Warum alte RPGs besser sind

(Artikel)
Rian Voß, 08. November 2016

Warum alte RPGs besser sind

Es gibt nur eine Meinung!

Oha, ein polemischer Titel! Gewagt, gewagt, aber ansonsten liest das hier ja keiner. Die wahre Überschrift ist eigentlich eine andere, aber diese herauszufinden lasse ich mal als Leseraufgabe stehen. Die Auflösung gibt es dann in meinem nächsten Artikel!

Dieser Artikel wurde erstmals am 14.12.2009 veröffentlicht.

Aber nun mal zum vermeintlichen Thema: Der Krieg darum, wann, weshalb und ob überhaupt Rollenspiele, ob nun westlich oder östlich, generell schlechter wurden als frühere Titel tobt schon eine gewisse Weile. Manche halten die PSX-Generation für die letzten wahren Rollenspiele, manche ziehen den Schlussstrich beim Erscheinen von Neverwinter Nights, wieder andere wollen nach Final Fantasy 6 keine RPGs mehr akzeptieren und die ganz Hartgesottenen schwören ausschließlich allem, was zur oder vor der Zeit von Das Schwarze Auge erschien, die Treue. Von den ASCII-DOS-Freaks will ich gar nicht erst reden. Und davon, dass ich jetzt vielleicht einfach nur ahnungslos Dinge behaupte, auch nicht.

Planescape: Torment - es gibt viel zu tun, packen wir's an!

Ich habe lange Zeit beim Spielen von aktuellen RPGs nachgegrübelt und immerhin zwei vertretbare Gründe gefunden, warum man der Meinung sein könnte, dass man früher wesentlich stilechter in Dungeons herumgecrawled ist und ich möchte euch hiermit erleuchten (oder ihr hört euch unseren ersten Podcast an, wo ihr zumindest schon mal teilweise meinen geistigen Ergüssen lauschen könnt):

Zum Einen wäre da Folgendes: Rollenspiele heutzutage prahlen mit riesigen Welten, die es zu erforschen gilt, Unmengen an Stunden, in denen man durch Wälder pirschen kann, in denen man Ruinen entdeckt und in denen man die Natur (Grafik) genießen kann. Die Sache ist nur... wann wollten wir das? Da kam einmal Morrowind angelatscht, sagte: "Hier, kannst eine Stunde lang von einer Ecke der Welt zur anderen laufen!" und plötzlich fanden das alle geil? Nein! Viele haben sich beschwert, dass die Welt von Morrowind zu verflucht groß sei. Was ist mit dem Nachfolger, Oblivion? Cyrodiil zu erkunden war ja zum Anfang ganz nice, aber irgendwann wurde die große Welt, die mal abgesehen von Tieren und Monstern ziemlich leer war (und deswegen viel eher einem oberirdischen Dungeon glich), jedem Spieler langweilig. Dann hieß es nur noch: "Okay, ich gehe den Quests nach, sammle ein paar harte Waffen, bleibe ansonsten in den Städten, mache die Storyline fertig und dann ist gut." Wer nach ein paar Stunden noch zu Fuß oder auf diesen dämlichen Pferden herumreiste, der hat von der Quicktravel-Funktion nichts gewusst. Und es ist doch genau dasselbe mit Fallout 3.

Warum sollte man öde, geplünderte Häuser durchsuchen?

Aus irgendeinem Grund ist die Entdeckerkomponente eingeflossen, die bisher eigentlich immer viel besser im Action-Adventure aufgehoben war, wie etwa in Zelda oder Assassin's Creed. Da hat man keine Probleme damit, lange Strecken zu laufen. Man hat das Spiel gekauft, um jeden verdammten Stein umzudrehen! Aber wie war das früher? Denkt mal zurück. Waren die Welten von Baldur's Gate, Final Fantasy oder Fallout so wahnsinnig groß? Ja? Dann überlegt mal stärker. Waren sie nämlich nicht, hah! Aber natürlich wirkten sie so, das war der Trick.

Massenweise Auswahl! Obwohl. Ne, eigentlich nicht.

In Baldur's Gate 2 etwa hatte man die massive Stadt Athkatla zu seinen Füßen und vor den Toren: Faerûn! Aber hat man das Land wirklich bereist? Nö. Man ist in ein paar kleinere Städte gegangen, hat ein paar Dungeons und Wälder besucht und das war's. Auf der Hauptkarte ist man stets nur von A direkt nach B gereist und wurde ab und zu durch einen Random Encounter unterbrochen - und DAS war schon nervig. "Geht das denn nicht schneller!?" Warum dachte man so? Weil man zu den guten Orten wollte! Alle Locations, die man auf diese Weise ansteuern konnte, waren bis nach oben hin mit Hauptquests, Nebenquests, Goodies, Story und Humor gefüllt, so dass man sich an ein und derselben Stelle gleich mehrere Stunden aufhalten konnte und immer noch neue Sachen entdeckte. Ich habe TAGE gebraucht, bis ich Athkatla zum ersten Mal verlassen habe, und war erstaunt, dass das Spiel IMMER NOCH NICHT vorbei war! Dagegen sind die meisten Städte in heutigen Rollenspielen mit ihren drei bis vier Aufträgen ein rechter Witz. Mein Gedanke also: Macht die Welt klein, aber füllt sie bis zum Platzen! Dann muss man sich auch keine Gedanken machen, ob die Atmosphäre dicht genug ist und man kann mehr Details in das stecken, was bereits da ist. Aber bevor ich alle heutigen Spiele verteufele, will ich zumindest eine sehr positive Ausnahme nennen: Risen/Gothic griffen das Prinzip der kleinen Welt mit viel Inhalt wunderbar auf, zumindest teilweise. Ich habe in Risen Stunden gebraucht, bis ich mich im Banditenlager hochgeschlafen hochgearbeitet hatte und noch länger, bis ich mit der Hafenstadt fertig war.

