Rodea the Sky Soldier im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 22. November 2015

Rodea the Sky Soldier im Test

Im freien Fall

Seit 2003 liege ich seelisch im Sterben. Das war das Releasejahr von Sonic Heroes - der kanonische Beginn des großen Abstiegs meines Helden aus Kindertagen. Immer und immer wieder ziehe ich mir den aktuellsten Sonic-Titel rein und kann höchstens auf Mittelmäßigkeit hoffen. Es sah finster aus, doch mein Nostalgiehype hatte noch ein Ass im Ärmel: Vor einigen Jahren gründete Yuji Naka, Sonics geister Vater, das Studio Prope. Und einige Zeit danach kam der Trailer zu Rodea the Sky Soldier - ein Titel für die Wii, der in meinen schnell glasig werdenden Augen wie das Neugeborene aus dem actiongeladenen Sonic Adventure und dem träumerischen NiGHTS - Into Dreams wirkte. 2011 war das Spiel dann laut Naka fertig. Aber es erschien einfach nicht - bis 2015 für die Wii U. Solch langen Entwicklungszeiten sind in der Regel kein gutes Zeichen und einige Stunden nach dem Start der Story musste ich feststellen, dass Rodea hoffnungslos kaputtentwickelt wurde.

Was ist Rodea?
In Rodea the Sky Soldier übernimmt der Spieler die Schwingen der Robotersoldaten Rodea. Der hat der fürsorglichen Prinzessin Cecilia von Naga das Versprechen gegeben, das fliegende Land Garuda vor der Invasion ihres Vaters zu retten. Das klappt auch bedingt - die Streitkräfte verpassen das Zeitfenster für die Invasion und Garuda zieht unbescholten weiter. Allerdings stürzt Rodea ab und gilt als tot. Tausend Jahre später sind sich Garuda und Naga wieder nah genug, um Unfreundlichkeiten auszutauschen. Zu diesem Zeitpunkt findet die junge Erfinderin Ion den halb verbuddelten Rodea und repariert ihn, damit er sein Versprechen erfüllen kann.

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Rodea the Sky Soldier ist ein in 25 Level unterteiltes Jump 'n' Run. Einige Level sind sehr linear, andere laden zu etwas mehr Erkundung ein. Der größte Unterschied zu den meisten anderen Plattformern: Rodea kann fliegen, was ihn in diesem Genre schon etwas übervorteilt erscheinen lässt. Allerdings kann Rodea nicht frei herumflattern, sondern muss immer Objekte in der Welt als Ziel markieren. Rodeas Flugstrecke ist außerdem an eine Benzinanzeige gekoppelt, die sich sofort auffüllt, wenn der weißgelockte Held einen Boden, eine Decke oder eine Wand berührt oder aus Gegnern Benzinfragmente herausprügelt. Derer entledigt man sich durch beschleunigte Wirbelattacken.

Das klingt ja alles erst einmal super! Man fliegt herum, genießt die Freiheit, sucht nach Geheimnissen und treibt mit gewieften Attacken die Komboanzeige in die Höhe, indem man Dutzendweise Gegner vernichtet! Ganz so ist es dann aber nicht.

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Klassische Kamera, noch schlimmer
Es ist ein altbekanntes Problem der Sonic-Spiele, dass die Kamera Müll ist. Sie verhakt sich, sie ist zu nah dran, sie ist zu weit weg, sie ist zu langsam. Man sollte zwar meinen, dass Nakas Team es rund zehn Jahre nach Release der Sonic-Adventure-Spiele besser gewusst hätte, aber nein. Rodeas Kamera ist ebenfalls langsam und hakelig, nur dass man sie jetzt auch im kompletten Radius um die Spielfigur herumdrehen muss. Das ist umso fataler durch das grobe Lock-on. Wenn Gegner oder Objekte nahe beieinander stehen, dann erfordert es schon enormes Feingefühl, nicht den Feind mit den ausgefahrenen Stacheln, sondern das 1-UP neben ihm einzusammeln. Hinzu kommt die leicht überkomplizierte Steuerung mit zwei verschiedenen Angriffstasten, Waffenmodiwechsel, Kameradrehtasten, Kombinationen für Ausweichmanöver und der Technik, dass man, um in einem Bogen aufs Ziel zuzufliegen, mit dem Druck auf die Flugtaste kurz den Stick in die gewünschte Richtung flicken muss. Da muss man sich aber auch vor Überraschungen in Acht nehmen, denn manchmal schlägt Rodea den entgegengesetzten Orbit ein.

