisten auch Musik, die speziell für das Spiel geschrieben wurde.
Zudem kann sich auch die von Petri Alanko komponierte restliche Hintergrundmusik durchaus hören lassen und trägt ihren Teil zu der genialen Atmosphäre bei.

Auch wenn das Spiel komplett linear gehalten wurde gibt es einiges zu erforschen. Das reicht von Kaffeekannen, die zum bloßen Achievement jagen dienen, bis hin zu versteckten Nachschubposten oder zusätzlichen Manuskriptseiten, die Hintergründe aufklären und ein tieferes Verständnis der Geschichte bieten. Dies ermutigt zumindest dazu, das knapp 10 Stunden kurze Abenteuer ein zweites Mal durchzuspielen.

Ist Alan Wake das Spiel geworden, das versprochen wurde? Ja! Ist es perfekt? Nein, aber das muss es auch gar nicht sein. In einem Zeitalter, in dem einstige Legenden des Gruselgenres sich für den kleinen Bruder von Gears of War halten, schafft Alan Wake erfrischend zu sein, indem es sich darauf konzentriert, was wirklich wichtig ist: Eine dichte Atmosphäre und eine spannende Geschichte. Alan Wake würde man am liebsten am Stück durchspielen, aber gerade im Winter hat der Tag weniger Stunden und will man sich wirklich nachts mit der dunklen Präsenz anlegen?
Was Remedy hier geschaffen hat, kann problemlos in einem Atemzug mit Spielen wie den ersten zwei Silent Hill-Teilen genannt werden -- als eines der besten Horror-Spiele aller Zeiten.Evil

Kommentare

Ben
02. Januar 2011 um 14:48 Uhr (#1)
Alan Wake ist so super. Spiele derzeit so ein bis zwei Episoden pro Tag, da bekommt es richtig Seriencharakter!

Habe schon alle Radios gefunden, hehe :D Mit den Thermosflaschen bin ich nicht gaaanz zu zuversichtlich, aber wer weiß!

Definitiv ein Spitzen-Horrospiel.
Dante
02. Januar 2011 um 16:09 Uhr (#2)
Ich fand Alan Wake auch klasse. Ich brauch bei solchen Spielen immer ne Zeit bis ichs durch hab weil ichs einfach nicht packe vom Stress her (Resident Evil, Silent Hill, Dead Space...) :D

Weiß auch nicht warum manche das Spiel als Enttäuschung sehen. Das Spiel soll ein Psycho-Thriller sein und als solches fand ich es echt genial.
Damien
02. Januar 2011 um 17:09 Uhr (#3)
Das Spiel hat meiner Meinung nach zwei Problembereiche. Erstens ist das Spiel nach kurzer Zeit nicht mehr wirklich gruselig. Dafür fehlen einfach subtile Spielereien wie z.B. bei Silent Hill. Zweitens ist das Gameplay irgendwie nicht abwechslungsreich genug. Da hilft auch die Thermoskannenjagd nichts. Das Autofahren war allerdings ganz spaßig.
Positiv sind allen voran natürlich die Handlung und Charaktere. Das Setting und die Schauplätze haben mir auch sehr gut gefallen, jedoch mangelt es letzterem gegen Ende etwas an Abwechslung.
Insgesamt ein gutes und solides Horror-Adventure, aber für mich leider keine Offenbarung.
Ben
02. Januar 2011 um 20:06 Uhr (#4)
Schließe mich an, was das Gameplay angeht. Wirklich schwer ist es nicht und marschiere auf Hard auch locker durch die Gegnerhorden. Rätsel dürften knackiger sein..

Aber die Story fesselt mich und die Atmo stimmt, das zählt für mich in diesem Genre am meisten. Und wenn es zu Silent Hill kommt: Seit Silent Hill 2 gab es nichts Vergleichbares, das mich dermaßen ERFASST hat.
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