Bayonetta

(Artikel)
Rian Voß, 23. Dezember 2009

Bayonetta

The new king is a queen, oder: Fetish Frenzy!

Drei ist die magische Zahl! Und damit ist dies hier auch hoffentlich der letzte Artikel mit dem gleichen Titel, denn Bayonetta und Bayonetta hatten wir neben Bayonetta vs Bayonetta ja schon.

Als gebürtiger Sega-Fan, Viewtiful Joe-Spieler und DPad-interner Genre-König des Action-Slashers war es natürlich meine Pflicht, mich der Frau im hautengen Leder zu unterwerfen und mal einen tieferen Blick ins Dekolleté Gameplay zu wagen, um zu schauen, ob die schwarze Hexe mit einem gekonnten Hüftschwung das Siegertreppchen von God of War, Ninja Gaiden und Devil May Cry (*lach*) befreit. Steigern wir uns also mal langsam in die Ekstase rein und fangen ganz gemütlich beim Gameplay an.

Es gab sogar einen Art Contest, der leider inzwischen nicht mehr abrufbar ist. Aber ich habe einige Bilder ausfindig gemacht und nahm mir mal heraus, welche heraus zu nehmen!
Da zeigt sich auch gleich, was Hideki Kamiya - Director von Capcom-Spielen wie Okami, Resident Evil und Devil May Cry - von den Fehlern und Unzulänglichkeiten bei der letztgenannten Serie alles erkannt und ausgebessert hat: Kein horrendes Auswendiglernen von Spezialmanövern, kein vollkommen unbeweglicher Held, kein nervtötendes Backtracking. Laufen wir die Punkte mal ab: Das Kampfsystem von Bayonetta ist ausgesprochen flüssig und geht jedem, der ein Spiel des Genres mal erlebt hat, leicht von der Hand. Springen, schießen, zwei Angriffstasten, eine zum Ausweichen und eine Lock-on-Taste (die ich höchstens mal bei Bossen, die sich um mich herum bewegt haben, benötigte). Der Rest ist mehr oder weniger optional. Verschiedene Combos lassen sich leicht durch den untrainierten Spieler mittels Buttonmashing herausfinden, was bereits zu verzückenden Bildschirmeffekten führt, aber natürlich kann man auch die Moveset auswendig lernen und sich grausame Verkettungen von Ground-Combos, Juggles, Air-Combos, Grapples und Distanzangriffen unter Verwendung von Waffen-Preset-Wechseln mitten im Angriff ausdenken. Wer den letzten Teil des Satzes nicht verstanden hat: Macht nichts, es gibt einen Easy-Mode. Wer selbst den Teil davor nicht verstanden hat: Macht nichts, es gibt einen Very Easy-Mode.

Hat man genug Feinde gebasht und ist die Magie-Anzeige voll, kann man Gegner in sogenannte Torture Attacks (deutsche Version ist übrigens unzensiert. Ja, das Haar vor Bayonettas Nippeln und Vahahagina, wenn sie sich nackig macht, ist in allen Versionen vorhanden. Nein, ich weiß nichts über einen Nude-Patch) einspannen, wo man ihnen durch diverse Foltergeräte und Bearbeitung der Face-Buttons des Controllers oder Rotierens des Analog-Sticks entweder eklige Schmerzen oder gleich den Instant-Tod bescheren kann. Mein Highlight ist ja bisher immer noch das große Wagenrad mit den spitzen Spitzen, welches Bayonetta auf einen liegenden Gegner draufklatscht und so stark tritt, dass es sich erst einmal für ein paar Sekunden auf der Stelle dreht, bevor es mit dem aufgespießten Unhold gegen die nächste Wand kutschiert.

Wichtig bei der Sache mit den Torture Attacks und bestimmten Spezialangriffen, die die Magieleiste schröpfen, ist, dass man sich nicht von Feinden hauen lässt, denn das zieht nicht nur was von der üblichen Lebensleiste was ab, sondern killt auch knapp die Hälfte von Bayonettas akkumulierten, thaumaturgischen Kräften. Was macht man dagegen, wenn man doch immer mal wieder von der Seite geboxt wird? Na, einerseits ausweichen, was die Dame auch formidabel und in alle Richtungen beherrscht. Schafft man das sogar in genau dem richtigen Moment, aktiviert sich die Witch Time und alles wird für eine kurze Zeit langsamer und Bayonettas Angriffe sind allgemein effektiver. Wer es nicht so mit dem Ausweichen hat, der kann auch einfach jedes mal, wenn die Magieleiste voll ist, eine Torture raushauen. Macht nichts, der nächste Angriff ist sowieso bald wieder aufgeladen, das Kampfsystem ist eh auf visuelle Flashiness ausgelegt. Nicht sparen mit der POWER, sondern epic sein! BAM!

