Mafia III im Test

(Artikel)
Vivian R., 18. Oktober 2016

Mafia III im Test

Stets bemüht

Wenn im Zeugnis steht "Vivi war immer stets bemüht", heißt das normalerweise: "Sie hatte sich angestrengt, geschafft hat sie es dann aber nicht, das arme Kind." Müsste ich Mafia III ein Zeugnis ausstellen, gäb's nicht nur ein "stets bemüht". Aber seht selbst.

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Erzählen: 1
Lincoln Clay hat zwar gerade erst vier Jahre Vietnam-Krieg hinter sich, ausruhen darf sich der gute Mann dennoch nicht. Kaum den Seesack in die Ecke gefeuert, startet er schon einen Rachefeldzug gegen die hiesige Italo-Mafia von New Bordeaux. Wie es dazu kam, an wem und weswegen der sympathische Ex-Soldat Lincoln Rache nimmt, lasse ich hier mal offen. Der Anfang von Mafia III ist definitiv die erzählerische Stärke des Spiels und hat mich vor dem Monitor gefesselt.

So viel: Um vernünftig Rache zu üben, brauchen wir zwei Dinge: Geld und Männer. Um die Stadt unter unsere Fittiche zu bekommen, schließen wir uns daher mit einigen Leuten zusammen – den Italienern, den Haitianern und den Iren. Eine explosive Mischung; Flöhe hüten ist da gar nichts gegen, da sich unsere drei Unterbosse, wenn wir sie erst mal unter uns versammelt haben, ständig an die Gurgel gehen.

Durch das Zuweisen von eroberten Gebieten sichern wir uns ihre Loyalität – dabei ist uns freigestellt, ob wir lieber die Voodoo-Königin Cassandra, den Automechaniker Burke oder unseren alten Freund Vito Scaletta bevorzugen. Je nachdem schalten wir unterschiedliche Boni und Waffen frei.

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Projektarbeit: Meucheln: 3-
Um die einzelnen Gebiete aber erst einmal zu erobern, knüppeln wir uns durch die Reihen von feindlichen Unterbossen und einem Haufen Kleinkrimineller. Durch das Plündern und Zerstören von Waren, das Töten von Zielen oder unsanfte Befragung locken wir die Unterbosse und irgendwann deren Capos aus ihrem Versteck. Dabei können wir uns dafür entscheiden, ob wir deren Gebiete übernehmen, indem wir sie töten oder sie für uns arbeiten lassen.

Das Erobern der Gebiete macht in Mafia III den größten Teil des Spiels aus und sollte demnach irgendwie auch am spannendsten sein. Leider... nein. Nach dem fulminanten Start trudelt hier das erste "stets bemüht" ein: die Mitte von Mafia III ist eher mittelmäßig. Das Schema beim Erobern der Gebiete ist stets dasselbe, auch wenn uns die kurzen Cutscenes zwischendrin eine Art großen ausgeklügelten Plan vorgaukeln wollen. Sie bieten fadenscheinige und schnell zu durchschauende Begründungen, warum wir uns erst durch die komplette Befehlskette ballern müssen, um an den Oberheini zu kommen. Weil der nie sein Hotel verlässt. Weil er nie in den Fleischereien auftaucht. Gähn.

Schleicho

Denn die einzelnen Quests laufen immer gleich ab: A) Triff die Kontaktperson. B) Gehe zu den von ihr/ihm genannten Plätzen. C) Schieße oder schleiche dich zu deinem Ziel (töten/kaputt hauen/befragen). D) Rinse and Repeat. Dabei müssen wir nicht jede einzelne kleine Mission machen, sondern haben die Wahl, an welchen Orten wir Krawall machen. Der einzige Zwang ist, genug Schaden anzurichten, zum Beispiel indem wir Geld klauen oder Waren zerschießen. Trotzdem besuchen wir oft genug einen Ort zweimal, weil der herausgelockte Boss den Spruch mit dem gebrannten Kind wohl nicht kannte und fröhlich durch die Flure latscht, an denen wir erst fünf Minuten zuvor zwei Dutzend seiner Leute umgehauen haben.

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Im Gegensatz dazu steht das Kampfsystem, was um einiges geschmeidiger ist als noch im Vorgänger. In Mafia III macht Schießen einfach Laune, besonders wenn wir unsere Waffenwerte - wie Zielgenauigkeit - erhöht haben. Schade nur, dass sich Mafia III anscheinend etwas bei Shadow of Mordor abgeguckt hat und die Leute, die wir überfallen, jetzt Boten ausschicken, damit diese Verstärkung rufen. An sich eine nette Idee, leider verführt uns das zum ständigen Schleichen, was auf die Dauer eher lästig ist.

Sozialverhalten: 5
Denn schleichen ist viel einfacher als schießen. Das liegt zum einen daran, dass wir wenig aushalten – was mir sehr gut gefällt –, zum anderen an der strunzdummen KI. Die ist so dermaßen blöd, dass ich kaum glauben kann, ein Spiel von 2016 auf meinem PC zu haben. Durch Pfiffe locken wir einzelne Gegner zu uns, was beim Schleichen natürlich top ist. Nun würde aber jeder Idiot um eine dunkle Häuserecke, von der komische Geräusche kommen, einen weiten Bogen schlagen – nicht so die KI in Mafia III: Ganz gemütlich schalten wir einen nach dem anderen der schwerbewaffneten Wachen aus, bis sich die Leichen buchstäblich hinter uns stapeln.

KIJa, die sind alle nacheinander die Treppe hochgewackelt.

