Assassin's Creed 2

(Artikel)
Haris Odobašic, 24. November 2009

Assassin's Creed 2

Dein bester Freund: Leonardo da Vinci

So selten ein frisches Szenario in einem Videospiel ist -- als richtige Rarität gilt es, wenn der Nachfolger zu diesem Spiel ebenfalls ganz woanders seinen Platz einnimmt. Und nachdem euch der erste Teil im Zeitalter der Kreuzzüge durch Jerusalem und Co. meucheln ließ, haben die Entwickler in Assassin's Creed 2 einen Zeitsprung in die Renaissance gewagt, wo ihr nun in so schönen Städten wie Florenz oder Venedig ein paar Leuten die Kehlen durchschneiden könnt.
Doch vorerst schlüpft ihr in die Rolle von Desmond Miles, der nach dem Cliffhanger im ersten Teil nun mit der Assistentin Lucy vor Abstergo flieht, um sich mit den Assassinen der Neuzeit zusammenzuschließen. Doch bei den Assassinen erwartet ihn eine Überraschung, denn auch diese haben einen Animus, selbstgebaut und selbstverständlich mit dem Anhängsel 2.0 versehen, in den sie Desmond dann auch gleich stecken, um herauszufinden, wonach genau die Templer in Form von Abstergo suchen. Also schwupps als Ezio Auditore da Firenze wiedergeboren werden und erstmal Mädchen aufreißen und Konkurrenten verprügeln, bevor sich schnell herausstellt, dass auch Italien im 15. Jahrhundert nicht ohne Verschwörungen, Attentäter und Apfelfanatiker ist und, nachdem eure Familie Ziel solcher Bestrebungen wird, euer Protagonist keine andere Wahl hat als die Kutte des Assassinen anzuziehen, um mit den korrupten Gestalten in Florenz und Venedig aufzuräumen.

No Blood: Ich habe das gesamte Spiel durchgespielt ohne auch nur einen Tropfen Blut zu vergießen. Doch bevor ihr euch wundert, was für ein toller Assassine ich bin, muss ich leider zugeben, dass das nicht ganz mein Verdienst ist. Denn AC2 hat Blut, literweise, wie man es in dutzenden Videos sieht. Aber irgendeiner kam auf die schlaue Idee, das Blut standardmäßig auszuschalten. Und um es zu aktivieren, reicht es nicht im Hauptmenü einfach in die Optionen zu schauen, nein, man muss natürlich im Spiel drin in die Optionen blicken. Vielleicht liegt's ja an mir, denn ich bin der Spielertyp, der das Optionsmenü beim Spielstart einmal aufsucht, alles einstellt, und dann diese Funktion nicht mehr beansprucht, aber könnte man das nächste Mal bitte standardmäßig das Blut an lassen?
Das gute Gameplay des Vorgängers hat man zu einem großen Teil beibehalten. Der wohl größte Unterschied ist, dass Ezio am Anfang weniger kann als Altair, weil er erst noch alle Skills lernen muss, aber zum Ende des Spiels hin seinen Vorfahren doch überlegen ist und ihm den oder anderen Trick, beispielsweise die stylischen Double Assassinations, beibringen könnte.
Noch immer steht die eine Schultertaste im Mittelpunkt, die den Wechsel zwischen High-Profile und Low-Profile-Mode ermöglicht. Im standardmäßigen Low-Profile-Mode sind alle Aktionen, die ihr ausführen könnt, auf Unauffälligkeit ausgelegt. Leute sanft aus dem Weg schieben, in gemächlichem Tempo laufen und wenn ihr doch jemanden assassiniert, dann leise und vorsichtig. Haltet ihr hingegen RT gedrückt und wechselt den Modus, sprintet Ezio durch die Stadt, hüpft von Dach zu Dach, schubst Leute aus dem Weg und tötet auf spektakuläre Art und Weise. Diese zwei Modi sind insofern wichtig, da der, der viel Aufsehen erregt, auch später irgendwann schneller von den Wachen erkannt wird und es dementsprechend schwerer hat, ungesehen durch die idyllischen Städte zu marschieren.
Um euch euren Job dann doch etwas einfacher zu machen, haben die Entwickler Ezio die Möglichkeit gegeben, sich besonders gut in seine Umgebung einzufügen. Lauft ihr zusammen mit einer Gruppe von Menschen umher, seid ihr für die Wachen nicht mehr auszumachen und wenn ihr es dann doch mal geschafft habt, Bekannter zu werden, könnt ihr Fahndungsposter von euch abreißen oder Herolde bestechen.

