Fire Emblem Fates: Herrschaft im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 08. Juni 2016

Fire Emblem Fates: Herrschaft im Test

Im Krieg für den grausamen Herrscher

Fire Emblem: Awakening markierte den wohl bedeutendsten Einschnitt in der Geschichte von Nintendos traditionsreicher SRPG-Reihe. Der japanische Konsolenhersteller war nämlich kurz davor, die Serie aufzugeben und Awakening sollte die letzte Chance markieren, die Spielereihe doch noch zu retten. Die Entwickler gingen einige Risiken ein, zum Beispiel indem sie das Spiel einsteigerfreundlicher gestalteten, und ließen es auf die Welt los.

Und dann wurde es zu so einem massiven Verkaufsschlager, dass wir nun gleich drei Fire-Emblem-Spiele kriegen! Vermächtnis und Herrschaft erzählen die Geschichte eines Krieges zwischen zwei Familien, wobei jede Spielvariante jeweils die Perspektive einer dieser Familien erzählt. Am 6. Juni erscheint außerdem Offenbarung, welches einen dritten Blickwinkel auf den Konflikt wirft und erst nach den ersten beiden Spielen genossen werden sollte.

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Herrschaft, Vermächtnis oder Offenbarung? Klickt hier für den Vergleich!
Ihr seid euch noch unsicher, welche Fire-Emblem-Version ihr euch holen sollt? Wir haben den Vergleich, zeigen die Unterschiede und erklären euch, was es mit dem dritten Fates-Spiel, Offenbarung auf sich hat.
Der Storypfad ist bei allen drei Titeln anfangs der gleiche. Ihr schlüpft in die Rolle von Hauptfigur Corrin, die sowohl männlich als auch weiblich sein kann. Euer Charakter lebt schon seit frühester Kindheit bei den Nohr, einer Königsfamilie, die in einem langjährigen Konflikt mit einer anderen Familie, den Hoshido, steckt. Die Nohr sehen euch als einen von ihnen, aber schnell stellt sich heraus, dass ihr eigentlich ein Kind der Hoshido seid, welches nur von den Nohr entführt wurde. Da der Konflikt zwischen diesen Familien bitter und brutal ist, wird euch schnell eine Entscheidung abverlangt. Folgt ihr den Nohr, auch wenn sie nicht eure wahre Familie sind, denn immerhin seid ihr bei ihnen aufgewachsen? Kehrt ihr zurück zu eurer leiblichen Familie, den Hoshido? Oder geht ihr euren ganz eigenen Weg?

Auf der dunklen Seite der Macht
Um Herrschaft zu spielen, muss man sich für Nohr entscheiden, was für mich eine der schwersten Entscheidungen war, die ich je in einem Spiel treffen musste. Denn so, wie die Nohr in den ersten Spielstunden gezeichnet werden, fällt es schwer, sich ihnen mit gutem Gewissen anzuschließen. Auch wenn eure Adoptivgeschwister als solche sympathisch sind, werden die Nohr als offensichtliche Aggressoren in diesem Konflikt dargestellt, geführt von König Garon. Dieser kennt weder Freund noch Feind, zeigt keine Gnade und hat zu dem Zeitpunkt, als ihr euch für seine Seite entscheidet, schon ein fehlgeschlagenes Attentat auf Corrin auf seiner Kappe.

Corrin hingegen ist von tiefster Naivität und starkem Optimismus geprägt. Er weiß, dass sein Stiefvater kein guter Mensch ist, beugt sich aber dennoch immer wieder seinem Willen, weil er hofft, ihm irgendwann zeigen zu können, dass es auch friedliche Alternativen gibt. Es läuft alles auf ein sehr offensichtliches Schwarz-Weiß hinaus, in dem die Nohr die Bösen und die Hoshido die Guten sind. Aber natürlich gewinnt das Spiel mit der Zeit an Tiefe und nicht alles ist so, wie es scheint.

