Homefront: The Revolution im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 30. Mai 2016

Homefront: The Revolution im Test

Die Ruckel-Revolution

Noch immer ist mir die Anfangsszene aus Homefront in Erinnerung: während man durch eine besetzte Stadt geführt wurde, sah man wie nordkoreanische Soldaten eine Familie mit Kind auf der Straße anhalten. Während das Kind nebendran steht, werden die Eltern hingerichtet. Die Soldaten ziehen kommentarlos ab, das kleine Kind kann nur noch weinend zu den leblosen Körpern rennen.

Es war eine ergreifende Szene, die Grenzen austestete, vor denen die meisten Videospiele respektvollen Abstand halten. Es war auch eine Szene, die mich sofort in Stimmung für das Spiel brachte. Solche Grausamkeit und Ungerechtigkeit sollte nicht ungesühnt bleiben. Es war der perfekte Spieleinstieg und auch wenn Homefront dieses Niveau nicht halten konnte, ist es doch ein kurzweiliger Shooter gewesen. Als schon wenige Monate später ein Nachfolger angekündigt wurde, war ich also sofort angefixt.

Homefront-the-Revolution-Xbox-One-Cryengine
Die Cryengine produziert bei Homefront: The Revolution ein paar echt schöne Aussichten. Aber... ihr seht es ja gleich selbst.

Nun sind etwas mehr als 4 Jahre seit dem Release von Homefront vergangen und mit Homefront: The Revolution ist der Nachfolger endlich da. Neuer Entwickler, neuer Publisher und nur das grobe Konzept – Nordkorea besetzt die USA und man schließt sich einer amerikanischen Rebellion an – ist nach einer ziemlich schaurigen Entwicklungshistorie erhalten geblieben. Erst wurde Kaos Studios geschlossen, die Entwickler des ersten Homefront-Spiels. Dann ging auch der Publisher THQ pleite, der das Spiel damals veröffentlich hatte. Crytek kaufte die Rechte und ließ den Nachfolger in England entwickeln, aber wieder kamen finanzielle Schwierigkeiten in die Quere. Schließlich sprang Koch Media, in Form von Deep Silver, ein und kauften die Rechte an dem Spiel sowie das Entwicklerteam.

Eine Wundertüte voller Fehler
Eine solch bewegte Entwicklungsgeschichte verheißt oft nichts Gutes - und das merkt man bei Homefront: The Revolution leider auch. Technisch ist das Spiel, auch knapp zwei Wochen nach Release und mit dem aktuellsten Patch, eine Katastrophe. Ich hatte bei diesem Test beispielsweise mehrere fatale Bugs, die mich zum Neuladen zwangen. Einmal wurde ich nach dem Beenden einer Mission plötzlich so zwischen Wand und Treppe teleportiert, dass ich nicht mehr weiterkam. Ein anderes Mal sorgte ein Nahkampfangriff auf einen Gegner dafür, dass ich mich plötzlich in einem Container wiederfand – den man aber nur von Außen öffnen kann. Regelmäßige Checkpoints verhindern zumindest einen großen Verlust des Spielfortschritts.

Homefront-The-Revolution-Texturen-Schrift
Die 90er haben angerufen und wollen ihre Texturqualität zurück

Die KI kann sofort in die Abfalltonne. Mal kommunizieren eure Feinde per Telepathie, um euch auch im besten Versteck perfekt zu erspähen. Oder sie schauen nur doof an die Wand und reagieren erst gar nicht auf vorbeilaufende Rebellen. Eure eigenen Einheiten sind mindestens genauso dumm, vor allem bei der Wegfindung. Das ist in einer Mission im letzten Spieldrittel extrem anstrengend, weil ihr dort eine Art neumodischen Kampfpanzer eskortiert und dieser dauernd irgendwo hängen bleibt.

Doch was vielleicht am nervigsten ist, sind die ständigen Aussetzer und Hänger. Jedes Mal, wenn ihr das Shop-Menü verlasst, nachdem ihr etwas ge- oder verkauft habt, hängt das Spiel mehrere Sekunden in einem starren Bildschirm. Dieses Problem lässt sich auch in vielen anderen Situationen beobachten: Das Erreichen von Missionszielen, das Erhalten von neuen Waffen und Gegenständen, das Annehmen von Jobs, beim Respawnen und manchmal auch einfach so, wenn ihr unterwegs seid – all das wird viel zu oft mit starken Rucklern zelebriert. Unspielbar ist es dadurch nicht, aber doch tauchen diese Macken so oft auf, dass sie den Spielspaß merklich vermiesen. Und das ist schade, denn das Konzept von Homefront: The Revolution lässt oft genug Potenzial aufblitzen.

Gut geklaut
Philadelphia, die Stadt, in der ihr eure Revolution plant, erinnert vom Aufbau stark an die neueren Far-Cry-Spiele. Ihr habt überall Stützpunkte, die ihr erobern könnt. Und, ganz wie bei Far Cry, führen viele Wege zum Ziel. Egal ob ihr der Philly-Rambo sein wollt, oder doch eher der subtile Schleicher, das Spiel lässt euch die Wahl und gibt euch die nötigen Mittel an die Hand. Mein persönliches Lieblingsgerät war ohne Frage die Armbrust, die mit einem gezielten Schuss fast alles tötet. Aber auch Freunde der Explosionen kommen auf ihre Kosten, denn sie dürfen sich über einen Raketenwerfer freuen, den man sogar aufladen kann, um multiple Geschosse abzufeuern.

