Ico

(Artikel)
Haris Odobašic, 31. Oktober 2010

Ico

Händchenhalten im Geisterschloss

Hörner sind schlecht, diese Lektion muss Ico am eigenen Leib erfahren, als die Menschen seines Dorfes ihn in ein von der Außenwelt abgeschnittenes Schloß bringen und ihn dort in einem Sarkophagus stecken. Die speziellen Kopffortsätze gelten nämlich als schlechtes Omen. Als die Dorfbelegschaft wieder verschwunden ist, schafft es Ico jedoch sich zu befreien und findet bei einem Spaziergang durch das Schloss ein mysteriöses Mädchen namens Yorda. Gemeinsam gilt es nun dem fremden und scheinbar verlassen Ort zu entkommen.


Um das Fluchtvorhaben nicht zu leicht zu gestalten, stellen sich dem Pärchen viele Rätsel in den Weg. Hier will eine Wand mit einer Bombe freigesprengt werden, dort müssen Fackeln entzündet werden, um einen Mechanismus zu betätigen. Und gelegentlich muss auch Yorda, die vom Spieler an der Hand genommen werden kann, sich mal auf eine Plattform stellen, um einen Schalter zu aktivieren. Dabei überlässt Ico dem Spieler es, selbst auf Lösungen zu kommen. Textliche Hilfestellungen gibt es keine und selbst aus anderen Spielen populäre Kameraschwenks, die wichtige Objekte in einer kurzen Sequenz hervorheben, finden sich bei Ico nicht. Und selbst auf ein HUD wird verzichtet, kein Tutorial, der Spieler muss alles selbst herausfinden. Doch dieser minimalistische Ansatz ist als überaus positiv zu sehen. Dass Ico den Spieler nicht, wie ein Großteil der interaktiven Unterhaltungsmedien, grundsätzlich an der Hand führt, erlaubt es das Gefühl der Exploration zu maximieren. Auch wenn es zu 16-bit-Zeiten oft der Fall war, dass man als Spieler die Elemente und Feinheiten eines Spiels alleine herausfinden musste, schafft es Ico dadurch überraschend frisch zu wirken.

Gelegentlich trifft man bei der Exploration auch auf mysteriöse Schatten, die es zu bekämpfen gilt. Das Kampfsystem, das nur eine Taste beansprucht, ist dabei nicht sonderlich anspruchsvoll, aber da die Kämpfe nicht zu oft auftauchen, fällt die Simplizität nicht weiter negativ ins Gewicht. Man bräuchte auch gar keine aufwändigeren Techniken, denn die Schattenmonster können Ico nicht töten. Das ist aber auch gar nicht ihr Ziel: sie haben es auf Yorda abgesehen. Unaufmerksame Spieler dürfen beobachten, wie die Schatten versuchen, Yorda in eines ihrer schwarzen Löcher zu ziehen, wo sie langsam eingesogen wird. Daher ist es dann doch unumgänglich, dass man sich um die dunklen Feinde kümmert und im Notfall Yorda an der Hand packt und aus den Löchern zieht, denn wenn sie in ihnen verschwindet, bedeutet das gleichzeitig das Ende des Spiels.


Dadurch wird schnell klar, dass Yorda voll und ganz vom Spieler abhängig ist. Das erklärte Ziel des Spiels ist es, eine Beziehung zwischen den zwei Charakteren zu erschaffen und dies klappt wunderbar, denn auch Ico braucht Yorda. Ohne sie könnte er dem Schloss nicht entkommen, denn viele Türen werden von grau-grünen Statuen blockiert, die nur Yorda öffnen kann. Diese wechselseitige Verhältnis stellt daher auch den größten Reiz Icos dar.

Ein großes Lob verdient das Spiel für das Design. Der spezielle Grafikstil für die Charaktere lässt kaum erraten, dass Ico schon bald sein zehnjähriges Jubiläum feiern wird. Dazu haben die Texturen eine überraschend gute Qualität, weswegen sich Ico auch heutzutage durchaus sehen lassen kann. Eine Barriere, wie bei anderen, älteren Spielen, wo man erst mal darüber hinwegkommen muss, dass Spiele wirklich mal so schlecht aussahen, ist deswegen nicht vorhanden.
Zusammen mit dem Sound, der einige schöne Stücke bietet, aber vor allem bei den Hintergrundgeräuschen punkten kann, schafft das Spiel eine wirklich einzigartige Atmosphäre zu erschaffen.


Leider bietet der Titel aber doch die ein oder andere spielerische Schwäche, nicht zuletzt dadurch bedingt, dass die Entwickler wohl große Fans von Ocarina of Time gewesen sein mussten. Nur wenige Rätsel wirken nicht wie direkt aus einem Zelda-Teil entsprungen und so fehlt dem Spiel aus einer Gameplay-Sicht etwas die eigene Identität. Andere Störfaktoren sind die schreckliche Kameraführung, die oftmals fixe Perspektiven bietet, die scheinbar nach dem Motto programmiert wurden, auch den simpelsten Minisprung zu einer Zitterpartie zu machen, da es unheimlich schwierig ist, die Distanzen genau abzuschätzen.
Und schließlich agiert Yorda auch nicht immer so, wie man es sich als Spieler wünschen würde. Das Band, das zwischen dem Spieler, in Form von Ico, und dem Spiel, in Form von Yorda, gespannt wird, muss öfter Strapazen erleiden, wenn Yorda auf Zuruf auch mal nicht direkt reagiert oder sich von einem Schalter, auf den sie sich stellen soll, entfernt und den Spieler zwingt, sie erstmal wieder neu zu platzieren.

So tut sich Ico öfter keinen Gefallen, denn auch wenn das Spiel es schafft, einen in seinen Bann zu ziehen, wiegen diese Kleinigkeiten umso schwerer. Man ist gerade schön eingetaucht, nur um dann unsanft wieder rausgeschmissen zu werden, weil die Kamera Grund zum Aufregen bietet. Daher ist für mich im direkten Vergleich Shadow of the Colossus auch das bessere Spiel. Dort wurde derselbe Minimalansatz verfolgt, wenn es um das Design geht, aber gerade aus spielerischer Sicht hat das zweite Spiel von Team Ico mehr Substanz. Evil

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18. April 2024 um 19:52 Uhr
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