Kommen wir aber zu einer anderen Sache, die mich eigentlich noch viel mehr stört: NPCs sind alle gleich. Ich hacke da wieder mal besonders gerne auf Oblivion und Fallout 3 herum, denn da fällt es am meisten auf. Klar, die Leute dort haben alle winzige Unterschiede, wie etwa variierende Hauttexturen und andere Haare und blablabla, was aber nichts daran ändert, dass alle Charaktere Einheitsgröße und dieselbe Positur haben. Es sind im Grunde genommen alles Klone mit anderen Gesichtern! Und dieser Eindruck wird nicht gerade dadurch verbessert, dass die Synchronsprecher zigfach recyclet werden.

Dieses Face sieht man geschätzte fünfzig Mal - und gehört unter anderem dem König von Cyrodiil.

Gehen wir kurz in die Zeitmaschine und gucken uns alte Spiele an, bevor ich meine Forderung stelle. Früher, vor allem in der Zeit der Pixel, hatten Entwickler keine Möglichkeit, Personen sonderlich unterschiedlich darzustellen. Die meisten waren halt ein Template von Bürger 3 oder Räuber 2 mit leichten Farbänderungen, fertig. Was allerdings den Unterschied gemacht hat, waren Gespräche mit diesen computergesteuerten Wesen:

Alter, betrunkener Mann:
"Hey-hey, disch... disch kenn' ich doch! Komm an meine Brus', mein Junge, wir ham'uns doch schon ewich nich' mehr geseh'n!"

Stadt-Advokat:
"Ahem, wie meinen? Verzeiht mir, aber mit solchem Gesindel wie Euch will ich nicht gesehen werden. Bitte geht und lasst mich meiner Arbeit."

Getrübt durch Trotz und Zweifel werdet ihr mir jetzt wahrscheinlich nicht glauben, aber durch Textboxen und winzige Pixelfiguren und vielleicht zwei bis drei verschiedenen Geh-Animationen wurden uns hunderte verschiedene, einzigartige Charaktere in den Kopf gezaubert. Ein Trick, den man sich damals natürlich von Büchern abgeguckt hat, aber was funktioniert, das funktioniert! Diese "Menschen" waren für uns echter als jeder dreifach gebumpmappte Polygonkamerad, dem wir diesertags virtuell gegenübertreten. Das ging ja selbst soweit, dass man ernsthafte moralische Bedenken bekam, wenn man jemanden tötete, bei dem man sich nicht sicher war, ob er überhaupt das Sterben verdiente.


Was ich nun verlange: Mehr Liebe zum Detail bei Charakteren. Das ist leichter gesagt als getan, aber es muss sein, wenn man in der Hinsicht von Authentizität die alten Rollenspiele überhaupt erst mal wieder einholen möchte. Ich will humpelnde alte Opas, ich will wankende, schäbige Besoffene, ich will dicke, alte, grummelige Frauen, die in Häusern an Küchenherden stehen und für ihre Familie kochen, ich will entstellte, zischende Außenseiter, ich will Leute in komischer Kleidung, ich will englische Butler und prunkvolle Könige. Und nicht Bürgertemplate A in zwanzig verschiedenen Kostümen mit drei verschiedenen Stimmen.

Nun bin ich der festen Überzeugung, dass (vor allem westliche) Rollenspiele ihren alten Weg wiederfinden können und werden. The Witcher ist eine gute Sache. Risen ist nicht zu verachten. Dragon Age: Origins und Mass Effect wandern auch in die richtige Richtung. Aber da geht noch mehr und ich werde nicht eher zufrieden sein, bis ich es bekomme! Rian

Kommentare

Dreed
14. Dezember 2009 um 21:20 Uhr (#1)

ch kann dir nur zustimmen!
einerseits mag ich grosse welten die man frei begehen kann und so...aber andererseits will ich dann immer alles erkunden und erforschen...was mich dann einerseits die story vergessenlässt und auch das spiel unnötig in die länge zieht...ich werde dann irgendwann von anderen sachen oder neuen spielen abgelengt und spiele das spiel (zB Fallout 3 oder Oblivion) net mehr...aber eigendlich will ich die geschichte weiter erleben -.-
das letzte RPG das ich durchgespielt hab war Gothic 2 aber das auch 2 mal (als Paladin und als Drachenjäger^^)
so schluss mit meiner ungefragten meinung! XD
Rian
15. Dezember 2009 um 12:59 Uhr (#2)
Genau! Es fehlt die fesselnde Sache. Bei alten Rollenspielen fand es sich viel häufiger, dass man nicht aufhören konnte, weil es die ganze Zeit etwas zu tun gab. Wenn ich heute durch die Welt von Oblivion laufe, dann verwandelt sich das Spiel in ein zehn-minuten-Wunder: Ich laufe herum, finde vielleicht etwas, habe keine Lust mehr, mache aus, mache dann irgendwann wieder an... bis ich dann in eine Stadt komme, wo ich auch mal länger am Stück etwas mache, weil Städte viel interessanter sind.
KenDeep
15. Dezember 2009 um 19:51 Uhr (#3)
Bestes Beispiel ist wohl Shadowrun für SNES. Du hast in einem viertel 5 mal den selben Typen gesehen, sie alle haben aber verschieden reagiert. Jeder hatte dort eine eigene persönlichkeit, egal wie gleich sie aussahen.
Ich persönlich verlange keine tausend Personen in dem Spiel. Solange sie eigenen Text und Stimme(sekundär) haben, ist das Spiel wirklich lebendig.
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