Andere Stützpunkte verlangen euch nicht einmal Gewalt ab. Da gilt es zum Beispiel, ein leerstehendes Gebäude nach wichtigen Informationen zu durchsuchen, Kommunikationsanlagen zu hacken und ähnliche Formen des "friedlichen" Protests. Meist sind diese Arten von Stützpunkt als Puzzle aufgebaut: Zum Beispiel war eine Maschine, die ich bedienen sollte, im ersten Stock eines Gebäudes. Die Treppe, die dorthin führte, war zerstört und eine Tür blockierte mir den Weg. Am Ende musste ich von außen durch eine Scheibe das Schloss an der Tür kaputt schießen und dann waghalsig mit einem Motorrad über eine Rampe in die nun offene Tür springen, um an die Maschine heranzukommen. Ziemlich cool!

Homefront-The-Revolution-Grafikfehler
Kamerad Körperlos hat heute Wachdienst

Zusätzlich alternieren die Gebiete, die ihr bereist, zwischen roten und gelben Zonen. Rote Zonen sind verwüstete und nicht mehr wirklich bewohnbare Stadtteile. Hier liefern sich Rebellen und die koreanische Armee offene Feuergefechte. Gelbe Zonen hingegen sind relativ befriedigt und vollgepackt mit Zivilisten. Hier lasst ihr eure Waffen nicht so oft sprechen, entsprechend ist auch das Stützpunktdesign eher darauf angelegt, dass man mit Schleichen gut vorankommt.

In solchen Missionen passiert es durchaus, dass die Bugfrequenz so weit sinkt, dass das Spiel sein ganzes Potenzial entfalten kann. Dann macht Homefront: The Revolution Bock – und das richtig! Als Stealth-Fan konnte ich mich ungehindert austoben, wie ein echter Guerilla-Kämpfer die Gegner da treffen, wo es weh tut, ehe ich auch schon wieder in den Häuserruinen verschwand.

Nordkoreanische Invasion? Mir egal.
Dass ich bisher kaum Worte zur Story verloren habe, hat übrigens einen Grund: die ist langweilig und belanglos. Wo das erste Homefront durchaus auch mal Dinge wagte, die man so nicht unbedingt in einem Videospiel erwartet, spielt es The Revolution sehr sicher. Die eine große Wendung des Spiels riecht man schon 100 Meter gegen den Wind und die Charaktere, die euch unterstützen, bleiben farblos. Überhaupt wird der Konflikt zwischen koreanischen Besatzern und amerikanischen Freiheitskämpfern sehr einfach stilisiert, ein ganz simples Gut gegen Böse erwartet uns. Dass man es auf nordkoreanischer Seite auch nicht schafft, einen echten Widersacher zu etablieren – Philadelphias Bürgermeister Simmons, ein koreanischer Vasal, taucht viel zu selten auf, als dass man irgendwelche Emotionen bei ihm empfinden könnte – schadet der Geschichte deutlich. Bei Homefront wollte ich Rache an den Besatzern nehmen und für die Freiheit kämpfen. Bei Homefront: The Revolution arbeite ich meine Punkte auf der Missionsliste brav ab, weil man das in Spielen eben so macht.

Homefront-The-Revolution-Geistertruck-Grafikfehler
Das Offensichtliche ist hier gar nicht der größte Fehler. Dieser Konvoi, imaginär und sichtbar, der gerade beladen wird, wurde in einer Storysequenz knapp zwei Spielminuten vorher komplett vernichtet

In seinen besten Momenten ist Homefront: The Revolution mindestens genauso gut wie die neueren Far-Cry-Spiele. Leider werden diese genialen Momente immer wieder durch große, technische Schwierigkeiten punktiert. Von einer durchwachsenen grafischen Präsentation über eine grottige KI bis hin zu ständigen Hängern merkt man sehr deutlich, dass das Spiel noch gut und gerne sechs Monate Feinschliff vertragen hätte. Patches konnten hier bisher nicht für Abhilfe sorgen. Am Ende bleibt The Revolution auch einfach zu konservativ. Es fehlt der Mut, den das erste Homefront noch auszeichnete. Vielleicht können die Entwickler noch mit ein paar Patches zumindest die Probleme lindern, die das Spiel bislang zeichnen. Dann könnte man hier einen guten, wenn auch absolut generischen Shooter vorfinden. Bis dahin kann ich vom Kauf aber nur abraten.Haris

Homefront: The Revolution wurde auf Xbox One getestet. Ein Testmuster wurde uns von Deep Silver zur Verfügung gestellt.

Homefront: The Revolution

(Ranking)
C
RANK
Gut gemeint. C-Spiele haben ihre strahlenden Momente, aber in entscheidenden Situationen wird großes Potential verschenkt. Über keine anderen Spiele kann man sich so sehr ärgern.

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28. März 2024 um 13:19 Uhr
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20. Mai 2015
PLATTFORM
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Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
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Plattform - Die Playstation 4 (PS4) von Sony ist eine Spielkonsole der 8. Generation. Sie erschien am 29. November 2013 europaweit als Nachfolger der Playstation 3.
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Plattform - Nachfolger der Xbox 360 von Microsoft. Angekündigt am 21. Mai 2013, ist die Heimkonsole am 22. November 2013 in Deutschland und weiten teilen Eruopas erschienen.

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