Aquanox 2: Revelation

(Artikel)
Rian Voß, 22. Juli 2010

Aquanox 2: Revelation

oder: Firefly the Game

Da will man einmal nett sein. EINMAL.

Der junge Unterseefahrer William Drake, dem gerade sein letztes Familienmitglied weggestorben ist, wittert die Chance der geschwundenen Bande, um endlich mal was vom dystopischen Aqua (also die Ozeane, in die die Menschen nach dem nuklearen Fallout geflohen sind) zu sehen, da piept ihn ein S.O.S.-Signal an. Oh nein, keine Zeit die Türen seines Frachters zu sichern, die Lebenserhaltungssysteme von Hank Bellows und seiner Familie sind schon am versagen! Also, rein in den Scout, um ein paar Riffe gekurvt und... Arschlecken. Der Kerl ist Pirat und will uns killen. Zum Glück ist er auch ein harter Säufer, also versohlt William ihm den Hintern. Und kaum hat man "Schlimmer kann's heute echt nicht mehr kommen" fertiggedacht, da hat ein Grüppchen von Söldnern und Abenteurern auch schon in der Zwischenzeit Frachter und Heimat des guten Jungchen Drake gekapert und der Protagonist muss als Maat auf seinem eigenen Schiff ackern. Warum gewinnt das Böse immer? Weil das Gute zu blöde ist.


Viele Leute hatten seinerzeit ja ihre Differenzen mit diesem Spiel. Die gesammelte Oldschooler-Schar sieht das alte Schleichfahrt immer noch als güldenen Stern der Serie und kommen ganz vielleicht noch mit dem Nachfolgern Aquanox klar - warum auch nicht? Das Spiel hatte ja auch den beinharten Emerald "Deadeye" Flint als Hauptcharakter und das Spiel war auch sonst gut, vor allem wegen des bunten Grafikstils und des innovativen Konzepts eines Egoshooters unterwasser. Aber irgendwie war für die Fangemeinde da schluss. Aquanox 2: Revelation ist düsterer, entsättigter (was schon ein wenig schade ist) und man muss einen ziemlichen Grünschnabel steuern, am Spielprinzip hat sich allerdings nicht viel geändert.
Aber zum Glück ist das ja sowieso alles egal! Warum? Nun, spätestens seit Just Cause 2 sollte bekannt sein, dass ich manchmal an Spielen auf eine Weise Spaß haben kann, die vielleicht nicht ganz vom Entwickler so beabsichtigt war. So geht's mir auch hier. Ja, so geht das!


Folgendes: Immer mal wieder kommt es vor, dass bei Spielen die Sachen, die zwischen den Missionen geschehen, spannender und lohnender sind als das Gameplay an sich. Devil May Cry 3 war so ein Kandidat: Die Zwischensequenzen waren allererste Sahne und ich habe das Spiel eigentlich nur bis zum Brechen gespielt, um alle Videos sehen und mir verdienen zu können. So geht das! Bei Aquanox 2 ist es dasselbe, nur anders: Zwischen den Aufträgen (die ja alle gut und abwechslungsreich sind, so ist das nicht - an Dogfights könnte es vielleicht ein bisschen mehr geben) präsentiert sich mit wirklich schön gezeichneten Charakterportraits die Story des Spiels in Dialogen, hauptsächlich zwischen William Drake und der Crew, die ihm sein Boot geklaut hat.
Da gibt es einmal den rauhbeinigen Amitab, der zwar erst einmal bis ins Nirvana abgebrüht wirkt, aber für jeden, der zu seinem Team gehört, doch irgendwo ein Herz versteckt - außerdem liebt er es "BLOW THE MAN DOWN!" zu rufen. Wie kann man so jemanden nicht lieb haben? Stoney ist ein komischer Draufgänger, der sich in jedem Hafen drei Geschlechtskrankheiten geholt hat und immer mit dem neuesten Slang aus Neopolis antanzt. So geht das! Dann sind da noch Animal, ein gezämter Kannibale, MayDay, eine notgeile (?) Asiatin, FuzzyHead, der in Final Fantasy 6 das Luftschiff hätte steuern können, und Angelina und Nat, die religiösen Spinner der Truppe. Ganz schön bunte Mischung, das. Nun ja, die Leutchen reisen die erste Zeit von Stadt zu Stadt und handeln und kleingaunern sich ihren Lebensunterhalt zusammen, wenn sie nicht gerade die fiesen, degenerierten Crawler, die, wie schon gesagt, Menschenfleisch fressen, sich ihre Schiffe aus Schrott irgendwie zusammenbauen und sonst ihre "Gemeinschaft" durch plündern und brandschatzen am Leben halten, zertreten. Aber irgendwie kommt mir das Setting doch bekannt vor...