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Zum Glück belohnt euch die Geschichte dafür, dass ihr am Anfang diesen schweren Brocken verdaut. Wo die Spielerfahrung bei Awakening nach einm gutem Anfang von einem lahmen und vorhersehbaren Plot getrübt wurde, fesselt Herrschaft richtig. Die Geschichte, zwar ohne jemals das allerhöchste Niveau zu erreichen, bleibt nämlich durchgehend spannend und sorgt dafür, dass ihr ordentlich teilhabt am Schicksal der Figuren. Gerade die Missionen gegen Ende hin sind spielerisch als auch emotional eine großartige Herausforderung. Ja, es werden Tränen fließen.

Auch bei den Nebencharakteren hat man die Schwächen aus Awakening zumindest gelindert. Dieses Mal haben die Leute, die ihr für eure Armee rekrutiert, etwas mehr Persönlichkeit und einen etwas geringeren Nervfaktor. Dennoch sind nicht alle Charaktere gleich gut geschrieben oder charakterisiert und allgemein hätte ich mir mehr Support-Konversationen gewünscht, um die Figuren noch besser kennenlernen zu können.

Schere, Stein, Papier mit neuen Waffen
Am typischen Fire-Emblem-Spielprinzip hingegen wurde in diesem Teil nur wenig geschraubt. Es sind immerhin neue Waffengattungen hinzugekommen. Fire Emblem ist ja dafür bekannt, ein Stein-Schere-Papier-Waffensystem zu haben. Äxte beispielsweise schlagen Lanzen, Lanzen schlagen Schwerter, Schwerter schlagen Äxte. Jeder Waffentyp hat also mindestens eine Waffenkategorie, gegen die er stark ist, und eine, gegen die er schwach ist. Im Spiel merkt man das vor allem an Trefferchancen und ausgeteiltem Schaden.

Was sich aber durch Fates verändert hat, ist, dass durch die neue Waffengattung – versteckte Waffen wie Shuriken und Dolche – das Waffendreieck stark erweitert wurde. Bögen und Magie waren vormals außerhalb des Dreiecks, hatten also keine Stärke oder Schwäche. Diese sind nun, zusammen mit den verstecken Waffen, im Dreieck integriert. Im Klartext hat also jede Waffe nun zwei Waffen, gegen die sie stark ist, und zwei, gegen die sie schwach ist. Das wirft das taktische Denken für Veteranen leicht über den Haufen, weil man nun natürlich auf mehr achten muss.

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Das Element, welches das Spiel aber am ehesten von anderen Genrevertretern abhebt, sind die Supports. Charaktere, die oft zusammen kämpfen, verstehen sich mit der Zeit besser und geben sich gegenseitig Boni. Es kommt also nicht nur darauf an, auf Elemente wie das Terrain zu achten, was typisch für das Genre ist. Es zählt auch, in wessen Nähe die Figur steht. Man kann beispielsweise zwei Figuren nebeneinander platzieren. Dann greifen diese zusammen an und man hat ein höheres Schadenspotenzial. Oder man kombiniert zwei Einheiten zu einer. Dann hat man nur einen Angriff, aber auch die Chance, gegnerische Attacken einfach durch den unterstützenden Charakter abblocken zu lassen.

Neben den offensichtlichen spielerischen Boni schaltet ihr aber so auch die oben erwähnten Support-Konversationen frei, mit denen ihr die Charaktere näher kennen lernen könnt – bis hin zu dem Punkt, dass Charaktere heiraten und Kinder zeugen. Deswegen sind Supports beim Spielen immer allgegenwärtig und prägen euer taktisches Denken nachhaltig.

Auch das Klassensystem sticht heraus, weil es ein gutes Beispiel dafür ist, wie Fire Emblem im Design sowohl Einsteiger als auch Profis zufriedenstellen kann. Jeder Charakter hat eine bestimmte Klasse und kann per Meistersiegel befördert werden zu einer fortgeschrittenen Klasse, wovon man typischerweise zwei zur Auswahl hat. Aus einem axtschwingenden Kämpfer wird zum Beispiel entweder ein Berserker, der mit hoher Chance auf kritische Treffer brilliert, oder ein Held, welcher zusätzlich mit einem Schwert kämpfen kann. Das ist zumindest das, was wohl die meisten normalen Spieler mitkriegen dürften.