Diese Dame wurde nicht zum Bayonetta-Look-a-Like gewählt - obwohl sie sich so viel Mühe gemacht hat!
Das zeigt sich dann auch bei den zumeist riesigen Endgegnern (mal ganz ehrlich: Wem vergeht die Lust auf riesige Endgegner? Wenn ein Konzept im Bereich der Videospiele ewig frisch geblieben ist, dann ist es David gegen Goliath), bei denen man nicht nur vor deren Schnauze herumläuft und sie ab und zu auf Körperteile haut, die sie aus Blödheit, weil sie den Hauptcharakter nicht trafen, in den Boden geschlagen haben, sondern die durch Dinge wie Witch Time (Verlangsamung) und Witch Walk (Bayonetta kann bei Vollmond an Wänden und Decken laufen) zwar nichts an ihrer Hau-den-rot-leuchtenden-Schwachpunkt-Simplizität verlieren, durch die vielseitigen Lokalitäten- und Gravitationswechsel aber nicht nur optisch beeindruckend sind sondern eine Abstraktheit sondergleichen erreichen. Für die Leute, die Devil May Cry gespielt haben: Erinnert ihr euch an diese coolen Zwischensequenzen, wo sich Dante/Nero mit Bossen battlen? Zum Beispiel der Ritt auf der Bazookarakete oder das federleichte Herumlaufen auf den herausschießenden Tentakeln einer Dämonin? Das ist bei Bayonetta Gameplay. Kein Scheiß!

]Insgesamt ist das Kampfsystem (auch durch den schönen Abwechslungsreichtum der Gegner) sehr gut gemacht und reicht meines Erachtens nach sogar an den Meister dieser Disziplin, Ninja Gaiden, heran. Einziges Manko für Hardcore-Fans dieser Sparte Actionspiele stellt vielleicht die mangelnde Variation in den Kombinationen dar: Egal, ob man mit den Fäusten, Schwert oder Peitsche kämpft, 90% der Manöver bleiben die gleichen. Das ist den Spielern der Casual-Richtung wahrscheinlich ziemlich egal, aber ich hätte mir noch ein oder zwei zusätzliche Spezialcombos pro Handwaffe (richtig - Bayonetta kann sich ja auch noch Schusswaffen an die Füße kleben, was die Kombos marginal verändert!), die etwas mehr anders aussehen, gewünscht.

Besonderer Bonus: Es gibt keine großartig nervende Entdeckerkomponente in diesem Spiel. Sicher, es sind zahlreiche Goodies und Secrets versteckt und ich schäme mich fast zu sagen, dass ich beim ersten Durchgang nicht mal alle normalen Waffen gefunden habe, aber nichtsdestotrotz ist das Spiel für Leute, die einfach die Action nicht abreißen lassen wollen, wie gemacht: Man bekommt direkt vor Augen geführt, wo man hingehen soll, es gibt keine Minimap, man verläuft sich nicht. So hat jeder, was er will!

Die Story des Spiels ist da im Gegenzug eigentlich nur ein ganz normaler Haufen Klischeeschrott, könnte genau so gut ein DMC- oder Ninja Gaiden-Spinoff sein: Bayonetta, die vor zwanzig Jahren in einem Sarg in einem See aufgewacht ist, kann sich an ihre Vergangenheit nicht mehr erinnern und weiß nur noch, dass sie eine Hexe, eine sogenannte Umbra Witch, ist und den Edelstein Right Eye of the World besitzt. Da sie als Hexe einen Pakt mit der Dämonenwelt gemacht hat und nur ungern von den erzürnten Partnern gefressen werden möchte, killt sie halt die ganze Zeit Engel. Da freut sich der Teufel und lässt sie in Ruhe nach dem anderen Edelstein, natürlich dem Left Eye of the World, suchen, damit sie ihre Vergangenheit wieder aufgereiht bekommt.

Eines Tages bekommt sie gesteckt, dass das gesuchte Juwel in der heiligen Stadt Vigrid angekommen ist. Das ist natürlich eine Falle und Bayonetta, die den anderen Stein besitzt, soll ausgenutzt werden, um den Weltuntergang herbeizurufen, blablabla, yadda yadda, Titten. Die Charaktere sind ansonsten aber gut gemacht und liebevoll (auch wenn Bayonettas One-Liner manchmal so käsig zum Himmel stinkend sind... aber okay, das kommt mit dem Genre) und wir wollen uns durch eine gümmelige Story ja wohl auch nicht von der guten Action ablenken lassen.

Welche ständig vorhanden ist. Nicht nur in Kämpfen, sondern auch in den üppig ausladenden Zwischensequenzen, die einfach nur ein Genuss für das Auge sind. Das fängt schon beim Intro an. Das ist so awesome! So hören andere Spiele auf! Und im Gegensatz zu Brütal Legend nimmt die Epicness danach nicht ab, sondern nimmt stetig zu! Das war erst die Spitze des Eisberges, ha-hah!

