Legend of Legacy im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 07. Februar 2016

Legend of Legacy im Test

Der Konventionsbrecher

"Story in JRPGs kann ja wohl jeder. Lass mal voll aufs Gameplay konzentrieren!" Was für manche JRPG-Fan-Ohren wie Sakrileg klingt, ist offensichtlich das Motto, unter dem Legend of Legacy läuft. Schaut man sich den Hintergrund des Spieles an, ist das dabei nicht mal wirklich überrascht. Wir haben hier immerhin den spirituellen Nachfolger von Square-Enix' SaGa-Reihe vorliegen. Das kleine Geschwisterchen Final Fantasys machte vor allem in den 90ern von sich reden und war für seine Innovationen berühmt-berüchtigt. Mit Genre-Konventionen zu brechen liegt also voll in der DNA von Legend of Legacy und als selbsternannter anerkannter Experte für Rollenspiele aus dem fernen Osten klingt das nach etwas, was ich mir mal anschauen sollte.

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Ich wähle also einen Charakter -- oder lasse eher wählen, wobei sich meine Freundin netterweise für Eloise entscheidet - laufender und insbesondere wackelnder Fanservice-Generator. Na wenigstens ein Standardelement des Genres, welches nicht fehlt! Die Story beginnt mit einer Insel, die irgendwo im Meer neu aufgetaucht ist, ein paar Leute landen dort mit dem Schiff und ab geht’s.

Viel mehr an Geschichte gibt es nicht und Händchenhalten beschränkt das Spiel auch auf das Nötigste. Schnell habe ich einen Auftrag, der mich die ganze Spielzeit über beschäftigen soll: erforsche die Insel. Mag etwas schnöde klingen, macht aber echt Spaß. Die Insel ist in viele Areale unterteilt, die sich grafisch ansprechend präsentieren und intensiv begangen werden wollen. Denn unten auf dem 3DS wird eine Karte mitgezeichnet, die ich zwischen meinen Erkundungstrips verkaufen kann. Je mehr ich von einem Gebiet erforscht habe, desto mehr Kohle gibt es.

Außerdem bockt das Kämpfen echt, da ausgewählte Formationen vor jeder Kampfrunde das übliche Rundensystem aufmischen. Formationen sind dabei festgelegte Stellungen für die einzelnen Figuren. Die standardmäßige Pegasus-Formation sieht zum Beispiel vor, dass zwei Figuren in Angriffsstellung gehen, während einer verteidigt, was entsprechende Boni mitbringt. Später erstellt man eigene Formationen, um im Kampf eine schöne Auswahl zu haben. Mal darf meine Kamikaze-Formation ran – Tempo hoch, aber dafür Verteidigung runter, um einen besonders nervigen Feind ausschalten zu können, bevor er zum Zug kommt. Ein anderes Mal schicke ich die Panzer-Formation aufs Feld, um den Schaden zu minimieren, während ich darauf warte, dass sich meine Aktionspunkte regenerieren. Im nächsten Zug lasse ich dann in Zerstörer-Formation die totale Endvernichtung über das Feld regnen. Vor jeder Kampfrunde muss ich genau abwägen, was mein Feind wohl machen können wird, und dieser Anspruch ist genau das, was ich als bekennender Feind von "Press A to win"-Kampfsystemen suche.

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Soweit also alles gut, der Konventionsbruch scheint sich echt zu lohnen und ich bin in den ersten Spielstunden so ein bisschen begeistert. Nein, nicht Trails-begeistert, euch erwartet kein 3000-Wörter-Essay! Aber daran, den 3DS wegzulegen, denke ich nicht mal.

Die Romanze wandelt sich dann aber doch schneller zur Tragödie, als Shakespeare seinen Füllhalter in das Tintenfass tupfen kann, denn mir begegnet der Frustfaktor Nummer Eins in Videospielen: RNGesus. Legend of Legacy ist nämlich noch schlimmer auf dem Non-Konformitätstrip als ein pubertierender Teenie nach zu viel Linkin Park, und deswegen gibt es hier kein Hau-den-Feind/Schluck-die-EXP/Steig-Im-Level. Stattdessen werkelt im Hintergrund ein hochkomplexer Algorithmus, der nach jeder Aktion entscheidet, ob ihr eine Belohnung verdient habt oder eben nicht.

Sämtliche Fortschritte in Charakterattributen und –fähigkeiten sind von euren Aktionen abhängig. Kloppt ihr viel mit dem Schwert, erlernt ihr Spezialschläge für eben diese Waffengattung. Umklammert ihr den Kristall mit inkludiertem Zauberspruch fest mit euren Wurstfingern, habt ihr die Chance, irgendwann die Magie so dicht in euren Poren kleben zu haben, dass ihr euch nicht mehr die Hände waschen wollt. Und wenn euch die Feinde ordentlich auf die Mütze geben, dann lernt ihr notgedrungen mehr Prügel auszuhalten, bevor die Lebenspunkte null anzeigen. Die Chance, was zu lernen, ist dabei höher, je weniger ihr könnt und je stärker der Feind ist, weswegen Kleingetier gerne ignoriert wird auf der Suche nach furchteinflößenden Viechern.

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Ich kämpfe also gegen diesen mächtigen Vogel, der mich in der Wüsten-Karte gerne Mal aus der Luft attackiert, wenn ich unter seinen Schatten trete. Den kann ich zwar nicht besiegen, da er härter ist als die meisten Bosse zu dem Zeitpunkt, kann ihn aber wunderbar für mein Training missbrauchen. Fähigkeiten lernt man nämlich direkt in der Kampfrunde und wenn man spontan die Beine in die Hand nimmt, bleibt das Wissen trotzdem erhalten. Finde ich richtig cool, da man so noch mehr motiviert ist, auch mal total fiese Feinde mit dem Stock zu pieken. Da die Flucht garantiert ist, bin ich stolzer Feigling, der sich bei zu viel Gegenwehr nur zu gerne hinter Mamas Rockzipfel versteckt.

