No More Heroes Light

(Artikel)
Rian Voß, 31. Januar 2010

No More Heroes Light

No More Heroes 2: Desperate Struggle

No More Heroes ist der ungeschlagene König der Wii-Spiele, da gibt es überhaupt keine Diskussion. Brawl ist toll, kann aber nur von einsamen, gelangweilten Perfektionisten allein gespielt werden, Super Mario Galaxy hat seine Ideen entweder entliehen oder recycled und Twilight Princess ist auch nur bis zur Hälfte lustig und danach denkt man sich "Okay, die andere Hälfte machst du jetzt auch noch durch". NMH dagegen ist witzig, originell, setzt den Gebrauch der Wiimote so gut ein wie kein anderes Spiel, ist herausfordernd, atmosphärisch und macht einfach durchgehend Spaß - trotz kritischer Meinungen an einigen Gameplay-Elementen. Kein Wunder also, dass eines der brutalsten Wii-Spiele nicht nur eine Umsetzung für 360 und PS3 bekommt, sondern auch einen Nachfolger, der ein Spiel darstellt, auf das ich mich selten dämlich gefreut habe. Aber lohnt sich die gerade in Amerika erschienene Rückkehr nach Santa Destroy wirklich?

Travis Touchdown, Anti-Held und Lichtschwert-Attentäter, hat sich an die Spitze der Assassinen-Rankings gekämpft und ist dann einfach gegangen. Drei Jahre später treffen wir ihn wieder und, nachdem er mal locker-flockig irgendeinen No Name auf einem Dach umgebracht hat, bekommt er die Nachricht, dass sein guter Freund und Videoladenbesitzer Bishop getötet wurde. Das hat sogar einen Grund! Jaha! Das ist wahrscheinlich das erste mal, dass in No More Heroes irgendwas Sinn macht! Also, folgendes: Travis hat in ein paar Nebenmissionen im ersten Spiel die Anführer des Konzerns Pizza Butt umgebracht. Heute heißt die Firma Pizza Batt, ist aber immer noch unter der Leitung derselben Familie, und der letzte Erbe will natürlich Rache, deswegen killt er denjenigen, der Travis am meisten bedeutet. Natürlich trifft es da einen sozialen Außenseiter und Otaku am härtesten, wenn sein Videomann geschlachtet wird. Also schwört Travis nun Rache für die Rache und rein zufälligerweise ist der Boss von Pizza Batt auch noch der Ranglistenführer des momentanen Assassinen-Rankings - das trifft sich ja prima! Also kann man sich ja gleich mal vom 51. Platz an hocharbeiten.

Uh-oh...

Nun will ich nicht behaupten, der erste No More Heroes hätte eine tolle Story gehabt. Eigentlich hatte der gar keine Story. Travis ist eben in die Fights reingestolpert und hat sich gedacht "Ja, cool, morden macht ja richtig Spaß, da kann ich auch gleich mal der Beste werden!", dabei entdeckt er aber die eine oder andere moralische Kontroverse und vor allem geht er diesem Ungeheuer von Rangliste und der dahinter stehenden Agency auf die Schliche. Das war alles neu und spannend und in seiner metzelnden Sinnlosigkeit getrieben allein von der Lust zu töten sehr pulpig und cool. Bei No More Heroes 2 kennt man das alles schon. Es gibt keine Ethik mehr zu bequasseln, man hat von Anfang an ein klares Ziel und es gibt keine storymäßigen Überraschungen - die Katzen wurden alle schon aus ihren korrespondierenden Säcken gelassen und haben längst alle Sandkästen zugekotet.

So lange es Splatter gibt, kann ein Spiel nicht soooo viel falsch machen.