Featuritis
Die originale Wii-Version mit veränderter Steuerung liegt der ersten Charge der physikalischen Wii-U-Version bei. Ich habe das Spiel leider nur digital vorliegen, darum kann ich auf Unterschiede nicht eingehen. Allerdings soll nur die Steuerung anders sein.
Es gibt einige Dinge, die ich mir an Rodea einfach nicht einfach so erklären und über deren Daseinsberechtigung ich nur spekulieren kann. Dazu gehört das Level-System. Rodea bekommt im Laufe des Abenteuers von seiner Gefährtin Ion drei Waffensysteme spendiert. Schlitterstiefel, Lock-on-Angriff und das Gewehr lassen sich in Stärke und einigen Spezialfähigkeiten aufleveln, genauso wie man Rodeas Stärke, Verteidigung und Geschwindigkeit erhöhen kann. Zusätzlich kann Rodea noch einige Spezialmanöver lernen, etwa damit er sich an Wänden festhält. Um all diese Sachen aufzuwerten, muss man hauptsächlich Gegner um ihre Bauteile erleichtern. Die lassen sie aber nicht immer fallen. Ganz richtig: Random Drops! Und wenn man nicht genug Bauteile bekommt, um etwas aufzuwerten? Einfach alte Level noch mal spielen! Hurra! Oder man kauft sich mit In-Game-Währung den Zugang zur Grind-Insel, auf der man dann Sachen einsammelt, geht, das Level wieder lädt und das immer wiederholt, bis man alles hat, was man braucht. Genial.

Ohne die Insel oder Grinding bleibt man stets underpowered. Aus irgendeinem Grund kann man zwar mit versteckten Münzen Level 5 oder sogar Level 9 der Upgrades freischalten, aber soweit bin ich bis zum Abspann nicht gekommen. Das ist echt traurig, weil manche Spezialfähigkeiten, wie das Bogenfliegen, eigentlich essentiell sein sollten. Aber wer nicht grindet, geht leer aus.

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Der Widerspruch
Am größten knallt es aber beim Benzin. Wie schon erwähnt, verfügt Rodea über einen Spritvorrat, der sich auffüllt, sobald man statische Objekte berührt. Wäre Rodea ein Puzzlespiel, bei dem man seinen Vorrat gut managen muss, um eine Herausforderung nach der anderen zu meistern, wäre das auch gar nicht so übel - das gute A Story About My Uncle funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Allerdings kennt Rodea nur zwei Spielmechaniken: Erkunden und Feinde. Bei beiden steht die Benzinmechanik im Weg.

Wer möchte schon weitläufige Areale erforschen, wenn man alle zehn Sekunden zwischenlanden muss? Das ist ja wie Fußball spielen und jede Minute ist Halbzeit. Noch schlimmer: Da Garuda aus fliegenden Inseln besteht, gibt es überall Abgründe. Geht einem über so einem Abgrund der Sprit aus, ist Rodea sofort tot und es geht zurück zum letzten Checkpoint - der dann auch mal eine Viertelstunde in der Vergangenheit liegt. EINE VIERTELSTUNDE! Leben sind alle? Level ganz wiederholen! Wo sind wir hier, 1992?
Dabei sind Distanzen nur schwer einzuschätzen und Inseln häufig so weit voneinander entfernt, dass man den Flug nur äußerst knapp hinter sich bringt. Wenn überhaupt. Oh, du startest vier Meter vom Inselrand entfernt? Reicht leider nicht...

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Aber das mit dem Benzin ist nur ein Teil des großen Ärgernisses, das das Leveldesign ausmacht. Ich kann nur raten, dass die Benzin-Mechanik erst kurz vor Ende der Entwicklung ins Spiel gefunden hat, denn viele Level sind einfach nicht dafür ausgelegt. Da gibt es etwa eine ganze Reihe Gegner in leerer Luft, die nur dafür gemacht sind, dass man sie hintereinander wegdasht. Reicht dafür der Sprit? Nein. Kommt Benzin aus den Gegnern raus? Nein. Lässt sich der Verbrauch durch Upgrades verringern? Nein.

