Es gibt schon merkwürdige Subkulturen im Internet. Da gibt es Habbo-Hotel-Schnösel. Oder deren Erzfeinde, die /b/-tards. Da gibt es die Foren-Dweller, IRC-Fuzzis, Wikipedia-Editoren, Farmville- und Mafia Wars-Heinis. Und deren Erzfeinde, die /b/-tards. Da gibt es Furries, Cosplayer und deren Erzfeinde, die /b/-tards. Da gibt es Fetisch-Gruppierungen verschiedener Arten, von Hentai-Tentacle-Porn-Obsessiven und Anhängern der 34. Regel über Transformation-/Transgender-Weirdos zu Bondage aller Härtegruppen. Naja, und deren Freunde, die /b/-tards.
Das ist also schon eine ganze Menge, aber bei Weitem noch nicht alles. Eine andere, der ich zum Beispiel vor einiger Zeit mal aktiv angehörte und langsam wieder reinfinde, ist die Subkultur der Gunbound-Masochisten.


Gunbound ist ein südkoreanisches und singapuristisches (wasauchimmer, irgendwas asiatisches) Strategie-MMO, das sich eigentlich sehr leicht beschreiben lässt: Worms mit einem Wurm pro Spieler. Wenn man das Spiel startet und eine Lobby betritt, kann man einem Raum beitreten, wo man sich ein Fahrzeug aussucht und noch ein paar Specials einpacken kann und dann geht's auch schon los - im simpelsten und populärsten Modus versucht man, so viele Kills wie möglich zu erzielen, ob nun alleine oder im Team. In seiner eigenen Runde bewegt man sein Fahrzeug herum, stellt den Schusswinkel ein, hält die Leertaste so lange, bis sich der Balken mit der Feuerkraft genug aufgeladen hat und dann hofft man, dass man trifft. Dabei hat jedes Fahrzeug drei verschieden starke Angriffe - die auch unterschiedlich die Wartezeit bis zur nächsten Runde verlängern - und der Wind spielt auch noch eine Rolle. Im Großen und Ganzen war's das.


So, jetzt kommt der Trick: Das war's eben noch nicht. Zumindest nicht, wenn man Spaß haben will. Da ich schon länger nicht mehr gespielt hatte und Gunbound ein paar Updates durchlief (und mein bisheriges Avatar-Kostüm anscheinend nicht mehr verfügbar war), betrat ich das Spiel im Noob-Kostüm. Das konnte ja nicht so bleiben! OMG, braune Haare, weißes Shirt, blaue Shorts! WIE-SIEHT-DENN-DAS-AUS?! Also schnell in den Avatar-Shop, wo mich mein prall gefülltes Konto begrüßte. Nicht-Spielen lohnt sich anscheinend! ...oder auch nicht, denn die Kohle reichte nur für die untere Hälfte des Fuchs-Kostüms, das ich haben wollte. Egal, unvollständig sieht zwar scheiße aus, aber besser als Noob-Shirt.
Ich hätte jetzt natürlich auch per Kreditkarte für den Kopf zahlen können, aber spinn' ich denn? Nun, ich nicht, aber viele andere anscheinend, denn das Avatar-Geschäft rentiert sich und auf diese Weise finanziert sich Softnyx, genau wie Hersteller anderer "kostenloser" MMOs. Die Auswahl der mit Gold (das ist die Währung, die man sich erspielen kann) kaufbaren Kostüme hat sich, seit ich vor drei oder vier Jahren mit dem Spielen aufgehört habe, auch nur marginal erweitert.

