Sniper: Ghost Warrior 3 im Test

(Artikel)
Torsten Ingendoh, 23. Mai 2017

Sniper: Ghost Warrior 3 im Test

Eine Achterbahn der Qualität

Sniper sind Perfektionisten. Müssen sie auch sein, denn sie haben meistens nur einen Chance für ihren Schuss. Und alles muss stimmen: Wind, Distanz, Patrone – alles Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, damit die Kugel auch ihr Ziel findet und nicht irgendwo anders einschlägt. Sniper Ghost Warrior 3 möchte so ein Schuss werden, verfehlt aber das Ziel. In den Ofen geht der Schuss glücklicherweise nicht.

Sniper: Ghost Warrior 3 erzählt die Geschichte von zwei Brüdern im Militär, Jon und Robert North. Beide sind Scharfschützen und müssen einen Auftrag erfüllen. Das Tutorial führt sie in eine geheime Einrichtung in Osteuropa, die sie auskundschaften sollen. Bewacht wird sie von irgendwelchen Söldnern. Man schleicht ein wenig, man nutzt seine Drohne, um Gegner zu markieren, und dann wird das Scharfschützengewehr ausgepackt. Da man vom Spieler nicht jahrelanges Training erwarten kann, bekommt man viele Hilfen. Im Visier wird die Distanz zum Ziel angezeigt, damit man das Zielfernrohr auch richtig einstellen kann. Die Windverhältnisse hat das HUD auch für uns parat und wer den Atem anhält, der bekommt sogar einen hilfreichen Punkt angezeigt, wo die Kugel einschlagen wird. Das macht das Spiel vielleicht sogar etwas zu einfach, aber auf den höheren Schwierigkeitsgraden werden immer mehr Hilfen gestrichen. Ich habe auf dem zweithöchsten gespielt, da sieht man noch Distanz und Wind, aber der Punkt, wo man treffen wird, der fehlt hier.

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Danach darf einmal mit dem Sturmgewehr geballert werden, man findet ein paar Daten und gerade, als man flüchten will, tauchen plötzlich ganz viele Söldner auf und nehmen die Brüder fest. Also zumindest den jüngeren Bruder, Robert. Man selbst bekommt ordentlich eins auf die Fresse und wird liegen gelassen? Keine Ahnung, das Spiel springt einfach zwei Jahre weiter. Jon soll einen Separatistenaufstand in Georgien beenden und – was ein Zufall – in der Gegend wurde jemand gesichtet, der seinem Bruder ähnlich sieht. Und dann passiert halt Zeugs. Zeugs, das irgendwann dazu führt, dass ein maskierter Scharfschütze auftaucht. Ja, wer das wohl sein mag? Immerhin hält sich das Spiel nicht allzu lange mit dem Nicht-Mysterium auf und gibt offen zu, dass es Robert ist. Und dann wird's bescheuert. Die Sölder aus dem Intro gehören zu einer supergeheimen Ultra-Einheit und sie haben Robert mit Gehirnwäsche davon überzeugt, sich durch Gentherapie zum Supersoldaten umzüchten zu lassen. Zusätzlich haben Sie ihm noch eine High-Tech-Ausrüstung verpasst. Und er will, dass Jon denselben Mist durchmacht. Das ist der Moment, wo ich das letzte bisschen Interesse an der Story verloren habe. Was ist das für ein Unfug?

Größter Schwachpunkt ist ganz klar die Story. Die Dialoge sind grenzwertig, passend zum idiotischen Plot, und die Charaktere werden sehr schnell sehr nervig. Neben Jon sind die beiden Damen Lydia und Raquel ganz oben auf der Katastrophenliste. Erstere war wohl mal mit Jon zusammen, aber er hat sie sitzen gelassen. Zweitere sucht russische Wissenschaftler in der Region oder so. Lydia nervt, weil sie Jon jedes mal wissen lässt, wie sehr er ihr wehgetan hat. Raquel nervt, weil sie und Lydia sich jedes mal anzicken. Zudem lässt Lydia keine Luft zwischen Haut und ihre Kleidung, was irgendwie irritierend ist. Und in Raquels Ausschnitt kann man bergsteigen. Kurz gesagt: Die beiden sind ein wenig übertrieben sexy.

