Metal Gear Solid 4

(Artikel)
Haris Odobašic, 23. September 2008

Metal Gear Solid 4

Der Vater aller Schlangen

Die Metal Gear-Serie ist wahrlich bemerkenswert. Seit 20 Jahren flimmert sie immerhin über die Konsole und verfolgt dabei noch immer dieselbe Story. Man könnte sagen: Das, was Star Wars für Filme ist, ist Metal Gear für Videospiele. Doch jede große Saga hat ein Ende und mit Metal Gear Solid 4 hat nun auch endlich Kojima sein Lebenswerk vollendet.

Vorneweg -- es ist ein gelungener Abschluss der Serie geworden mit einem fulminanten Finale. Nachdem der legendäre Krieger dank eines Virus' rapide gealtert ist, ist nicht mehr viel von seiner Jugend übrig -- und leider auch nicht mehr von seinem legendären Status. Stattdessen gehört er nun zu den Rheumakranken und das jahrelange Rauchen hat seiner Lunge auch nicht gut mitgespielt.


Snake sollte wirklich nicht mehr so fit sein - sein RL-Alter-Ego sieht schließlich auch schon ziemlich gebeutelt aus und muss bei Fernseh-Gerichtssendungen teilnehmen
...Zumindest in den Zwischensequenzen. Im Verlauf des richtigen Spiels merkt man Snake sein Alter nämlich, abgesehen davon, dass er sich sehr selten nach Sprüngen mal den Rücken hält, nichts an. Und das tut der Atmosphäre nicht gut, denn mit einem alten Supersoldaten zu spielen, der sich auch dementsprechend steuert, mag vielleicht nicht so reizvoll klingen, aber es widerspricht jeglicher Logik, dass Snake in allen Zwischensequenzen ein Vollkrüppel ist, aber im Spiel herumturnt wie zu seinen besten Zeiten. Und allgemein hat Kojima es mal wieder nicht so mit der Logik gehabt. Damit meine ich nicht das Universum des Spiels an sich, denn da gehört die Abgehobenheit dazu. Viel mehr gibt es gravierende Fehler im Storytelling, die einen einfach aus der virtuellen Welt reißen und zu einem *FACEPALM* führen.


"What are you buyin'?"
Ziemlich früh im Spiel trifft Snake auf einen Waffenhändler, der Drebin heißt und ihm erklärt, dass er sich ein paar Nanobots injizieren lassen muss, damit er sich Waffen kaufen kann. Also lässt sich Snake prompt eine Injektion verpassen - WTF? Hat der Alterungsprozess auch gleich mal Snakes Gehirn verkümmern lassen? Bei so einem dubiosen Angebot hätte ich ja damit gerechnet, dass ich kurz nach der Spritze am nächsten Morgen in einem vergammelten Hotelzimmer mit einer fetten Narbe in der Nierengegend aufwache.
Ein anderes Beispiel für die fehlende Logik findet sich später im Spiel, als Snake zusammen mit einem anderen Charakter nach einer atemberaubenden Flucht durch eine osteuropäische Innenstadt einen spektakulären Unfall baut und die Fahrerin des Motorrads an einem Zaun aufgespießt wird. Nach einem Bosskampf machen sich Snake und besagte Gefährtin, die offensichtlich, nachdem eine verdammte Metalstange durch ihren
Körper gedrückt wurde, schreckliche Schmerzen erleidet, weiter auf den Weg. Das Problem? Mangelnde Erste Hilfe. Denn statt das Snake ihr irgendwie hilft, sie verbindet oder ihr wenigstens sagt "Üb Druck auf die Wunde aus!" stützt er sie grade mal ein wenig beim Laufen ab. ARGH!