Halbwegs anständig angezogen ging ich dann also in meine Stamm-Lobby, die Avatar-free-Zone für alle Leute mit einem Rang über Streitaxt. Es gäbe noch andere Lobbies, die ich mit meinem Rang betreten könnte, aber da zählen überall die Attribute der Kostüme und ich hatte keine Lust, Gold-Sternen und Red Rods in voller Montur mit ihren gekauften Azatoth- und Shub-Niggurath-Avataren zu begegnen, die mit meinem armen Flauschpelz nur den Boden aufwischen. Also rein in die freie Lobby!
Da bot sich mir dann auch ein vertrautes Bild in den Raumbezeichnungen:


oder


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Andere Spielarten gibt es eigentlich nicht. Asuka ist ein Fahrzeug, das mit verstreichender Zeit pro Benutzung immer stärker wird, so dass, wenn alle Asukas haben, die Damage-Zahlen GROß werden! Und das ist geil, nicht wahr? Da ich aber ohnehin ein Random-Spieler bin, bin ich einfach mal lustig dem ersten Random-Raum beigetreten. Nachdem ich dann aus fünf verschiedenen Räumen rausgekickt wurde (da darf man sich gar nichts bei denken, das ist halt so. Wahrscheinlich hatte mein Name nicht genug Sonderzeichen, da ist man gleich uncool. Mit ♥♦-.:RiAnQ:.-♣♠~~♪ hätte ich wahrscheinlich wesentlich bessere Chancen gehabt), durfte ich dann auch mal in einem Raum drin bleiben, wo ich den totalen Augenkrebs am goldenen Fließband erhielt: Als ich Gunbound damals verließ, wurden gerade kaufbare Hintergründe eingeführt. Diese Teile haben nicht nur ausschließlich volle Farbsättigung in allen Pixeln, sondern sind auch noch animiert wie schlechte Clipart-GIFs aus den 90ern. Und dann kann man sich auch noch Haustiere und Flaggen und sonstwasweißich dazukaufen, so dass man in diesem kompletten WAHNSINSS-OVERLOAD extreme Schwierigkeiten hat, die eigentliche Spielfigur wiederzufinden, die ja ohnehin schon generell unter Schichten und Schichten von Warlord-Panzerungen vergraben liegt. Nun ja, ist zum Glück für das Spiel (mal abgesehen von den zusätzlichen Attributen) ohne Belang und den Kram sieht man in-game dann auch nicht. Aber trotzdem.


Ich habe dann auf jeden Fall mit diesem Kerl, der wahrscheinlich xXmIu-ChAn♥LOVELOVEXx oder so hieß, ein paar Sekunden in diesem Raum gewartet. Laut Länderangabe kam er aus einem Land, das mit T oder Z oder S anfing, also von weit weg. Ich habe "Hi" gesagt, aber keine Antwort. Das macht auch nichts, die meisten Leute in Gunbound sprechen entweder nicht deine Sprache oder einfach gar nicht. Es gibt eigentlich nur zwei Nationen, deren Einwohner nicht die Fresse halten können: Spanier und Singapuristen. Während sich letztere mit einem Mix aus Singapuristisch, Englisch und Kauderwelsch unterhalten und englische Basiswörter wie "Hi", "Hello" und "lol" noch verstehen und darauf reagieren können, geben Spanier ausschließlich ¡jajajajajaja! von sich. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Aber vielleicht ist Gunbound ja gerade DAS Spiel, wo sich alle Leute mit Sprachstörungen mal so richtig austoben können - ich hinterfrage das schon gar nicht mehr.
Da saß ich also mit Miu-Chan in ihrem (seinem?) Raum und wartete an die 30 Sekunden, bevor ich den Saal verließ, denn wenn nach 30 Sekunden keiner kommt, kommt gar keiner. Das ist Gesetz. Eigentlich warte ich mit 30 Sekunden schon viel zu lange, zumindest 27 Sekunden länger als das übliche Gunbound-ADS-Kind, das nur da bleibt, wenn es der Letzte ist und den Raum komplettiert. Ich stelle mir vor, wie nur zehn Prozent der Spieler sich in Räumen befinden und warten und die restlichen 90 zwischen den Räumen hin und her springen und sich darüber ärgern, dass ja keiner da drin ist!