Das da oben ist nicht Amitab! Das ist Emerald Flint! Ich habe keine Ahnung, wie der dahin gekommen ist!

FUCK! Das ist ja wie Firefly! Menschenfresser, harter Captain, animalischer Waffenfuzzi (Animal, der Crawler, wird auch noch vom deutschen Synchronsprecher von Jayne Cobb gesprochen), sonstige Crew aus Gaunern und ein bis zwei Leute, die an Schicksal und menschliche Überfähigkeiten glauben, ziemlich schrottiges "Universum" aus Gesetzlosen - da fehlt ja eigentlich nur noch die Allianz und man könnte das Ganze als Spin-Off verkaufen. So geht das!
Aber! Darum ging es mir jetzt eigentlich doch nicht. Die Entdeckung war jetzt nur mal so nebenbei und sollte als Empfehlung für alle Firefly-Fans gelten. Wir waren ja bei der Story zwischen den Missionen und die ist wirklich gut. Sie ist langsam, es gibt viele Nebendialoge, die auch allesamt superb sind, aber es gibt in der deutschen Version nur ausnahmslos talentierte Sprecher. Die hat man alle schon mal irgendwo gehört, nur witzigerweise nicht in Videospielen. Nun ja, diese Dialoge brauchen auf jeden Fall ihre Zeit und wenn man mal wieder einen Job abgeschlossen hat, kann es gut sein, dass man fünfzehn bis dreißig Minuten braucht (wenn man sich die Texte in voller Länge anhören möchte), bis man wieder ins Wasser darf. Ist ja öde? Niemals! Die Gespräche haben extraordinären Hörbuch-Charakter. Es ist, als würden einem ganz persönlich von erfahrenen Seebeutern, die sich hier und da einen Harry verdient haben, Geschichten und Legenden von einer Welt unter unserer Welt erzählt bekommen - es ist herrlich. So atmosphärisch bringt kaum ein Spiel ein so interessantes Setting herüber.


Oh, hier: Gratis-Soundtrack. Mein Liebling ist der Feary Canyon.
Aber ich will ja noch ein bisschen was zum Gameplay erzählen, bevor jetzt alle denken, man hätte sich hier eine Folge von "??? und Kapitän Nemo" besorgt: Aquanox 2 ist, wie schon durchgeklungen sein sollte, ein Ego-Shooter - nur halt submarin. Es gibt Sniper, Raketen, Maschinengewehre, alles. Nur hat man anstatt einer Energieleiste fünf, eine für jede Seite und eine zentrale als EMP-Abwehr. Natürlich kann man dann steuerungsmäßig noch ein bisschen auf und ab gleiten und man schießt auf Boote anstatt auf Menschen oder Monster, aber im Grunde ist es dasselbe Prinzip. Schiffe upgraden ist toll, da gibt's nachher ein paar richtig fiese Killer.
Oh, und das Spiel ist knüppelhart. Nicht unbedingt weil der Schwierigkeitsgrad so unnachgiebig ist, sondern weil die Hersteller aus irgendeinem Grund die grandiose Idee hatten, in die Missionen einfach keine Checkpoints einzubauen. Was soll das denn? Die gehen über eine halbe Stunde, die Teile! WAS! Es ist ja in Ordnung, wenn da kein Quicksave bei ist, aber keine Checkpoints?! COME ONE! Immerhin kann man noch eine Zielhilfe einschalten, das ist schon mal nicht schlecht. Und wenn man ganz verzweifelt, lässt sich der Difficulty noch runterregulieren, aber das geht bei Gamerstolz natürlich nicht. Da flucht man und flucht man und flucht man und macht vielleicht ein Bonusziel weniger, aber Easy-Schwierigkeitsgrad? NIEMALS!

Aquanox 2: Revelation ist ein sehr tolles Spiel deutscher Produktion mit dichter Atmosphäre, guter Grafik, hervorragender Musik und erstklassigen Synchronsprechern. Wer für so etwas ein wenig Zeit aufbringen kann, der sollte sich das auf jeden Fall mal angucken - das Spiel gibt's garantiert für drei bis fünf Euro in irgendeiner Grabbelkiste, der Titel ist kommerziell nämlich leider total gefloppt. Rian

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