Die witzigste Szene in der ganzen MGS-Saga.
Weiter Punkte, die einem die Spielerfahrung etwas versauen, sind Kojimas Humor und Sexismus. Bei letzterem herscht einfach ein Overkill. Was zwar manchmal als Ablenkung ganz nett sein kann, aber vorallem bei einem "ernsten" Spiel wie Metal Gear Solid, das versucht eine wichtige Nachricht zu vermitteln, fehl am Platz ist. Hideo, wenn ich die ganze Zeit mit tiefen Ausschnitten und hautengen Kleidungsstücken konfrontiert werden will, dann spiele ich DoAX-2, danke.
Der Humor hingegen ist so eine Sache. Wer erinnert sich nicht gerne an die übercoole "Fission Mailed"-Sequenz oder die sinnfreien Codec-Anrufe des Colonels? Metal Gear Solid 4 kommt auch mit einigen witzigen Passagen auf, aber leider gibt es diesen einen Charakter, Akiba, der garnicht zum Rest des Spiels passt. Als Mitglied einer Eliteeinheit hat Akiba nie was Besseres zu tun als mit Verdauungsbeschwerden zu kämpfen. Was vielleicht bei der ersten Begegnung mit Akiba für Schmunzler sorgt, ist spätestens wenn einem eine der intensivsten Gameplaysequenzen dadurch vermiest wird, dass Akiba sich lautstark in die Hose scheißt, nur noch nervig. Am Ende gibt es zwar eine Erklärung, wieso er diese Probleme mit dem Magen hat, aber das hätte ihn nicht davon abhalten sollen ein paar Imodium A-D in die Tasche zu packen.

Hoffentlich wird der MGS-Film NICHT auf dem vierten Teil basieren.
Doch auch wenn ich bisher extrem kritisch gegenüber dem Spiel wirke, sind die aufgelisteten Dinge doch eigentlich nur Details. Sie stören zwar, aber ändern nichts daran, dass Metal Gear Solid 4 eine tolle Spielerfahrung bietet. Zehn bis zwölf Stunden Zwischensequenzen mögen zwar nach viel erscheinen, doch bei solch hoher Qualität stört das nicht. Denn immerhin hat man hier tatsächlich den Eindruck teilweise einen gut gemachten Hollywood-Film zu sehen, so detailverliebt und professionell kommen die Cutscenes daher. Da nehme ich's auch nicht übel, dass manche Zwischensequenz nicht in der In-Game-Engine abläuft sondern vorgerendert ist.

Ein besonders großes Lob muss ich dem Meister dafür aussprechen, dass er es schafft, mühelos alle alten Fäden aufzugreifen und auch wenn meine letzte Erfahrung im Metal Gear-Universum einige Jahre her ist, hatte ich doch keine Probleme der Story zu folgen. Das liegt vorallem daran, dass kleinere Flashbacks immer wieder als Erinnerungshilfe dienen. Und natürlich hat Kojima das Unmögliche geschafft und der Serie ein Ende verpasst, dass zum Einen in sich schlüssig ist und zum Anderen einfach befriedigt. Keine unnötigen Cliffhanger mehr, keine offenen Fragen - alle Charaktere kriegen das, was sie verdienen.

Da stört es dann auch nicht, dass die Gameplayformel sich nicht großartig verändert hat. Trotz des OctoCamo-Systems spielt sich MGS4 nämlich nicht viel anders als der dritte Teil. Eine wirklich innovative Anwendung des eigentlich genialen Chamäleon-Prinzips findet außerordentlich selten und das auch nur bei Steinstatuen statt. Da hätte man wahrlich mehr rausholen können.
Dafür sind die Bosskämpfe, wie immer, gewohnt packend. Für jeden Boss braucht man den nötigen Grips, um die richtige Strategie herauszufinden, bevor man ihm dann den Garaus machen kann. Und der letzte Kampf ist ein wirkliches Highlight, das perfekt insziniert wurde. Vor allem, da man dort viele Elemente aus früheren MGS-Teilen kombiniert, so dass ein toller Schlusspunkt gesetzt wird.

Metal Gear Solid 4 ist für mich das bisher beste Spiel des Jahres. Man kann kritisieren, so viel man will, am Ende bleibt doch ein stimmiges Gesamterlebnis. Aber gleichzeitig zeigt der Titel wunderbar, dass es mit Snake langsam reicht. Solid Snake gehört in Rente und ich hoffe Kojima hält wenigstens dieses Mal sein Wort und erschafft keinen weiteren Metal Gear-Titel. Nach mehr als 20 Jahren muss auch irgendwann Schluss sein und jetzt hat man die Möglichkeit einem der größten Videospielhelden aller Zeiten ein würdiges Ende zu setzen. Goodbye, Snake! Evil

Spiel wurde auf der Plattform getestet. Für den Test hat sich der Redakteur das Spiel selbst gekauft.

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