An anderen Stellen haben die Leveldesigner einfach vergessen, dass Rodea fliegen kann. Warum sollte eine Kanone, die nur träge geradeaus feuert, gefährlich sein? Warum sollte ich mich um friedliche, patrouillierende Gegner kümmern, wenn die mich nicht angreifen? Mein Lieblings-Derp tauchte in einen der letzten Level auf: Dort findet sich Rodea auf einer langen Röhre wieder, vor ihm sich drehende Energiescheiben mit jeweils einer Lücke drin. Rodea sagt, dass er durch die Lücke muss. Ich sage, dass das Schwachsinn ist und fliege drum herum. Ulkigerweise zeichnet sich die letzte Welt ansonsten durch Elemente aus, die Rodea in seiner Gesamtheit durchaus unterhaltsam gemacht hätten: Viel Benzin, damit man das Fliegen nicht unterbrechen muss, toller Einsatz der etwas komplizierten Steuerung - an die man sich zu dem Zeitpunkt aber gewöhnt hat - und zwei schöne Bosskämpfe.

Hässlich
Rodea ist ein Spiel, das vor vier Jahren für eine wesentlich schwächere Konsole hätte rauskommen sollen. Doch selbst für 2011 war die Grafik schon antiquiert. Die Texturen sind matschig, nur wenige Modelle zieren die kargen Landschaften und als ich die ersten Gegner sah, musste ich lachen, denn die wehrlosen Robo-Fische bestanden aus einer einstelligen Polygonanzahl. Es gibt zeitloses Artdesign, das will ich gar nicht bestreiten, aber Rodea kann nicht einmal daran denken, sich zwischen optische Schätze wie Mario 64, Jet Set Radio oder Shadow of the Colossus einzureihen. Die Grafik dieses Spiels ist Stand 2000 und Prope sollte sich etwas schämen. Immerhin sorgt der Modellmangel für einen guten Überblick, so dass man Rodea sehr gut auf dem Bildschirm des Wii-U-Controllers spielen kann. Da ist es eigentlich ungeheuerlich, dass Rodea unter Framerateeinbrüchen leidet. Häufig droppt die Bildwiederholrate auf unter 30 und es kommt zu merklichen Rucklern. Gegen Ende gerät Rodea sogar komplett ins Stocken.

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Übrigens wird ein Großteil der Geschichte durch (zugegebenermaßen niedliche) Standbildsequenzen mit den Figuren als quasselnde Sprites transportiert. Mir leuchtet aber nicht ein, wie niemandem auffallen konnte, dass in manchen Sequenzen die Sprachausgabe mehrere Sekunden schneller ist als die gezeigten Bilder und Bildschirmtexte. Hinzu kommen einige merkwürdige Glitches. Ich bin zum Beispiel zweimal ohne Vorwarnung mitten ins Nichts teleportiert worden. Keine Insel weit und breit. Tot, Checkpoint laden. Hat denn niemand dieses Spiel getestet, bevor es auf den Rohling gepresst wurde?

Rodea the Sky Soldier ist eine Zumutung und keiner sollte dieses Spiel spielen müssen. Ich glaube wegen einiger recht unterhaltsamer Level, in denen das Spiel dann doch mal einfach funktioniert, fest daran, dass hier irgendwer mit mehr Autorität als er haben sollte alles in die Scheiße geritten hat. So ist Rodea eine unansehnliche Ansammlung kaputter Gameplaymechaniken mit einer Identitätskrise.

Rodea the Sky Soldier wurde auf der Wii U getestet. Ein Testmuster wurde uns von NIS America zur Verfügung gestellt.

Rodea: The Sky Soldier

(Ranking)
F
RANK
F wie Fail. Kaum von Wert. Hier jagt eine Schwäche die nächste. Niemand braucht das, niemand will das. Nicht einmal geschenkt.

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RELEASE
13. November 2015
PLATTFORM
Nintendo 3DS
Plattform
Wii
Plattform
Wii U
Plattform

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