Battlefield 1 im Test

(Artikel)
Torsten Ingendoh, 26. Oktober 2016

Battlefield 1 im Test

Große Schlachten im großen Krieg

Moderne Kriege sind mittlerweile ausgelutschter als der Stiel eines Chupa Chups. Das haben die beiden Shootergrößen Call of Duty und Battlefield bereits erkannt. Und während erstere Serie zu den Sternen greift, bleibt letztere sehr bodenständig und besinnt sich auf die Anfänge zurück. Weltkrieg. Den ersten Weltkrieg, um genau zu sein. Das sorgte im Vorfeld für einiges an Gesprächsstoff: Darf man den ersten Weltkrieg zur Unterhaltung verwenden? Wie die vierte Staffel von Blackadder damals schon bewiesen hat: Ja, darf man. Und DICE macht hier auch alles richtig, denn der Umgang mit der Thematik ist von Respekt geprägt. Man kann es nicht anders sagen: Dieser Krieg war eine einzige große Tragödie, die sich hoffentlich nie wiederholt. Battlefield 1 macht unmissverständlich klar, dass es derselben Meinung ist.

BF1_1Gas, Matsch, Blut und Tod.

Das fängt schon an, wenn man das Spiel zum ersten Mal startet. Ein weißer Text auf schwarzem Hintergrund informiert den Spieler über den ersten Weltkrieg, welcher vor 100 Jahren stattgefunden hat, und dass man mal gleich für die Harlem Hellfighters in die Schlacht zieht. Der wohl wichtigste Satz dieses Intros: You weren't expected to survive. Man hat nicht von euch erwartet, dass man das überlebt. Und so spielt sich diese Mission auch. Man soll die Stellung gegen die deutsche Armee halten, doch es kommen immer mehr Soldaten auf euch zu. Das Schlachtfeld ist von Verwüstung und Matsch geprägt. Kurz gesagt: der letzte Ort, an dem man sich aufhalten will.

Dieses Massaker könnt ihr nicht überleben und werdet ihr auch nicht. Es geht erst weiter, wenn ihr ins Gras gebissen habt. Eine kurze Texteinblendung gibt eurem Soldaten einen Namen, Geburtsjahr und Todesjahr. Dann der Wechsel zum nächsten Soldaten. Eine Kirche soll gehalten werden. Auch das endet mit eurem Tod. Nächster Soldat. Als Schütze eines Panzers bahnt ihr euch einen Weg zur Front. Dort beendet ein Panzerabwehrgeschütz euren Vorstoß. Nächster Soldat. Gasgranaten schlagen auf und nur die Gasmaske hält euch am Leben, während ihr die Front vergeblich zu halten versucht. Letzer Soldat. Ihr versucht zu retten, was zu retten ist, doch ein deutscher Soldat schlägt euch zu Boden. Als er euch den Todesstoß versetzen will, schlagen überall Artilleriegeschosse ein. Alles stirbt nur euer Soldat und ein Deutscher überleben. Erst treibt beide das Pflichtbewusstsein an, bereit sich gegenseitig zu erschießen. Doch als ihnen klar wurde, dass sie mitten in einem Massengrab stehen, senken sie ihre Waffen. Eine weitere Leiche hier würde keinen Unterschied machen. Die Message ist klar: Der erste Weltkrieg war alles andere als schön, eine Glorifizierung des Themas geschieht zu keinem Zeitpunkt.

Ich bin positiv überrascht vom Singleplayer. Die letzten Versuche waren da ja eher peinlich, doch diesmal ist was Spielenswertes dabei herumgekommen. Eine durchgehende Kampagne gibt es dabei nicht, stattdessen bekommt man sechs War Stories präsentiert, die alle verschiedene Schauplätze und Aspekte des Krieges behandeln. Eine dieser Stories ist die eben erwähnte Intromission. In einer weiteren schlüpft man in die Rolle eines britischen Panzerfahrers, der mit einem Mark V Landship die deutsche Verteidigungslinie in Frankreich durchbrechen soll. Eine weitere befasst sich mit einem Piloten des Royal Flying Corps in Luftschlachten über Deutschland. Die vierte handelt von einem australischen Scharfschützen, der im Dienste der britischen Armee als Runner Informationen vom Hauptquartier zur Front und zurück trägt. Am interessantesten ist die wohl Story rund um eine Beduinenkämpferin, die Lawrence von Arabien gegen den Panzerzug des Osmanischen Reiches hilft.

BF1_2Beim Respawnen wird die laufende Schlacht fürs Menü verwendet.

Fast schon lächerlich ist die Story des italienischen Soldaten, der mit Rüstung und MG bewaffnet quasi im Alleingang die österreich-ungarische Armee von einem Hügel vertreibt. Das Internet hat diese Mission schon liebevoll die "Space Marine"-Mission getauft. Dafür hat mir der Rahmen der Geschichte gefallen. Besagter Soldat erzählt der Tochter seiner amerikanischen Frau von seinem Bruder, welcher in einer anderen Einheit gedient hat. So braucht man weder Italienischkenntnisse noch Untertitel, um zu verstehen, was von einem verlangt wird. Auch hier ist wieder der respektvolle Umgang mit dem Thema hervorzuheben. Das Ende der Mission weiß zu berühren.

