Odin Sphere Leifthrasir im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 30. Juni 2016

Odin Sphere Leifthrasir im Test

Ein wunderschönes Märchen

Wenn es um Neuauflagen von Spielen geht, scheinen nur zwei Extreme zu existieren. Entweder man hat es mit einem "HD Remaster" zu tun, einem lieblosen Cashgrab, bei dem die Texturen vielleicht eine etwas höhere Auflösung haben und das schon das Höchste der Gefühle ist. Oder die Entwickler haben viel Liebe reingesteckt und man kriegt ein Spiel, das nicht nur richtig für die Zielplattform optimiert ist, sondern auch noch nur so strotzt vor neuen Features. Zum Glück fällt Odin Sphere Leifthrasir in die zweite Kategorie.

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Um es uns nochmal in Erinnerung zu rufen: Odin Sphere ist ein Action-RPG für die PS2, welches im Jahr 2008 erschienen ist, also zu einem Zeitpunkt, an dem die PS3 längst ihr Debüt gefeiert hatte. Kein Wunder also, dass viele Leute den Titel verpasst haben dürften. Und das ist schade, galt Odin Sphere nicht nur als sehr kompetenter Vertreter seines Genres, sondern konnte auch mit einer Grafik aufwarten, die es zu einem der hübschesten PS2-Titel und vielleicht sogar einem der hübschesten Spiele überhaupt machte. Leifthrasir erscheint nun für PS4, PS Vita und sogar die PS3, wobei es zwischen den Plattfomen keine markanten Unterschiede gibt. Im Vergleich zum Original wurde aber ordentlich gewerkelt. Nicht nur, dass die Grafik handwerklich überarbeitet wurde - das gesamte Kampfsystem wurde umgebaut, um es einerseits einsteigerfreundlicher zu machen, aber andererseits auch um mit einer Vielzahl an neuen Skills mehr Möglichkeiten für Profis des Genres zu bieten. Auch ein paar neue Spielmodi, wie ein New Game Plus und eine Vielzahl kleinerer Änderungen, haben es ins Remake geschafft.

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Auch bei Odin Sphere Leifthrasir ist die Grafik das, was einem als erstes ins Auge sticht. Odin Sphere war ein Spiel von fast unübertroffener Ästhetik und auch das Remake wird diesem Anspruch gerecht. George Kamitani, der wohl vor allem für seine Arbeit an Dragon’s Crown bekannt sein dürfte, macht mit seinem einzigartigen Stil Odin Sphere zu einem Kunstwerk. Hochdetaillierte Charaktersprites, butterweiche Animationen und aufwändige, handgezeichnete Hintergründe geben einem schon fast das Gefühl, hier Fuß in ein lebendig gewordenes Märchen zu setzen. Ich kenne kein 2D-Spiel, welches besser aussieht.

Doch nicht nur der Look ist märchenhaft, auch die Geschichte, die von nordischer Mythologie ganz sanft inspiriert ist, weist hier durchaus Parallelen auf. So haben wir zum Beispiel die Walküre Gwendolyn, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ihren Vater, den Dämonenkönig Odin, stolz zu machen – und die diesen dann ausgerechnet wegen der großen Liebe enttäuschen muss. Oder die junge und unerfahrene Elfenprinzessin Mercedes, die, nachdem ihre Mutter im Kampf gegen den Dämonenkönig fällt, plötzlich nicht nur die Königin der Elfen wird und ihr Land im Krieg verteidigen muss, sondern sich auch noch eines internen Putschversuchs erwehren darf.

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Insgesamt schlüpft ihr in die Haut von fünf Charakteren, die alle eine eigene Geschichte haben. Allerdings gibt es auch einen übergreifenden Plot, der von einem großen Krieg erzählt und dem Kampf um ein antikes Artefakt, den Kristallisationskessel, welcher den Konflikt entscheiden kann. Durch diese Verwebungen kreuzen sich auch die Pfade der Figuren mehrmals: manchmal als Freunde, manchmal als Feinde. Mit ansteigendem Spielfortschritt kriegt ihr auf manche Situationen einen zweiten oder dritten Blickwinkel, der vorher Unbekanntes aufdeckt. Diese Art der Storystruktur erlaubt es durchgehend die Spannung in der Erzählung aufrecht zu erhalten, vor allem weil auch der gesamte Plot spannend ist. Man bleibt hier weit fern von den JRPG-Klischees, um eine schöne Geschichte von Liebe und Verrat zu erzählen.