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Lest nützliche Taktiken für den Kampf sowie das Trainieren eurer Einheiten, erklären das Schloss-Feature und noch viel mehr.
Doch für Profis besteht auch die Option, sich voll und ganz in den Micro-Management-Sumpf zu wagen. Dort findet man dann gut ein halbes Dutzend Siegel, die euch unterschiedliche Klassenpfade eröffnen. Je nach Talent der Figur, der Supportpartner und anderer Charakteristiken, stehen euch andere Klassen offen. Zum normalen Durchspielen ist das nicht nötig, aber wer sich an höhere Schwierigkeitsgrade wagt oder bestimmte Fähigkeiten erlernen will, die an Klassen gebunden sind, hat hier die Möglichkeit, um einiges mehr Komplexität zu entdecken.

Damit bleibt das Spiel zwar noch immer etwas simpler als manch andere, bekannte Genrevertreter wie Disgaea, aber was Fire Emblem wirklich auszeichnet, ist, wie spannend die Kämpfe gestaltet sind. Das liegt ohne Frage an den Wahrscheinlichkeiten, die euch angezeigt werden, bevor ihr einen Kampf initiiert. Da seht ihr eure eigene und die Trefferchance des Feindes und zudem, wie hoch die Chance auf einen kritischen Hieb ist. Das erlaubt euch natürlich vorher zu planen, ob und mit welchem Charakter ihr denn angreifen wollt, aber ist der Kampf gestartet, geht es an die Fingernägel.

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Dadurch, dass in Fire Emblem die Feinde eben auch direkt zurückschlagen, ist nämlich jede Konfrontation ein richtiger Spannungs-Mikrokosmos in dem Ursache und Wirkung zusammenkommen. Soll man beispielsweise einen Feind angreifen, auch wenn man "nur" eine Chance von 85 Prozent hat und der feindliche Gegenschlag garantiert tödlich treffen würde? Das ständige Abwägen der Risiken und der leichte Zufallsfaktor sind eine sehr gute Mischung und gerade wenn man in knappen Situationen doch noch irgendwie das nötige Glück hat, sind Emotionsausbrüche, wie das Ballen einer Faust und ein lauter "Ja!"-Ruf in einer vollgepackten Bahn nur schwer zu vermeiden.

Die Unwichtigkeit des Todes
Wie schon in unserem Vergleich dargelegt, ist Herrschaft das schwerere der beiden Spiele. Auch hier gibt es die Wahl zwischen drei Modi. Der Phönix-Modus ist neu und für absolute Anfänger gedacht. Hier werden eure Figuren nach jeder einzelnen Runde komplett wiederbelebt, was das Scheitern fast unmöglich macht. Der Anfänger-Modus ist auch für absolute Anfänger, aber hier werden eure Figuren nur am Ende des Kampfes wiederbelebt. Für die volle Fire-Emblem-Erfahrung sollte man diesen Modi jedoch tunlichst meiden - Einsteiger werden sich aber darüber sehr freuen. Der Klassik-Modus hingegen bietet Permadeath. Wer im Kampf fällt, scheidet für den Rest des Spiels aus.

Wobei, um kurz abzuschweifen, ich die Implementation dieser Mechanik mehr als lahm finde. Es gibt einfach viel zu viele geschichtstragende Figuren in Fates, die dann im Kampf nicht wirklich sterben. Was ihr stattdessen kriegt, wenn die HP auf 0 sinken, ist ein Zweizeiler, der sich grob zusammenfassen lässt mit: "Püh, ich habe keinen Bock mehr!" Danach ist die Figur für den Kampf nicht mehr verfügbar, taucht aber natürlich in der Story weiterhin brav auf, wie wenn nichts gewesen wäre. So was raubt der ganzen Mechanik jegliche Fähigkeit, euch emotional mitzureißen, weil die Figuren zu belanglosen Objekten reduziert werden. Den Charakter, zu dem man über mehrere siegreiche Schlachten hinweg eine Bindung aufgebaut hat, verliert man nicht. Man verliert nur das Werkzeug für den Kampf.