Leider hat man es verpasst an den Kämpfen, die im ersten Teil viel zu leicht waren, grundlegende Veränderungen vorzunehmen. Das Kontertiming ist jetzt zwar verändert worden und die Gegner variieren ihre Schläge, aber im Endeffekt ist dieser Aspekt des Spiels noch immer zu leicht und ohne größere Herausforderung. Die beste Taktik in eigentlich allen Konfrontationen ist es, die Gegner einfach kommen zu lassen und ihre Schläge zu kontern. Oder man wirft ihnen ein paar charmante, italienische Worte an den Kopf, um sie zum Angreifen zu motivieren und kontert dann!

Creepy Bug: Ich wollte doch nur einen einsamen Bogenschützen vom Dach schubsen, als der Typ sich plötzlich umdreht und MEHR Typen aus ihm heraus traten. So nachdem da rund ein Dutzend gespawnt waren, nahm ich die Beine in die Hand... und ich dachte die Inquisition hätte mit so Leuten aufgeräumt!
Auch wenn das Gameplay sehr gut ist, das wahre Highlight von Assassin's Creed ist die Atmosphäre. Die Entwickler haben viel Wert darauf gelegt, dass die historische Genauigkeit stimmt. Recherchiert ihr beispielsweise nach den meisten Leuten, die euch im Spiel so begegnen, werdet ihr schnell feststellen, dass diese Personen wirklich existiert haben und teilweise sogar tatsächlich Attentätern zum Opfer gefallen sind. Sogar Leonardo da Vinci taucht in einer prominenten Rolle auf, als Bastelmeister, der euch mit Modifikationen für eure Armklingen versorgt. Auch wenn man sich natürlich kreative Freiheiten nimmt, hat man den Eindruck, dass man durch das Spiel noch die ein oder andere Lektion über die Renaissance lernen könnte. Genauso ist die Synchronisation absolut gelungen. So ziemlich jeder Charakter hat einen Akzent und in die Gespräche werden regelmäßig italienische Wortfetzen und Sätze eingestreut. Ist man in Venedig unterwegs, wird die Atmosphäre dann sogar so dicht, dass einem fast der Duft der Stadt die Nase umhüllt. Riecht ihr es? RIECHT IHR ES?

Die Story in Italien ist zwar anfangs etwas hanebüchen und Rache ist im gesamten Verlauf des Spiels die Hauptmotivation, allerdings gewinnt die Geschichte später dann doch etwas mehr an Fahrt und wird interessanter, je tiefer man in den Verschwörungssumpf waten kann. Der Part in der Gegenwart hingegen ist, wie schon im ersten Teil, großartig, da man zu großen Teilen im Dunkeln gelassen wird und nur versuchen kann sich die Details zusammenzupuzzeln. Ich mag Geschichten, die zum Mitdenken anregen.