Auch die Leichen ihrer Kumpels scheinen die Mafiosis nicht davon abzuschrecken, zur genau gleichen Stelle zu gehen, um dann von uns eins mit dem Messer abzubekommen. Selbst wenn die Gegner uns sehen, latschen sie uns mitten ins Ziel, schießen minutenlang auf Steinpfeiler oder gehen ganz gemütlich über einen weiten Platz, wo wir sie dann wie die Moorhühner abknallen können. Vielleicht soll das auch Gesellschaftskritik sein und die Mafiosi sind mit Absicht nicht die al dentesten Spaghettis im Topf. Kinder: Geht fleißig in die Schule, da lernt ihr die Grundzüge logischen Denkens und gebraucht euer Gehirn für was anderes als als Wanddeko.

WiPo: 1+
Auch abseits von Mafiosi, die doof wie zehn Meter Feldweg sind, ist Gesellschaftskritik ein großes Thema von Mafia III, obwohl es die sehr subtil und damit umso kräftiger rüberbringt. Mafia III spielt in einem angenäherten New Orleans in Louisiana. Das heißt: bunte Halsketten von den Mardi-Gras-Feten auf der Straße, beißende Krokodile im Wasser und jede Menge französisches Patois in den Mündern der Minderheiten. Und... andere bunte Worte für diese Minderheiten auf den Lippen der weißen Bevölkerung.

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Unser Protagonist Lincoln Clay ist schwarz und lebt 1968 in Zeiten einer noch immer aktiven Segregation. Die meiste Zeit, die wir uns in den Straßen New Bordeauxs bewegen, bekommen wir das nur wenig mit. Aber dann passiert es eben doch, dass wir irgendwo stehen, auf ein Auto warten, und eine Frau an uns vorbei geht und ihre Handtasche plötzlich beschützend an sich zieht.

Oder wir betreten nichtsahnend einen Laden und bekommen die Warnung, wir dürften hier nicht sein. Gegner? Denken wir, denn solche Warnungen kennen wir nur von von Mafiosi besetzten Gebieten. Nein, wir haben nur leider das Schild draußen vor der Tür nicht gesehen, auf dem "No Colored" steht. Nett.

Das hat mich tief bewegt und gleichzeitig scheiß-wütend gemacht, weswegen dann meistens der Fäuste schwenkende Ladenbesitzer eine Kopfnuss bekam und ich die Kasse ausgeräumt habe – was auch wiederum genau dem Klischee des raubenden Hoodie-Schwarzen entspricht. Rassisten boxen und sich trotzdem doof fühlen... Heikel und überhaupt nicht angenehm.

Segregation

Erdkunde: 2+
Auch die mehr oder weniger freundlichen Reaktionen unserer Mitbürger zeigen, wie sehr New Bordeaux vor Lebendigkeit strahlt. Die Stadt ist stimmungsvoll inszeniert und fühlt sich von Stadtteil zu Stadtteil immer etwas anders an: Das Viertel der Haitianer im Bayou erweckt ganz andere Assoziationen – und andere Reaktionen, denn hier werden wir ständig freundlich gegrüßt – als der glitzernd-glamouröse Charme zwischen Theatern und Hochhäusern der Innenstadt.

Durch die Stadt zu fahren, macht also nicht nur wegen der gelungenen Fahrphysik – was anderes hätte ich aber auch nicht erwartet von einem Mafia-Spiel – mächtig Laune. Das nächste "stets bemüht" steht an: Richtig blöd ist halt, dass die Stadt von Mafia III voll ist von Collectibles. Playboy-Cover, Pin-Up-Bildchen, Schallplatten – sind zwar optional, trotzdem ärgere ich mich darüber.

So semi-optional sind aber Elektromodule, die wir sammeln müssen, um eine ausführliche taktische Minimap zu bekommen, auf der die Gegner in der Umgebung angezeigt werden. Dafür müssen wir in jedem Gebiet Elektrokästen verkabeln. Der Elektrokram wird aber wiederum nur angezeigt, wenn wir Elektrokästen verkabeln und so weiter und so fort. So schön ist die Welt von New Bordeaux dann doch nicht, dass ich mich stundenlang mit blöder Sammelei beschäftigen will.

Karte

Fazit
So. Elterngespräch.
Mafia III, dein Anfang ist genial, umfasst aber nur ein paar Spielstunden. Danach folgt ein Geschieße (und Geschleiche) auf das nächste, was auf Dauer öde und unmotivierend ist. Deine lebendige Stadt, das launige Kampfsystem und die Inszenierung der Geschichte durch den Dokumentarstil ist durchweg gelungen, hier kriegst du eine glatte 1 mit Sternchen und Herzen. Dagegen steht aber der schwache Mittelteil, die belämmerte KI und die Flut an Collectibles, die mich schon aus Prinzip wütend machen. Im Grunde wünschte ich, du hättest dir mehr Ruhe genommen, um mir eine Geschichte zu erzählen, ohne mich mit abendfüllenden, immer gleichen Missionen durch New Bordeaux zu schicken. Früher hat mich Mafia durch den eigenen Charme fasziniert, jetzt guckt es mir zu oft bei Watch Dogs und Shadow of Mordor ab und kopiert dabei leider viele Fehler.

Mafia III wurde auf dem PC (Windows 10 64-bit, 8 GByte RAM, AMD FX-8150, AMD Radeon RX 470 8GB) getestet. Ein Testmuster wurde uns von Take 2 Interactive zur Verfügung gestellt.

Mafia III

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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18. April 2024 um 05:02 Uhr
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Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

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Spiele des Artikels

RELEASE
07. Oktober 2016
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