Das Spielerische erinnert auf den ersten Blick an Metroidvanias. Denn auch bei Odin Sphere dürft ihr in Gebieten erforschen, kommt manchmal nur mit der richtigen Fertigkeit weiter oder entdeckt geheime Nischen mit besonderen Gegenständen. Allerdings hat Odin Sphere eine sehr rigide Levelstruktur und in dieser sind die Gebiete als eng bemessene Räume verknüpft, wodurch schnell klar wird, dass man hier nicht die Freiheit hat, die ein Metroidvania auszeichnet. Ein passender Vergleich wäre wohl, dass man hier ein typisches 3D-Actonspiel wie Ninja Gaiden oder Bayonetta bekommt – nur eben im zweidimensionalen Gewand. Gerade das Kampfsystem macht das deutlich. Ihr schleudert und jongliert Gegner in der Luft, startet waghalsige Ausweichmanöver und verbindet ein großes Arsenal an Spezialangriffen zu spektakulären Kombos. Dafür werdet ihr auch vom Spiel bewertet. Je höher euer Rang für einen Spielabschnitt, desto besser die Belohnung.

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Auch wenn das Spiel einen starken Fokus auf das Kämpfen legt, gibt es auch einige Elemente abseits, die die Rollenspielnatur festigen. So findet ihr ein ziemlich interessantes Crafting-System, in dem ihr Tränke brauen könnt aus Ressourcen, die ihr beim Erforschen so aufschnappt. Manchmal seht ihr nämlich Wurzeln aus dem Boden ragen, die ihr dann herausprügeln könnt. So mixt ihr euch dann zum Beispiel einen Trank, der freundlich gesinnte Feuergeister beschwört, oder eine Potion, mit der ihr einen mächtigen Wirbelsturm auf eure Feinde loslasst. Es sind kleine Spielereien, die aber das Spielgeschehen gekonnt auflockern.

Was den ansonsten großartigen Eindruck aber trübt, ist die Struktur des Spiels. Denn jeder Held fängt bei Level 1 an, viele Spielgebiete und sogar Bosskämpfe sieht man mehrmals. Und so tiefgründig, wie das Kampfsystem ist mit all seinen Möglichkeiten, sind doch viele Kämpfe im Verlauf eher Routine. Eine gewisse Repetition stellt sich ein und Teile des Spiels fühlen sich darum eher wie Lückenfüller an. Zwar sorgen die Helden mit ihren individuellen Kampfstilen und Fähigkeiten für etwas Abwechslung, aber das kann dieses große Manko nur bis zu einem gewissen Punkt abschwächen. Eine leichte Straffung der Spielstruktur hätte hier Wunder getan.

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Odin Sphere Leifthrasir ist ein meisterhaftes Remake, welches ein schon wunderbares Action-RPG noch mal sinnvoll verbessert und auf eine neue Stufe hebt. Die komplexe und tief verwobene Geschichte mit ihren fünf spielbaren Charakteren reißt richtig mit und die Grafik ist eine absolute Augenweide. Odin Sphere Leifthrasir ist ein Paradebeispiel für zeitlose Grafik. Dieses Spiel wird auch noch in 50 Jahren hübsch anzusehen sein. Schade nur, dass das sonst so gute Kampfsystem leider zu oft in wiederholungsanfälligen Kämpfen etwas verbraucht wird. Dennoch, egal ob man Odin Sphere damals gespielt hat oder nicht: Dieses Remake ist eines der absoluten Must-haves dieses Jahr für JRPG-Fans. Haris

Odin Sphere Leifthrasir wurde auf der PS Vita getestet. Ein Testmuster wurde uns von NIS America zur Verfügung gestellt.

Odin Sphere Leifthrasir

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

Kommentare

Heiler
22. Juli 2016 um 14:23 Uhr (#1)
Sehr schöner Test Haris.

Ich quälte mich seinerzeit
durch die PS2 Version des Spiels,
für die ich dank des extrem drögen Kampfsystems über 1 Jahr brauchte um diesen Schinken hier durchzuspielen.

Nun da man Angriffe ordentlich verketten kann
und auch ne weit größere Zahl an verschiedenen Attacken/Zaubern/passiven Attributen hat,
scheint das Spiel sein recht großes Potenzial auch endlich vernünftig nutzen zu können.

Und allein schon wegen des "Pilzbosses"
lohnt es sich beinahe das Spiel
erneut zu kaufen *lacht*
Haris
22. Juli 2016 um 23:15 Uhr (#2)
Gepriesen vom legendären Heiler. Mein Leben ist perfekt!
Heiler
22. Juli 2016 um 23:56 Uhr (#3)
Hohohoho... dieser Tag musste irgendwann kommen, ich beobachte dich schon seit geraumer Zeit Haris, bitte höre in Zukunft auf deine Vorhänge im Badezimmer zu schließen, das ist schließlich eine meiner wenigen Freuden im Leben. ^_^
Rian
23. Juli 2016 um 00:48 Uhr (#4)
Wirst du mir etwa abtrünnig?!
Heiler
23. Juli 2016 um 13:39 Uhr (#5)
Nicht wenn du Salt and Sanctuary testest. *lacht*
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