100 Federn: Wieso denken eigentlich Entwickler bei Open World-Spielen immer, dass sie irgendwelche Objekte, am Besten insgesamt hundert Stück, quer über die Welt verteilen müssen, an Orten, an denen man sie doch sowieso nicht findet, außer man dreht jeden Stein zweimal um. Seien wir ehrlich, außer Crackdown hat das kein Spiel wirklich gelungen hingekriegt. Und Assassin's Creed 2 scheitert mit Petrucci Petruccios hundert Federn ebenfalls daran.
Was sich sehr zum positiven verändert hat ist das Missionsdesign. Folgten eigentlich alle Missionen in AC1 dem Schema, dass man erst eine gewisse Anzahl von Nebenaufgaben erfüllen musste, wobei es aber insgesamt nur drei Typen von Nebenaufgaben gab, um dann das Ziel ausschalten zu können, ist Assassin's Creed 2 mit viel Abwechslung gesegnet. Mal müsst ihr jemanden unbemerkt verfolgen, um zu einem geheimen Treffen zu gelangen, dann wiederrum wird von euch erwartet, dass ihr Karnevalsspiele gewinnt, um eine Einladung zu einer exklusiven Party zu erhalten, oder ihr sollt auch mal Dächer von feindlichen Bogenschützen säubern, damit eure Söldnerfreunde dort Stellung nehmen können.
Auch abseits der Hauptstory gibt es viel zu tun. Ihr habt ein kleines Dorf, das ihr mit finanziellen Mitteln ausbauen könnt, was euch regelmäßige Einnahmen bringt und die Preise in den Geschäfte etwas drückt. Außerdem erwarten euch unzählige Nebenmissionen, wie beispielsweise Wettrennen oder Mordaufträge, und eine Menge Geheimnisse wollen ebenfalls gelüftet werden. So gibt es in der Spielewelt Grabstätten früherer Attentäter zu finden, die eine spezielle Belohnung für euch bereithalten oder die Glyphen, 20 an Wände gezeichnete Symbole, die euch vor Rätsel stellen und kleine Schnipsel für "Verschwörungstheoretiker" freischalten, die die "Wahrheit" erzählen. Ganz schön mutig, das in ein Spiel zu packen. SIE werden das sicher nicht gutheißen.

Einige Macken sind mir dann aber doch aufgefallen. Wieso bin ich in einer Gruppe von Kurtisanen quasi unsichtbar? Wenn hier irgendwo ein Typ mit einer Gefolgschaft aus halbnackten Mädels rumlaufen würde, dann würde ich mir das Gesicht dieses Herren sicher besonders gut einprägen. Vielleicht trifft man ihn ja unter anderen Umständen wieder! Oder wieso die Wachen immer sofort aufhören mich zu bedrängen, wenn ich eine Mission geschafft habe. Die meisten Fehler sind unlogischer Natur, doch was im Endeffekt viel gravierender ist, ist das Scheitern eine Welt zu erschaffen, die sich lebendig anfühlt.
Reisen wir zurück in das Jahr 1999 mit Shenmue, dem einen Spiel, das die, auch noch heute, wohl lebendigste Videospielwelt überhaupt erschaffen hat. Alle NPCs hatten eine Art Tagesablauf, man konnte ihnen folgen und sehen wie sie Einkaufen, wie Händler pünktlich abends ihre Geschäfte schließen und eine große Menge weiterer Details, die einen regelrecht ins Spiel gesaugt haben. Assassin's Creed 2 hat nichts davon. Es gibt ein Tag/Nacht-Wechselsystem im Spiel, doch das hat nur rein kosmetische Auswirkungen. Händler haben 24 Stunden am Tag geöffnet und zu jeder Tageszeit läuft die gleiche Menge an Bürgern durch die Straßen. Hätte man hier ein paar Handgriffe mehr bei der Entwicklung geleistet, wäre es ein riesiger Bonus für die ansonst gelungene Atmosphäre gewesen.

Es ist der zweiter Versuch dem Hype des ersten Teils gerecht zu werden. Und diesmal hat man es geschafft! Assassin's Creed 2 ist ein fantastisches Spiel geworden mit schönen Städten, spannenden Missionen und ohne die ermüdende Repetitivität des Einsers. Aber leider ist das Spiel auch rund zwei Jahre zu spät herausgekommen. Wäre es in dieser Form 2007 erschienen, hätte man es zurecht als Meisterwerk in Erinnerung behalten. So ist es aber eben "nur" ein großartiger Nachfolger, dem jedoch die Wow-Momente fehlen, die den ersten Teil noch vor dem Durchschnitt gerettet hatten.Evil

Kommentare

Ben
24. November 2009 um 16:26 Uhr (#1)
Bin schon sehr gespannt auf Assassin's Creed 2. Und wenn das Laufwerk meiner Xbox wieder geht, werd ich's auch spielen!
Undead
25. November 2009 um 17:29 Uhr (#2)
Petrucci der Allmächtige? Wie wagst du es seinen Namen durchzustreichen?!
Gast
19. April 2024 um 20:22 Uhr
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