Ich liebe Battlefield, habe aber schon seit Jahren einen großen Kritikpunkt an dem Multiplayer: Je mehr Spieler auf dem Server sind, desto eher gehen die Schlachten in einem großen Durcheinander unter. Ein Grund, warum ich die 64-Spieler-Server immer gemieden habe. Battlefield 1 fällt in dieselbe Falle hinein, doch diesmal ist es irgendwie anders. Denn das Setting macht diese Schlachten übersichtlicher, man glaubt es kaum. Zum großen Teil dürfte es daran liegen, dass weitaus weniger schnelle, wendige Panzer über das Schlachtfeld pesen, die einen mal eben zerlegen. Zum anderen hilft es auch, dass die Waffen nicht so viele Kämpfe über große Distanzen erlauben. Und irgendwie passt es auch zum ersten Weltkrieg, dass eine Schlacht zum Wirrwarr ausartet.

BF1_5Man kann auch mit dem Bayonett voran auf die Gegner zustürmen

An Spielmodi wird größtenteils Altbekanntes geboten. Conquest ist natürlich wieder mit dabei, ebenso Rush, Domination und Team Deathmatch. Conquest hat eine interessante Neuerung erhalten, welche die Schlachten etwas ausgeglichener machen soll_ Wenn eine Seite sehr stark am verlieren ist, wird sie von einer Superwaffe unterstützt. Je nach Map ist dies entweder ein Schlachtschiff, ein Panzerzug oder ein Kriegszeppelin. Das gegnerische Team wäre gut beraten, das Feuer auf diese Superwaffen zu konzentrieren, da sie das Schlachtfeld sonst mit Tod und Zerstörung überziehen.

Als neuen Modus gibt es da zum einen "Kriegstauben". Dieser infanteriebasierte Modus verlangt von euch, dass ihr auf dem Schlachtfeld eine Taube findet und den Spieler mit der Taube lange genug beschützt, bis dieser den Befehl für einen Artillerieschlag fertig geschrieben hat. Steht der Spieler still, schreibt er schneller. Ist die Nachricht fertig, muss die Taube dann freigelassen werden, was aber nicht in Gebäuden geht. Das Team, welches als erstes drei Tauben losgeschickt hat, hat gewonnen. Ist eine witzige Alternative zum klassischen Team Deathmatch.

Mein absoluter neuer Lieblingsmodus ist aber definitiv Operations. Und definitiv der längste von allen. Hier wird quasi eine ganze Offensive simuliert, welche sich über zwei, manchmal drei Karten erstreckt. Eine Armee muss angreifen, die andere verteidigen. Es spielt sich dabei wie eine Mischung aus Conquest und Rush. Die Karten sind in verschiedene Sektoren unterteilt. Um einen Sektor einzunehmen, müssen alle Punkte im Sektor eingenommen und gehalten werden. Ist das geschehen, werden alle Verteidiger im Sektor aufgedeckt und müssen getötet werden. Erst dann kann man den nächsten Sektor angreifen. Haben die Angreifer alle Sektoren eingenommen, geht es auf der zweiten Karte weiter. Verlieren die Angreifer in einem Sektor, ist die Schlacht aber noch nicht vorbei. Sie dürfen den Sektor noch mal versuchen, erhalten aber eine der Superwaffen zur Unterstützung. Selbiges gilt für die Verteidiger, wenn sie überrannt werden. Ein ganzes Match kann hier durchaus über eine Stunde dauern. Hierbei kommt aber die Schlachtfeldatmosphäre am besten rüber.


Was die Waffen angeht, hat DICE sich ein paar Freiheiten erlaubt. Im ersten Weltkrieg wurden vor allem Repetiergewehre verwendet, in Battlefield 1 kommen vorrangig Automatikgewehre wie Maschinenpistole, Maschinengewehre und Selbstladergewehre zum Einsatz. Die Repetiergewehre bekommen nur die Scharfschützen in die Hand gedrückt. Ich kann verstehen, warum man sich dazu entschieden hat, denn sonst wäre das Balancing sehr schwer geworden. Zu den vier Standardklassen gesellen sich diesmal aber auch drei Sonderklassen für alle, die in einem Fahrzeug als Fahrer spawnen. Und zu guter Letzt können auf dem Schlachtfeld auch eine von drei Eliteklassen spawnen. Die Sentry-Klasse stampft in schwerer Panzerung und mit einem schweren Maschinengewehr bewaffnet langsam über das Schlachtfeld, der Flametrooper steckt mit seinem Flammenwerfer alles in Brand und der Tankjäger darf mit einem großen Gewehr auf Panzerjagd gehen. Der richtige Einsatz dieser Klassen kann durchaus die Schlacht drehen, haltet sie daher immer schön am Leben.

BF1_4Wäre hier kein Krieg, wäre das ein schönes Urlaubsziel.

Ich bin sehr zufrieden mit Battlefield 1. Nicht nur, dass es endlich mal wieder seit Bad Company 2 einen guten Singleplayer gibt, auch der Multiplayer überzeugt wieder durch seine großen, flotten Schlachten. Der erste Weltkrieg funktioniert als Setting sehr gut, vor allem da der Umgang mit der Thematik erstaunlich respektvoll geschieht und auch Facetten außerhalb der Gräben zeigt. Einzig schade finde ich es, dass es keine War Story aus Sicht der Deutschen gibt. Ich werde sicherlich wieder unzählige Stunden in dem Multiplayer versenken und noch viele Kopfschüsse mit meinem Scharfschützengewehr verteilen. EA eröffnet die Shootersaison 2016 bombastisch und eindrucksvoll. Activision, ihr seid dran.

Battlefield 1 wurde auf dem PC getestet. Ein Testmuster wurde uns von EA zur Verfügung gestellt.

Battlefield 1

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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