Irgendwann habe ich dann einen Raum gefunden, wo alle Random spielten. Hintergrundinfo: Wenn man ein zufälliges Gefährt wählt, hat man eine gewisse Chance, ein besonderes Vehikel zu bekommen. Das waren früher das Schlachtross, das böse direkte Treffer erzielte, und der Drache, der ein ganzes Gebiet mit schwerem Schaden eindecken konnte. Wenn man eins von diesen Dingern erhalten hat, war das wie sechs Richtige im Lotto, denn dann hatte man so gut wie gewonnen. Sprung zu GunboundWC heute: Zu den besonderen Gefährten haben sich jetzt noch ein paar andere hinzugesellt, unter anderem ein Wal und etwas, das aussieht wie eine Kreuzung aus Badnick aus den Sonic-Spielen und Fox McClouds R-Wing. Und in jeder Runde hat mindestens einer so ein besonderes Ding, wenn alle random spielen. Will heißen: Wenn mein Team zufällig keinen bekommen hat, aber die Gegner schon, dann konnten wir einpacken. Das hatte dann nichts mehr mit Skill zu tun, das war ein reines Blutbad.


Kam es mal zu einem Spiel, wo rein zufälligerweise keiner ein Bonus-Vehikel bekam und wo wir nicht auf dieser verfluchten, flachen Gemetzel-Map, die das Äquivalent zu Final Destination von Smash Bros. darstellt, kämpfen mussten, dann ging das wahre Teamplay los, vor allem mit Singapuristen. Ich gebe euch mal einen kurzen Guide durch die Sprache von Gunbound:


Übliche "Sätze" in Gunbound sind dann: "wind le", "liao sian lol ks" oder "ks wind liao". Nehmt zur Übung also einmal folgenden Beispieltext auseinander, der so vollkommen korrekt im Spiel vorkommen könnte: LINK

Naja, aber wenn man mal die Kommunikationsschwierigkeiten außer Acht lässt, ist das Gameplay eigentlich ganz witzig. Mal abgesehen davon, dass man in der Free-Zone eigentlich nur noch Spielern vom höchsten Rang über den Weg läuft, die einen gnadenlos vergewaltigen, ob nun mit Attributen oder ohne. Aber mir macht das ja nichts aus, ich freu mich über jeden kleinen Kill, den ich schaffe.


Und jetzt fassen wir mal alles zusammen: Faschistisches Avatar-System, ADS-Kinder, totale Sprachbarriere, eigentlich nur Spielmodus-Auswahl zwischen ASUKA NO ITEMZ und RANDOM OR KICK, Augenkrebs und außerdem wurde ich die ganze Zeit von Gunbound-Overlords geraped. Da wurde mir wieder klar, warum ich mit dem Ding aufgehört habe. Aber warum hatte ich bloß so lange gespielt?
Wie durch ein Wunder kam mir die Antwort entgegen: Ein Deutscher jointe meinem Raum. Ich konnte mich mit jemandem unterhalten! Und, auch wenn ich gleich wieder los musste, machten die Spiele mit ihm und meinen Teamkollegen da SPAß! Wir haben uns natürlich auf Englisch unterhalten, weil es sonst den nicht-deutschen Gruppenmitgliedern gegenüber unfreundlich gewesen wäre. Wir waren Gentlemen! Wir haben geplant, Strategien ausgeführt, gewonnen, verloren und gelacht! Und das hat alles wieder gut gemacht, diese zwanzig Minuten Spielzeit haben die ganze Qual rein gewaschen. Denn letzten Endes ist es in Gunbound wie überall im Leben: Man sucht nach diesem Special Someone, der einen den Tag, den Monat oder das Leben versüßen kann und hat man ihn erst einmal gefunden, dann war es den steinige Weg zu ihm immer wert.

Gebt Gunbound eine Chance. Alleine ist es die Hölle, aber gebt nicht auf, denn auch dort gibt es Menschen, die euer Leid teilen! Und solltet ihr mal gar kein Glück haben, dann holt euch ein paar Freunde hinzu. Denn jedes Online-Spiel ist nur so gut wie die Kommunikation zu euren Mitspielern. Rian