Sniper-Ghost-Warrior-3-lydiaEine Karriere im Stripclub dürfte für beide lukrativ sein.

Bleibt eigentlich nur noch das Gameplay, um das Spiel zu retten, und das ist auch die einzige Stärke. Also, es ist nicht überragend, aber es ist kompetent genug, um einen bei der Stange zu halten. Sniper: Ghost Warrior 3 behauptet, ein Open-World-Spiel zu sein, was nicht so ganz richtig ist. Zwar besteht die Spielwelt aus drei recht großen Arealen, in denen man sich mehr oder weniger frei bewegen kann, aber da man die Story-Missionen in einer vorgegebenen Reihenfolge erledigen muss, hat man doch nicht so viele Freiheiten, wie man es von einer Open World erwartet. Zudem sind Nebenmissionen eher spärlich gesät und tragen nicht viel bei. Man bekommt ein paar Materialen und Geld, die man dann in seinem Versteck für neue Ausrüstung ausgeben kann. Kann, aber nicht wirklich muss. Mit dem ersten Scharfschützengewehr kommt man eigentlich ziemlich weit, denn viele der Stats sind eher irrelevant, da man mit einem Kopfschuss fast alles tötet. Und wenn der Gegner einen Helm trägt, dann braucht man eh die panzerbrechende Munition. Auf der Werkbank kann man aus verschiedensten Materialien neue Patronen oder Fallen basteln... oder man kauft sich den Nachschub. Geldmangel hat man nämlich auch kaum.

Immerhin: Es macht schon Spaß, sich durch die Landschaft zu schleichen und die Wachen mit gezielten Kopfschüssen auszuschalten. Die KI ist jetzt auch nicht ganz die dümmste, man sollte schon aufpassen, dass keiner euren Kill sieht. Die Missionen selber sind auch relativ abwechslungsreich. Gut, meist geht es darum, ein bestimmtes Ziel zu erschießen, aber ich hatte bisher nicht das Gefühl, dass man dabei immer nach demselben Schema vorgehen muss. Mal kann man einfach alle Wachen nach und nach erschießen, mal ist es ratsamer, sich einen guten Aussichtspunkt zu suchen und von dort aus einen Schuss auf das Ziel zu wagen.

20170521175736_1Oder sie fangen in diesem Puff an. Warum ist hier ein Puff?

Und dann gibt es Missionen, die einfach nur fragwürdig sind. Es gilt, den einen Gangsterboss ausfindig zu machen, weil er eine wichtige Person als Geisel hält. Er befindet sich irgendwo in einem alten Tagbaukomplex, welcher als Basis für diese Kriminellen dient. Sie sind uns gegenüber neutral, also dulden sie unsere Anwesenheit. Als erstes muss man den Buchhalter befragen, vorher gibt es noch die Info, dass dieser bestechlich ist. Okay, wir geben ihm Geld und er redet, richtig? Falsch. Er möchte, dass man auf einen von zwei Faustkämpfern wettet. Ich wähle also einen aus und dann fängt eine viel zu lange Ingame-Sequenz an, in der man zuguckt, wie zwei NPCs versuchen sich die Fresse einzuschlagen. Ich bin nach gefühlt zwei Minuten dann auf irgendeine Taste gekommen und habe somit den Kampf übersprungen. Gut, meine Wette war richtig, also erzählt er uns, dass wir die Puffmutter im örtlichen Bordell fragen sollen, weil natürlich wird hier ein Puff betrieben, warum sonst sollte man zu diesem abgelegenen Ort fahren und sich in einem Containerstapel aufhalten.