"Everybody deals with grief differently, right? Some people fuck at funerals - I cut off heads." - Wahrere Worten wurden nie gesprochen.
Aber okay, lassen wir Geschichte mal Geschichte sein, die Serie legt viel zu viel wert auf Gameplay, um die Hintergründe nach vorne zu holen. Aber als ich auf die geänderten Feinheiten vom ersten Teil zu Desperate Struggle stieß, wurde ich leider auf einer (zugegeben) sehr hohen Ebene enttäuscht und Schuld daran hat die Presse. Beleuchten wir mal die Fehler, die der erste Teil gemacht hat, im Grunde genommen zwei Dinge:
Den Open World-Teil von Santa Destroy und die Jobs, mit denen man Geld verdiente. Wenn Travis irgendwohin wollte, etwa zu einem Job, einem Auftrag, einem Laden oder einem Ranking Fight, dann hat er sich auf sein Motorrad, dem loyalen Schpeltiger, geschwungen und man durfte zu seinem Zielort cruisen und dabei versteckte (aber auf der Karte eingezeichnete) Boni suchen und finden. Dabei war Santa Destroy recht groß geraten und für die ganze Zeit, die man hin- und herfuhr, sehr ereignislos. Mich selbst hat es ziemlich angekotzt, dass ich nach einer fehlgeschlagenen Mission erst einmal wieder zum Auftragsort und dann zum Missionsort zurückfahren musste. Viele Köpfe haben geraucht, auch meiner: Wie konnte man das besser machen? Ich und andere Bewohner des Internets kamen auf die Idee, einfach eine Karte zu benutzen, wo man Ziele direkt ansteuern kann, was nun auch in Desperate Struggle auch so ist. Aber schon damals hatte ich meine Zweifel, ob das die beste Lösung sei. Man hätte einfach eine Retry-Funktion bei fehlgeschlagenen Missionen einbauen können. Oder Santa Destroy weiterhin befahrbar belassen und die Quick Travel-Funktion dazuliefern können. Warum ich den gewählten Ausweg für suboptimal halte, erkläre ich gleich.
Dazu gab es nämlich noch die Sidejobs, die viele für unnötig hielten, weil sie dem eigentlichen Gameplay - Menschen in Blutfontänen verwandeln - das Glanzlicht stahlen. Vor allem musste man Geld verdienen, um die Gebühr für den nächsten Storykampf bezahlen zu können. Die Jobs sind zwar immer noch drin, aber rein optional und in Form von Spielen, die auf NES-Zeiten getrimmt wurden, die allesamt sehr witzig und cool sind, aber... Auch dazu später! Ich will ja nicht meine aufgelisteten Mängel zu sehr durcheinandenwirbeln!

Travis hat sich keinen Deut gebessert.

Wenn man einen Job startet, hört man, wie jemand in eine NES-Cartridge pustet und dann einsteckt - supergeil!
Also, Zusammenfassung der Kritik: Stadt zu groß, Wege zu lang, Jobs zu aufwendig, Zeit zwischen Storykämpfen zu lang. Die Entwickler haben sich diese Sachen zu Herzen genommen und auch etwas dagegen getan: Die Stadt wurde gekürzt, Wege fielen weg, Jobs wurden freiwillig, Storykämpfe lassen sich direkt hintereinander bestreiten. Und man muss nicht mal das Geld für teure Schwerter verdienen, denn nach etwa der Hälfte des Spiels bekommt man die beste Waffe sowieso geschenkt. Worin resultiert das alles?

Dass es hier keinen Desperate Struggle gibt!

No More Heroes war besser und dafür gibt es nur einen wichtigen Grund und der hat nichts mit nostalgischem Wutgeheule zu tun, sondern ist einfach nur ein essentielles Element, das in der Fortsetzung nicht mehr vorhanden ist: Man hat sich seine Siege erarbeitet!
Ich habe Kokosnüsse gesammelt, bis ich kotzen musste, ich habe eine Mission, in der man 100 Gegner töten musste, mindestens zehn Mal gespielt, um mir das beste Schwert kaufen zu können, ich habe die Pizza Butt-Familie mindestens ein dutzend Mal gemeuchelt, ich habe trainiert bis zum Umfallen und den Dollars, die ich für den nächsten Ranking-Kampf ausgeben musste, bitterlich hinterher getrauert - aber ich habe in meinem Leben noch nie so sehr bei einem Videospiel gefeiert wie in den Momenten, in denen der abgetrennte Kopf meines erbitterten Feindes den Boden berührte, sich die Rangliste öffnete und sein Name ausradiert und durch meinen ersetzt wurde. DA STECKTE HERZBLUT DRIN, MANN! Das war mein Weg an die Spitze!
Doch in NMH2 ist das alles relativiert. Die Rangliste ist egal, für Travis ist das mehr oder weniger nur ein Mittel zum Zweck, um den Kerl an der Spitze zu töten. Die Attentäter, die man zerschnippelt, kann man getrost vergessen, die haben eh meistens keine lange Einleitung und mit vielen redet man überhaupt nicht. Die werden nicht mal zu Missionsbeginn namentlich genannt, da sieht man mal, wie wenig Liebe da drin steckt. Und weil man alle großen Fights gehetzt direkt hintereinander spielen kann und nicht erst die Vorfreude auf den Kampf aufbaut (sowieso fehlt mir das befahrbare Santa Destroy - im ersten Teil folgte man zum Beispiel einer Blutspur durch die ganze Stadt, um sein Ziel zu finden!), ist es einfach nicht so befriedigend, einen Platz in der Liste aufgerückt zu sein. Zum Glück kommt das Spiel am Ende noch mal einigermaßen in Atmo-Fahrt, aber bis dahin dauert's eine Weile.