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Man kann ungefähr sagen, dass Herrschaft auf Normal ähnlich herausfordernd ist wie Awakening auf schwer. Wobei Herrschaft doch noch die ein oder andere Mission hat, an der man sich die Zähne ausbeißen darf. Immerhin seid ihr nicht gerade der Lieblingssohn von König Garon und er zeigt euch seine väterliche Liebe, indem er euch auf Himmelfahrtskommandos schickt. Mal gilt es beispielsweise eine bestimmte Position zu verteidigen, während Horden von Feinden aus allen Richtungen auf euch zukommen. Oder ihr müsst auf einem Schlachtfeld kämpfen, in dem Windböen jede Runde eure Figuren über die Karte pusten.


Über die Lokalisierung wurden in den letzten Monaten viele Worte verloren. Darum hier nur knapp zusammengefasst: Nintendo of America hat die Entscheidung getroffen, sich sehr viele Freiheit zu nehmen, wodurch es einige signifikante Unterschiede zur japanischen Fassung gibt. Das reicht von sinnvollen und nachvollziehbaren Entscheidungen, wie dem Abändern mancher Namen (beispielsweise wurde aus Marx Xander) bis hin zu Fällen, die zum Haare sträuben sind, wie das Entfernen der japanischen Sprachausgabe, die im Vorgänger noch enthalten war.

Die deutsche Übersetzung, die sich strikt an die NoA-Lokalisierung hält, ist auf ordentlichem Niveau, vergreift sich aber gelegentlich im Ton. Nehmen wir zum Beispiel Bauerntölpel Jozu Mozu. Das Mädchen rekrutiert man früh im Spiel, als man sie als letzte Überlebende eines Raubüberfalles auf ein Dorf findet. Sie hat kaum Bildung genossen, was man in der englischen Version durchaus merkt. Sie spricht salopp und hat einige umgangssprachliche Formulierungen auf den Lippen. In der deutschen Variante hingegen benutzt sie Wörter wie "dinieren" oder "egozentrisch", die für so eine Figur einfach vollkommen verkehrt sind.

Insgesamt ist sowohl die deutsche Übersetzung als auch die Lokalisierung an sich, trotz einiger Makel, so gut gelungen, dass das Spielerlebnis kaum, wenn überhaupt, getrübt wird.

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Ja, ich nutze den Test, um schamlos Werbung für meine Waifu zu machen. Deal with it.

Bei Fire Emblem Fates: Herrschaft hat Nintendo es geschafft, das größte Problem des Vorgängers auszumerzen: die mehr als mäßige Story von Awakening. Gepaart mit dem gewohnt genialen Fire-Emblem-Gameplay erlebt man hier ein packendes Abenteuer, von dem man sich nur schwer lösen kann. Die Schlachten machen so süchtig, dass ich eine klare Pendel-Warnung aussprechen muss. Wer anfällig dafür ist, nur noch einen Zug spielen zu wollen, könnte sich nämlich schnell in der Pampa statt an der gewünschten Haltestelle wiederfinden, weil Fire Emblem es so verdammt einfach macht, die Welt um sich herum auszublenden. Die Permadeath-Mechanik könnte ruhig etwas mehr Gravitas vertragen und die Vielzahl an rekrutierbaren NPCs lässt zu oft Facetten und Charaktertiefe vermissen, aber das ist jetzt mehr Pedanterie als bei´der Prinzessin auf der Erbse. Fire Emblem Fates: Herrschaft ist eine echte Rollenspielperle für den 3DS und gehört in jedes gutsortierte Spieleregal.Haris

Fire Emblem Fates: Herrschaft wurde auf dem Nintendo 3DS getestet. Ein Testmuster wurde uns von Nintendo zur Verfügung gestellt.

Lust auf Herrschaft bekommen, aber Angst vor dem hohen Schwierigkeitsgrad?

Unser Guide zeigt euch nicht nur, wie ihr selbst in Herrschaft effektiv leveln könnt, sondern auch, wie ihr die Supports zwischen den Charakteren am besten steigert.

Fire Emblem Fates: Herrschaft

(Ranking)
S
RANK
Herausragend. S-Spiele erweitern Horizonte. Sie bieten intensive Erlebnisse oder halten den Spieler noch lange am Bildschirm gefesselt. Selbst wenn man sie nicht jedem empfehlen kann, will man doch mit jedem über sie reden.

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RELEASE
20. Mai 2016
PLATTFORM
Nintendo 3DS
Plattform

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