Es geht nämlich noch weiter: Wer No More Heroes, eins meiner absoluten Lieblingsspiele, gezockt hat, der kennt diese gewissen WTF-Momente: Mini-Spiele, die absolut keiner erwartet hätte und die richtig gut reinhauen. Die gibt es bei Bayonetta auch. Ich will nicht zu viel verraten, aber neben einem Moorhuhn-Arcade-Shooter, wo man Extrapunkte für Headshots gegen Engel und Doublekills bekommt, gibt es noch eine ziemlich dreiste Verbesserungs-Kopie des berühmten Final Fantasy 7-Motorrad-Spiels. Inklusive musikalischer Homage.


Wenn die Verpackungsrückseite mal nicht lügt: Angepriesen wird das Spiel als "Action-Porno" mit "Multiplen Höhepunkten". Und das ist in keinster Weise gelogen.
Und da nehmen die Verbeugungen und -ballhornungen anderer Titel (natürlich hauptsächlich aus dem Hause Capcom und Sega) noch lange kein Ende. Das berühmte "Henshin-A-Gogo!" aus Viewtiful Joe findet ebenso sehr seinen Platz wie Ringe (sollen Heiligenscheine sein, aber ich bitte euch) als Zahlungsmittel, die Erwähnung von Eggman (Dr. Robotnik aus den Sonic-Spielen) als böser, fieser, endlich toter Kerl, und eine leichte Erwähnung des Merchants aus Resident Evil 4, der Raketenwerfer in seinem Mantel herumschleppt. Zum Ende kommt es dann noch mal richtig dicke, wo nicht nur subtil Spiele durch den Kakao gezogen werden, sondern gleich der Spieler mit seinen durch Hollywood eingeprügelten Erwartungen an Storytelling einfach nur mehrfach verarscht wird. Und von dem ganzen sexuellen Fanservice will ich erst gar nicht anfangen. Das Spiel nimmt sich selbst absolut nicht ernst und das ist wundervoll so.

[box align=left][/box]Nun habe ich so viel Gutes über das Spiel gesagt, da bleibt eigentlich kaum noch Platz nach, den ich mit Negativem füllen könnte. Aber ich will ja nicht plötzlich unkritisch genannt werden, daher bin ich noch einmal mit dem Kamm über Bayonettas Haare geschert und habe ein paar Dinge hervorgeholt, von denen die Entwickler gehofft haben, sie würde nie jemand finden:
Zum einen wäre da der Soundtrack. Während die Musikauswahl sehr eingängig und teilweise auch hervorragend passend ist (einmal spielt in einer Wartepause Beethovens Mondscheinsonate), wiederholen sich gerade die markantesten Stücke erschreckend oft. Nicht so, dass es nervend wird, aber nach der zehnten "Fly me to the Moon"-Kampfballade (ja, "Fly me to the Moon" von keinem Geringeren als Frank Sinatra ist das Hauptthema des Spiels - das gibt schon mal unendlich viele Awesome Points!) steigt einem das Adrenalin nicht mehr so hoch zu Kopf.
Eine andere Sache sind diese halbfertigen Dia-Sequenzen, die anscheinend vollkommen willkürlich die normalen 3D-Sequenzen ablösen. Es sind ja nicht mal wirklich stylische Bilder, sondern einfach nur... 3D-Modelle, die in Posen herumstehen, dazu hört man die Charaktere sprechen. Wenn dieser Stil auf die Flashbacks beschränkt gewesen wäre, hätte es durchaus Sinn gemacht, aber ab und zu werden so Dialoge oder sogar knallharte Action-Sequenzen aufgezogen. Ich denke, dass Platinum Games da einfach nur die Zeit ausgegangen ist, um das ordentlich zu machen. Aber es könnte schlimmer sein.

Was bleibt am Ende übrig? Sofern jetzt nicht in den nächsten acht Tagen irgendwas total Umwerfendes herauskommt, ist Bayonetta mein Spiel des Jahres 2009. Es hat alles, was man von einem Action-Slasher will, und man bekommt wesentlich mehr als man erwartet hätte. Wenn God of War 3 da einen draufsetzen will, dann muss es sich verdammt viel Mühe geben. Rian

Kommentare

Dreed
24. Dezember 2009 um 02:56 Uhr (#1)
das intro ist einfach mal sehr lustig^^
ich werde das spiel nie spielen weil ich keine konsole hab und mir auch keine zulegen werde...trotzdem sehr lustig^^
Damien
24. Dezember 2009 um 12:30 Uhr (#2)
Wenn die PS3-Version nur nicht so für'n Arsch wäre.
Ich warte erst auf einen Patch. Aber wahrscheinlich bin da wieder viel zu optimistisch...
Rian
24. Dezember 2009 um 18:15 Uhr (#3)
Yay, Xbox :D
Deathhealth
Gast
30. April 2014 um 20:55 Uhr (#4)
Dreed, das Spiel ist einfach nur der HAMMER. Zwar etwas verspätet abber... naja
Gast
23. April 2024 um 21:03 Uhr
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