Henry Homerun ist auch wieder dabei!

Eine andere Sache, der ich hinterherweine, ist der Humor des ersten Teils. Es gibt in No More Heroes 2 in den Dialogen noch durchaus witzige Stellen, aber darum geht es gar nicht, sondern um das lauernde WTF?!, das einen immer wieder überraschte. Plötzliches Spielen in der semi-2D-Plattform-Ansicht oder Travis' Traum, als er auf dem Weg zum Ziel im Zug einschlief. In No More Heroes 2 wird man bereits zu Beginn mit solchen Sachen quasi überhäuft, bereits im zweiten Kampf besteigt Travis einen riesigen Roboter, um einen anderen in Godzilla-Film-Manier zu plätten und die NES-Sidejobs tun ihr Übriges. Die Verrücktheit trifft den Spieler nicht exemplarisch und überraschend, sondern schwingt mehr oder weniger die ganze Zeit mit und fühlt sich gezwungen an, so dass ich mich etwa sehr schnell daran gewöhnt habe und sie nicht wirklich genießen konnte.

BOOM! Finished him.

Nun will ich aber nicht alles schlecht reden, No More Heroes 2: Desperate Struggle ist immer noch ein solides Spiel. Vor allem in den Kämpfen haben sich noch einige Dinge gebessert und die Steuerung per Wiimote (Buttons für normale Angriffe, Schwingen von Wiimote und Nunchuck für Finisher) ist weiterhin herrlich. Ein besonderes Feature, das hinzugekommen ist, ist die Ecstasy-Leiste. Der Tiger in der unteren rechten Ecke ist nicht neu, der ist vorher immer über den Bildschirm gewandert, wenn Travis seine Random-Spezialfähigkeiten aktivierte, aber jetzt lädt er sich bei jedem Treffer, den Travis austeilt, auf und nimmt ab, wenn Travis einstecken muss (etwa wie die Magie-Leiste in Bayonetta). Durch das Aufladen des Tigers erhöhen sich dabei auch die Anzahl der Schläge, die Travis in seinen Combos haben kann. Ist der Tiger bei bester Laune und spuckt Feuer, kann man Travis' Hyper-Modus aktivieren und unverwundbar und blitzschnell auf seine Gegner einhacken. Natürlich bleibt das possierliche Kätzchen auch weiterhin Anzeiger für Travis' Spezialfähigkeiten, wie etwa das Verwandeln in einen Tiger, der bei Kontakt jeden Feind zerfleischt, oder das Loslösen einer Druckwelle, die alle organische Materie im Umkreis vaporisiert.
Leider sind die Kämpfe aber auch gefühlt einfacher geworden. Vor allem, wenn man die Wrestling-Manöver betrachtet. Diese lassen sich inzwischen wesentlich leichter anbringen und enden IMMER damit, dass der Gegner ins Gras beißt - das war vorher nicht so. Eigentlich braucht man also, außer für Bosse, gar keine harten Waffen, man muss nur immer seine Gegner betäubt bekommen.

Moment... Ist das nicht---? Aber---!

Was ist No More Heroes 2: Desperate Struggle für mich? Nun ja, wie der Titel des Artikels schon verrät: Eine Light-Version des Originals. Es wurden viele Elemente entfernt, die ich lieb gewonnen habe, ist im Grunde aber noch exakt dasselbe Spiel. Also quasi ein No More Heroes für Eilige. Oder für Casual-Spieler. Klar, der erste No More Heroes hatte ganz klar seine Fehler und manche Leute mochten das Spiel deswegen nicht, aber diese "Fehler" musste man in Kauf nehmen, um das Spiel vollständig genießen zu können und nun war der eigentliche Fehler, diese Fehler zu entfehlern. Es gibt viele Dinge, die ich an der Fortsetzung immer noch mag (etwa wie Gegner "WHAT THE HELL?!" schreien, bevor ich einen halbierenden Todesstoß ansetze) oder gerade an diesem Titel wertschätze (Hey, Naomi hat größere Brüste bekommen!), aber vergleichend muss ich sagen, dass ich mehr Spaß am zweiten Durchspielen des ersten Teils als am ersten Durchspielen des zweiten Teils hatte. Schade eigentlich, aber ich habe damals schon irgendwie gewusst, dass ein Sequel nicht sein musste. Glücklicherweise beschädigt das Spielen des zweiten Teils in keinster Weise das Andenken an das Original und wer unbedingt ein paar andere Assassinen in der Gegend verteilen möchte, der soll sich von mir garantiert nicht aufhalten lassen. Rian

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RELEASE
28. Mai 2010
PLATTFORM
Wii
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