Aber mein Kampf mit dem Vogel hat natürlich einen besonderen Hintergrund: Eloise soll mal den Wasserschild-Zauber erlernen, der Schaden ordentlich reduziert und so wirklich nützlich ist, damit ich ihr einen neuen Magiekristall in die zarten Händchen drücken kann. Ich kämpfe also immer wieder gegen den Vogel und setze den Zauber Runde um Runde ein. Einmal, zweimal, zehnmal, zwanzigmal. Beim hundertsten Versuch höre ich auf zu zählen. Die anderen Figuren lernen eine neue Fähigkeit nach der anderen, doch bei Eloise tut sich nichts. Ich überlege schon, meine Freundin zu konfrontieren, was sie mir da für einen Mist untergejubelt hat.

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Schließlich beschließe ich, meinen Frust am Inventar auszulassen und gebe Filmia, dem Frosch, diesen blöden Wasserkristall. Filmia ist zwar jetzt kein so cooler Frosch wie Glenn aus Chrono Trigger, die Epitome der Froschigkeit in JRPGs, an dem sich jedes quäkende und springende Amphibium messen muss, aber er sagt manchmal was Lustiges und ist deswegen in der Party. Filmia setzt den Wasserschildzauber zum ersten Mal ein und erlernt ihn sofort. Ich falle vom Glauben ab.

Doch während ich schon dabei bin eine Pilgertour zu planen, um herauszufinden, wieso ich bei RNGesus in Ungnade gefallen bin, meldet sich das Internet. Die Charaktere haben nämlich allesamt versteckte Affinitäten zu Waffen und Magietypen, die extrem beeinflussen, wer was wann und wie schnell lernen kann. Eloise mag kein Wasser. Und ich mag keine intransparenten Spielsysteme, die nur durch das Besuchen esoterisch angehauchter Internetseiten voller Mondrunen ihre Geheimnisse preisgeben.

Alleine schon, weil so die Ausschüttung der Belohnungshormone, die dafür sorgen, dass ich mich gut fühle und deswegen das Spiel gut finde, sehr inkonsistent ist. Mal lernt jeder nach einem krassen Bosskampf ein halbes Dutzend neuer Fähigkeiten und ich fühle mich richtig geil. Manchmal prügel ich dreißig Minuten Monster ohne auch nur ein einziges Plus für irgendein Attribut zu verzeichnen und überlege, ob ich meinen gelebten Real-Life-Pazifismus um eine Fußnote erweitern soll, die Gewalt gegen nicht-lebendige Konsolenhardware autorisiert.

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Und so kippt die Waage. Anfängliche Begeisterung wird irgendwann durch viel vom Spiel produzierten Bullshit ausgeglichen. Anderes Beispiel: in Legend of Legacy kommt man nicht etwa am besten an gute Gegenstände, indem man starke Monster klatscht oder Händler von der Last der Waren befreit. Stattdessen läuft man in der Stadt zu einem NPC, lässt 5000 Kröten rüberwachsen und spricht dann fünf Echtzeitstunden später wieder mit ihm, um sich wunderbare Items in die Hände drücken zu lassen. Und wenn man innerhalb dieser fünf Stunden Streetpasses sammelt, wird die Ausbeute sogar noch besser.

Nach gut 20 Stunden habe ich genug. Ich mochte Legend of Legacy am Anfang ja wirklich sehr, aber ich werde auch bald 30 und kann meine Zeit besser verschwenden. Zum Beispiel mit Spielen, in denen ein signifikanter Teil meines Erfolges nicht von dubiosen Zufallszahlensystemen abhängt. Nach intensiver Internetrecherche, die mir bestätigt, dass das Spiel auch bis zum Ende hin storyfrei bleibt und auch das Gameplay keine Änderungen erfährt, lege ich den 3DS guten Gewissens weg und greife zu meiner Vita. Trails of Cold Steel hat immerhin ein New Game+! Gut, auf dem 3DS gibt es kein Trails, aber da ich euch ja nun erfolgreich davon abgehalten habe, Legend of Legacy zu kaufen, sind das die ersten 40 Euro in eurer Sparbüchse auf dem Weg zu einer neuen Vita und einem richtig guten JRPG. Ihr werdet es mir danken. Haris

Fazit
The Legend of Legacy bricht mit vielen Konventionen und grenzt sich so deutlich von anderen JRPGs ab. Allerdings dürfte die minimalistische Story und die eher farblosen Charaktere nur die wenigsten Spieler zufrieden stellen. Zudem bringt Legend of Legacy viele Ideen mit, aber nicht jede davon zündet. Der hohe Zufallsfaktor, der ins Spiel kommt, wenn es um das Erlernen von Fertigkeiten geht, ist sogar manchmal echt ärgerlich. So bleibt Legend of Legacy trotz namhafter Entwicklerbesetzung eher etwas für alte JRPG-Hasen, die schon vieles gesehen haben und deswegen auch mal auf Abwegen wandern wollen. Diese werden hier womöglich sogar einen ungeschliffenen Rohdiamanten finden.

The Legend of Legacy wurde auf dem Nintendo 3DS getestet. Ein Testmuster wurde uns von NIS America zur Verfügung gestellt.

The Legend of Legacy

(Ranking)
C
RANK
Gut gemeint. C-Spiele haben ihre strahlenden Momente, aber in entscheidenden Situationen wird großes Potential verschenkt. Über keine anderen Spiele kann man sich so sehr ärgern.

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RELEASE
05. Februar 2016
PLATTFORM
Nintendo 3DS
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