Die Puffmutter ist business first, also dreht sie uns eine Nutte an. Wir lehnen bestimmt ab, dann knickt sie ein. Unser Ziel ist in einem alten Minenschaft. Gut, wir gehen hin und dann beginnt eine Sequenz, die mich bis heute verwirrt. Also: Der Boss ist ganz alleine mit seiner Geisel und hat einen Revolver in der Hand. Er selbst hat Informationen über Robert, die Geisel hat Informationen über die Separatisten. Also spielt er ein Spiel. Sein Revolver hat drei Kugeln in der Trommel und er versucht bei jedem Anwesenden einen Schuss. Erst auf die Geisel, kein Schuss. Dann auf euch, wieder kein Schuss. Dann auf sich, und Bäm, sein Kopf ist weg. Äh, coole Aktion, Bro. Und dann taucht Lydia auf und man erfährt, dass die Geisel ihr Großvater ist. Wat? Das kommt aus dem Nichts und es ändert irgendwie auch nichts. Und dann gehen wir einfach. WAS ZUM HENKER IST GERADE PASSIERT?

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Zur technischen Seite sollten vielleicht auch ein paar Worte gesagt werden. Das Spiel wird von der Cryengine betrieben und sieht an sich auch ziemlich gut aus. Es frisst nur so viel Performance, dass ich es ziemlich runter regeln musste, da die Framerate sonst gerne man auf 15 fällt. Das bringt unschöne Popups mit sich. Hinzu kommt noch, dass jedes mal, wenn man das Spiel startet oder das Gebiet wechselt, man erst mal auf einen ewig langen Ladebildschirm starrt. Wobei das in meinem Fall auch daran liegt, weil ich das Spiel auf einer Festplatte und nicht meiner SSD installiert habe.

Bugs tauchen hier und da auf, der schlimmste bisher ist, dass mir das Spiel sagt, ich könne Leichen wegtragen, aber es gibt nur leider keine Taste dafür. Ich finde in den Optionen auch keine. Und wenn man Häuserwände herunterklettert, dann steckt gerne mal die Kamera in der Wand und man kann durch die Geometrie hindurch schauen. Im Tutorial selber musste ich mehrmals den Checkpoint nachladen, weil Robert nicht mehr weitergelaufen ist, nachdem ich ins Menü wechselte, um an den Einstellungen zu feilen. Schon blöd, wenn man ihm folgen soll. Abstürze hatte ich auch zweimal erlebt, aber das ist noch vertretbar.

Ja, was soll ich sagen? Das Shooter-Genre hat CI-Games mit Sniper: Ghost Warrior 3 nicht wirklich bereichert. Insbesondere da man nicht um den direkten Vergleich mit Sniper Elite 4 herum kommt. Und da gewinnt die Konkurrenz von Rebellion haushoch. Sniper Elite 4 hat seine Formel gefunden, es weiß, was es ist, und vor allem: was es nicht ist. Dort ist die Story das Vehikel zum Snipen. Sniper: Ghost Warrior 3 will uns auch mit der Story überzeugen und zwingt sie uns an jeder Ecke auf. Doch die Story ist Mist und nicht sonderlich gut erzählt, wodurch sie zur reinen Zeitverschwendung verkommt. Ich will snipen, verdammt! Dazu noch eine Präsentation, die man reinen Gewissens als unbeeindruckend bezeichnen kann – fertig ist ein Shooter, der zwar funktioniert, aber an viel zu vielen Stellen nervig und unnötig erscheint. Sehr schade drum, ich hatte mir mehr davon erhofft.

Sniper Ghost Warrior 3 wurde auf dem PC getestet. Ein Testmuster wurde uns von CI Games zur Verfügung gestellt.

Sniper: Ghost Warrior 3

(Ranking)
C
RANK
Gut gemeint. C-Spiele haben ihre strahlenden Momente, aber in entscheidenden Situationen wird großes Potential verschenkt. Über keine anderen Spiele kann man sich so sehr ärgern.

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25. April 2017
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PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
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Plattform - Die Playstation 4 (PS4) von Sony ist eine Spielkonsole der 8. Generation. Sie erschien am 29. November 2013 europaweit als Nachfolger der Playstation 3.
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